Spaxels Research Initiative – Schwärme der Zukunft

Der menschliche Umgang mit intelligenten, autonomen Robotern im Verbund wirft eine Menge Fragen auf, die in der Spaxels Research Initiative gesucht und gestellt werden sollen.

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„Spaxels“ sind seit 2012 ein Begriff, der vom Publikum als Drohnen-Performance gedacht wird. Spaxels haben aber eine Bedeutungsebene, die über das als künstlerische Arbeit, intendierte Drohnenprojekt hinausgeht. Die Raumkonstituierende Funktion eines Space Elements (Spaxel) erschließt sich nicht notwendigerweise nur am Himmel, an dem bisher Drohnen-Licht-shows stattfinden. Vielmehr scheint der Begriff Schwarm, in unterschiedlichen Interpretationen, die Zukunft einer Vielzahl von Anwendungsfelder zu durchdringen. Nahe am Show-Konzept finden sich die Arbeiten mit NTT am „Sky Compass“. Hier wurde der Einsatz von Schwärmen als Kommunikationsmedium bearbeitet,  um die BesucherInnen und EinwohnerInnen Tokyos im Jahr 2020 auf spielerische Art und Weise zu ihren Zielpunkten zu geleiten.

Der Umgang mit intelligenten, autonomen Robotern im Verbund wirft darüber hinaus noch eine Menge Fragen auf, die in der Spaxels Research Initiative gesucht und gestellt werden sollen.

Drohnen im Speziellen waren somit lediglich der Initialfunke für die Spaxels Research Initiative, ein Zusammenschluss des Ars Electronica Futurelabs und der Ars Electronica Spaxels mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft, die beim diesjährigen Festival gestartet wird.

Spaxels: Illuminierte Drohnen als Schwarm waren der Initialfunke der Spaxels Research Initiative. Credit: Martin Hieslmair

Was sich genau hinter der Initiative verbirgt und welchen Aufgaben sie sich widmet geben die bis dato teilnehmenden Parteien Preis. Interview-Teilnehmende sind: Isabelle Borgert (DE/Connected Car & In-Car Technology/ AUDI AG), Horst Hörtner (AT/Senior Director des Ars Electronica Futurelab), Hiroshi Ishii (JP/ Co-Director MIT-Medialab), Shingo Kinoshita (JP/Senior Research Engineer Supervisor bei NTT) und Philip Müller (DE/Program Manager AEC EMEA / Autodesk Education Experiences).  ‎

In Teil 1 des Interviews gibt Initiator Horst Hörtner Auskunft zum programmatischen Rahmengerüst und der Aufgabe, die sich die Spaxels Research Initiative gegeben hat.

Welchen Fragen geht die Spaxels Rearch Initiative (SRI) genau auf den Grund?

Horst Hörtner: Die große Frage die sich einmal mehr stellt: Definiert die kommende Technologie die Gesellschaft oder definiert die Gesellschaft die kommenden Technologien?

Es braucht im Hinblick auf zukünftige Technologien eine gesellschaftliche Hinwendung zu dem Thema. Die SRI stellt sich dieser durchaus schwierigen Aufgabe, diese Aufmerksamkeit zu entfachen. Wie man diese entfacht ist eine schwierige Aufgabe, weil sich die Technologie nicht von selbst erklärt – die Spaxels als Performance, waren schon mal ein guter Schritt. Denken wir allerdings an Schwärme, sind es die aus dem Tierreich, die in der einschlägigen Literatur bereits sehr gut analysiert, erfasst und modelliert sind.  Der zugrundeliegende Ansatz dabei ist das Verhalten einer Gruppe von Individuen, die im Schwarmverbund agieren. Zum Beispiel beeindrucken Aufnahmen von Tausenden von Staren, die sich in freier Formation durch die Luft bewegen. Dabei vergessen wir gänzlich die Infrastruktur, die den Schwarm bedingt. Und auch die Zielsetzung des Schwarmfluges – Warum machen die Stare das? – worauf wir an sich noch keine endgültige Antwort gefunden zu haben scheinen. Dass wir dabei unseren Blick nur auf die Natur richten ist eine Beschränkung, die sich aus dem engen Blickwinkel der Gegenwart ergibt.

