Die Veranstaltung ist Teil der Großen Konzertnacht. Mehr Infos...
Für Markus Poschner ist es das zweite Mal, dass er als Chefdirigent des Bruckner Orchester Linz den Konzertsaal mit der Gleishalle der POSTCITY tauscht. Dieses außergewöhnliche Projekt ist auch der Eröffnungsabend des internationalen Brucknerfests. Poschner hat sich für diese „Begegnung von Tradition und Moderne“ die Symphonie fantastique von Hector Berlioz ausgewählt. Ein Werk das fast schon 200 Jahre alt ist und so aus dem Epizentrum der Digitalen Revolution den Bogen spannt in eine Zeit, in der die industrielle Revolution gerade erst begonnen hatte. Davon abgeleitet ist die narrative Linie die der Inszenierung zu Grunde liegt: Evolution, die Entwicklung von Form und Gestalt aus einer Materia Prima, aus der unsere Welt entsteht, in die wir Menschen eintreten und damit beginnen, Werkzeuge und Technologien zu entwicklen mit denen wir unsere Umwelt urbar machen, umgestalten aber auch die Ökosysteme unseres Planeten und uns selbst in Gefahr bringen.
Poschner und das Ars Electronica-Team haben sich dafür zusätzlich die Tänzerin und Choreographin Silke Grabinger, den Creative-Robotic Experten Johannes Braumann und die Künstlerin Ursula Neugebauer mit ihrer Installation „Tour en l‘air“ ins Boot geholt. Neben den menschlichen ProtagonistInnen – Orchester, Dirigent und TänzerInnen – werden auch Maschinen und digitale Projektionen zentrale Rollen der Inszenierung übernehmen. Die augenscheinlich beeindruckendste Maschine ist der riesige Kuka KR 600 Industrieroboter mit ca. 2,5 Tonnen Gewicht und einer ausgestreckten Höhe von 3,5 m der mitten im Orchester aufgestellt wird. Über ein eigene Programmschnitstelle kann der Roboter direkt von der Musik gesteuert werden und auch mit den digitalen Echtzeitvisualisierungen auf den drei im Raum verteilten Panoramaprojektionen synchronisiert werden. Die ästhetisch wirkungsvollsten „Maschinen“ werden die Motor gesteuerten roten Kleider von Ursula Neugebauer sein, deren Bewegungen vom Dirigentenpult aus gesteuert werden können. Bedrohliche Stimmung wird aufkommen wenn sich eine „Band“ aus fünf Vibrationsstampfern ein Match mit der stark besetzten Percussiongruppe des Orchesters liefert. Poschners große Virtuosität, derartige Elemente in die Aufführung einzubauen ohne die Musik zu beschädigen, hat er ja schon letztes Jahr mit Bruckners 8. Symphonie als Hauptact der Großen Konzertnacht bewiesen. Dabei geht es ihm nicht um spektakuläre Action, sondern darum die Mystik der Musik, das Atmosphärische, Rituelle und Geheimnisvolle außerhalb der gewohnten Konzertsaal-Athmosphäre wirkungsvoll erlernbar zu machen.
Credits
Hector Berlioz Episode de la vie d’un artiste
Symphonie fantastique en cinq parties, op. 14 (1830)
Bruckner Orchestra Linz (AT) conducted by Markus Poschner (DE)
Dancers: SILK Fluegge with Silke Grabinger (AT),
Gergely Dudás (HU), Elias Choi Buttinger (AT)
Special Effects: Tour en l´air by Ursula Neugebauer,
KR 600 Industrial robot / KUKA GmbH, AS50e Battery Rammer /
Wacker Neuson
Robot choreography and programming: Johannes Braumann
(AT), Peter Freudling (AT), Silke Grabinger (AT), Cori O´Lan (AT)
Visualization by Cori O´Lan (AT)
Hector Berlioz (1803–1869)
Épisode de la vie d’un artiste
Symphonie fantastique en cinq parties, op. 14 (1830)
Die Symphonie fantastique ist ein Meilenstein der Musikgeschichte und das eigentliche Gründungsmanifest der romantischen Programmmusik, auf das zahllose Kompositionen folgten, die eine rein instrumentale ‚Vertonung‘ literarischer Werke oder historischer Begebenheiten anstrebten. Bruckner lernte die Episode aus dem Leben eines Künstlers und die Instrumentationslehre von Berlioz vielleicht schon durch den damaligen Linzer Theaterkapellmeister Otto Kitzler (1834–1915) kennen, bei dem er von 1861 bis 1863 Instrumentations- und Formenlehreunterricht nahm, sicher aber durch Ignaz Dorn (1829/30–1872), bei dem er nach Kitzlers Weggang aus Linz seine Studien fortsetzte. Beide Lehrer fungierten so gewissermaßen als Vermittler des musikalischen ‚Fortschritts‘ und dürften damit dazu beigetragen haben, dass Bruckner sich stets anerkennend über die Orchestrierungskunst und Kontrapunktik des Franzosen äußerte und dessen Werke außerordentlich schätzte.
Die zeitgenössische Kritik hat immer wieder den Einfluss betont, den Berlioz auf Bruckner ausgeübt hat, insbesondere auf dessen 1. Sinfonie, die in den Jahren 1865 und 1866 noch in Linz entstand. Nach der sinfonischen Uraufführung des Te Deum am 10. Jänner 1886 wurde Bruckner schließlich sogar als „der deutsche Berlioz“ apostrophiert.
Mag. Jan David Schmitz
Leiter Programmplanung, Dramaturgie und szenische Projekte