Im Audi Training Center in München wurde beim Central Technology Training namens „meet the future“ das Thema Digitalisierung der Mobilität vom Ars Electronica Futurelab künstlerisch umgesetzt. Man kann die Dinge der Zukunft nur vom Hier und Jetzt aus denken. Credit: Florian Voggeneder

Die Schwärme der Zukunft – mit anderen Worten autonome Systeme der Zukunft – werden durch neuartige, artifizielle Konzepte wie etwa Artifial Intelligence, Machine Learning usw. vorangetrieben. Dies wird direkte Auswirkung auf die Individualität der einzelnen Teile, bzw. auf die Autonomie der Roboter und deren Kommunikation untereinander – ihren Verbund –  haben.

Wir Menschen sind geneigt – bzw. gezwungen – Infrastrukturen der Gegenwart mit dem Vorstellbaren der Zukunft zu mischen. Wir sehen die Infrastruktur „Straße“ und denken an ein „Autonomes Fahrzeug“ und damit „(zukünftiges) autonomes Fahrzeug auf der (heutigen) Straße“. Dies ist ein Gedanke an Mobilität, der vom Kontext des „Hier und Jetzt“ getragen wird: in der verkürzten Form lautet er: „eine Person und ihr Auto“.

Wie überwinden wir diese naturgegebene Beschränkung? Wir können ja nicht in die Zukunft reisen und zurückschauen!

Horst Hörtner: Die Beschränkung durch die Projektion von dem Hier und Jetzt auf die Zukunft stellt ein großes Problem dar. Von dieser Limitierung muss man sich von zwei Eckpunkten aus befreien: von der wissenschaftlich industriellen als auch der gesellschaftlichen Richtung aus.

Mit der Befreiung aus der Perspektive von heute muss man versuchen einen Bedeutungszusammenhang von technologischem Fortschritt im Hinblick auf die gesellschaftliche Entwicklung herzustellen. Dieser Bedeutungszusammenhang ist das Herzensanliegen der Spaxels Research Initiative. Wir untersuchen den Bedeutungszusammenhang schwarmbasierten selbstorganisierten Systemen von Gesellschaft und Technologie aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Kunst, der Wissenschaft, der Industrie. Dabei verfolgen wir nicht vorrangig das Ziel Antworten zu entwickeln, sondern erstmal die richtigen Fragen zu stellen.

Die Idee zur SRI entstand aus der Arbeit des Futurelab im Allgemeinen und konkret aus den (Kunst-) Projekten mit den Spaxels, wo Schwärme zum Einsatz kommen. Die Arbeit mit Schwärmen und das Reflektieren darüber führte zum Bild von multizellulären robotischen Organismus [multi cellular robotic organism (MCRO)] – ein Verbund von Robotern, die wie unterschiedliche Organe eines Organismus auch, nicht a priori nur Schwarm-getrieben, sondern in unterschiedlicher Ausprägung als – durch Kommunikation miteinander verbundene – „Organe“ agieren.

Mercedes-Benz Intelligent Drive Experience 2015 San Francisco

Mercedes-Benz Intelligent Drive Experience 2015 San Francisco. So genannte Shared Space Bots zeigen in einem Modell die Zukunft in der Maschinen mit einer eigenen Agenda zum ersten mal den öffentlichen Raum mit Menschen teilen werden. Credit: Mercedes Benz

Die Ars Electronica ist mit den Überlegungen zur Zukunft von künstlichen Schwärmen (im offenen Verständnis der MCROs) nicht allein – ganz im Gegenteil arbeiten sehr viele bereits an deren teilweisen Umsetzung – oder an ihrer Interpretation dessen. Was bedeuten diese zukünftigen Systeme für unsere Gesellschaft? Persönlich finde ich auch die Frage nach einer Schwarmintelligenz interessant – die aller Orten zitiert, nahezu angerufen, wird. Angesichts des tatsächlichen, öffentlichen Kommunikationsverhaltens eines wachsenden Teils unserer Gesellschaft (in Werbung, social media und auch in Teilen der Politik), scheint mir die wissenschaftliche Untersuchung eines Phänomens, dass man als „Schwarmdummheit“ bezeichnen könnte, als weitaus realitätsnaher.

Stichwort „autonomes Fahren“ als Beispiel… werden wir Verantwortung abgeben müssen?

Horst Hörtner: Bedeutet die zunehmende Intelligenz unseres Environments gleichzeitig auch die Konsequenz, dass der Einzelne Mensch Kompetenzen, Verantwortung oder Entscheidungsgewalt abgibt?  Wie wird die Gesellschaft lernen in einem künstlichen Environment zu leben – wie sie es über tausende von Jahren in einer natürlichen Umgebung getan hat. In einer Umgebung, die intelligenter ist – zumindest „kommunikativ vernetzter“ – als der Mensch?

Das ist eine der Fragen, die sich der Spaxels Research Initiative stellt. Die Herausforderung ist nicht das Erkennen, wie die einzelne Zelle, sprich der Roboter funktioniert, sondern was entsteht aus der Summe der kommunizierenden Einheiten. Wenn wir den Strand sehen wollen, dürfen wir uns nicht fortwährend auf die einzelnen Sandkörner konzentrieren.

„Uns interessiert nicht das Sandkorn, sondern der Strand!“ (Horst Hörtner, Senior Director des Ars Electronica Futurelab)

Der Strand wär ja schon in der Gegenwart aufgehäuft, nämlich in der Form, dass im Internet of Things die unterschiedlichsten Gegenstände vernetzt miteinander in Verbindung stehen. Mit anderen Worten, wir stehen bereits am Anfang dessen, was wir diskutieren wollen.

Das Vergerät_Boris Petrovsky

Das Vergerät, eine Installation von Boris Petrovsky, zeigt die Idee von Schwarm in Gestalt von miteinander verundenen Haushaltgeräten. Credit: Boris Petrovsky

Viel interessanter ist aber, dass ein „künstlicher Schwarm“ durch Robotik und deren Mobilität konstituiert wird (selbststeuernd oder nicht, halte ich im Bedeutungszusammenhang für unsere Gesellschaft für eher zweitrangig). Damit gerät der öffentliche Raum in den Fokus der Maschinen und der war bisher in wesentlichen den Menschen vorbehalten.
In naher Zukunft könnte der öffentliche Raum aber von Robotern durchquert werden, die eine eigene Agenda haben. Und wir – die diesen Robotern im öffentlichen Raum begegnen – werden versuchen müssen deren Agenda zu erkennen – so wie wir den Weg eines entgegenkommenden Menschen – vielleicht nach kurzem Blickkontakt – einzuschätzen wissen. Die Roboter an die ich denke müssen also „einschätzbar“ – für den Meschen „lesbar“ – und damit vertrauenswürdig werden; jedenfalls müssen Menschen diesen Robotern vertrauen (können), bevor wir sie tatsächlich in den öffentlichen Raum entlassen.

Verstärkt gilt das für MCROs – deren Erscheinungsbild noch völlig offen ist. Die Konzepte des Internet Of Things könnten dazu einen Hinweis liefern… MCROs sind das „Internet Of Mobile Things“ und damit mit dem IOT verknüpft.

Intelligente mobile Roboter in einer omnipräsenten Kommunikation und im Austausch mit deren (intelligenten) Umgebung. Nicht zuletzt ein großartiges Gebiet zur künstlerischen Auseinandersetzung – in jedem Fall aber wert rechtzeitig kritische Fragen zu stellen. Und Zukunftsperspektiven zu entwickeln.

Was also ist der „Strand“, der durch die Anhäufung von schwarmfähigen Robotern – „den Sandkörnern“ – im Entstehen begriffen ist? Die SRI wird am 10.September 2017 gegründet.

INForm von der Tangible media Group und dem MIT Media Lab: Radikale Atome bilden eine Oberflächen durch Schwarmintelligenz. Credit: Florian Voggeneder

Die Partner der SRI geben dort einen ersten Einblick in ihre Aktivitäten, rund um diesen Themenkomplex.

Horst Hörtner: Die Partner der SRI beleuchten die Zukunft rund um die Schwärme aus ihren unterschiedlichen Perspektiven. Der interessanteste Faktor an der Gruppe ist deren Diversität. NTT als eines der größten japanischen Telekommunikationsunternehmen beschäftigt sich mit dem Thema „Schwarm und Kommunikation“, Audi mit dem Auto in Gestalt eines Schwarms. Autodesk als multinationales Softwareunternehmen in den Bereichen Architektur, Engineering und Entertainment zeigt einen Einblick über „Making of Things“ und Hiroshi Ishii Co-Director des MIT Medialab wird seine Arbeiten in diesen Kontext stellen.

Die SRI wird in dieser Konstellation danach weiter zum Austausch zusammentreffen um den, für die jeweiligen Partner, besonders interessanten Fragen vertiefend nachzugehen.

In einem zweiten Teil des Blogbeitrags kommen die Partner der Spaxels Resrearch Initiative zu Wort.