Mit ganz wenigen Ausnahmen pflanzen sich die Millionen verschiedener
Arten auf dieser Welt - von den Insekten und Reptilien bis zu den
Fischen, Vögeln und Säugetieren - durch Kopulation fort. Mit diesem
Akt schaffen wir allerdings nicht in erster Linie eine Ausweitung
unserer selbst, sondern lediglich eine Ausweitung der Art. Nicht
das Individuum strebt nach Unsterblichkeit - ein Ziel, das für uns
nicht greifbar ist -, sondern das Genom. Der allgemeine Chromosomensatz
und nicht eine bestimmte Kombination von braunem Haar und Haselnussaugen,
musikalischem Talent und sportlichem Unvermögen ist letztendlich
der Nutznießer all der nächtlichen Mühen und Plagen. Dieser trägt
nicht den persönlichen Stempel des Wissens. Mit wenigen Ausnahmen
wissen die meisten nicht-menschlichen Männchen nicht, wer ihre Nachkommen
sind, und die Väter haben bei den meisten Arten nichts mit der Aufzucht
der nächsten Generation zu tun. Beim Menschen ist das anders. Da
ist Elternschaft weitgehend von einer tiefen, persönlichen Verbindung,
ja, einer obsessiven Identifikation mit den Kindern bestimmt. Man
braucht kein besonderes Vorstellungsvermögen, um einen Bezug zwischen
Elternschaft und dem Wunsch nach einer Form von Unsterblichkeit
herzustellen, und sei es auf einem so einfachen Niveau wie dem des
Fortbestands des Familiennamens. Anerkennen wir diese Gleichung,
so gewinnen viele traditionelle Regulationsversuche der Sexualität
eine neue Bedeutung. Biologisch Vater oder Mutter zu werden, hieß
bis vor kurzem unweigerlich, durch Geschlechtsverkehr erfolgreich
eine weibliche Eizelle mit männlichen Samen zu befruchten. Viele
Religionen - allen voran der Katholizismus - beharren nicht nur
darauf, dass Geschlechtsverkehr monogam sein und damit eindeutig
die biologische Identität der Nachkommen festlegen soll, sondern
sanktionieren ihn auch nur, wenn sein formales Ziel die Reproduktion
ist. Dagegen gesteht das Judentum, das nicht den Vater, sondern
die Mutter zur Identifikation heranzieht, die Ungewissheit elterlicher
Referenzen stillschweigend ein. Doch unsere traditionelle Sexualmoral
wird anscheinend nicht nur von dieser versuchten Sicherstellung
der Identität der Nachkommen geleitet. Denn das erklärt z. B. nicht
so leicht die Ablehnung der Empfängnisverhütung durch die katholische
Kirche, die zuweilen auf das Verbot reduzierbar scheint: "Du darfst
Sex nicht nur zum Spaß betreiben."
Den grundlegenden Einfluss der lustvollen Aspekte der Sexualität
zu leugnen, ist jedoch unlogisch. Gegen "natürliche Familienplanung",
gegen Geschlechtsverkehr in der Phase des Menstruationszyklus, in
dem die Frau unfruchtbar ist, weil ihre Ovulation bereits vorbei
oder noch nicht erfolgt ist, hat die Kirche nichts einzuwenden.
Das Verbot müsste also etwas verfeinert ungefähr so lauten: "Du
darfst Sex nicht nur zum Spaß betreiben, es sei denn, es ist ein
gewisses Risiko dabei." Zum "Vatikanroulette" geriet eine solche
"natürliche Familienplanung" vor allem durch die Ungewissheit bei
der Vorhersage der unfruchtbaren Tage im weiblichen Monatszyklus.
Heute aber, da neue biochemische Techniken auf den Markt gelangen,
mit denen Frauen die fruchtbare Phase ihres Zyklus mit fast hundertprozentiger
Sicherheit bestimmen können, ist eine solche "hormonbedingte natürliche
Familienplanung" lediglich eine andere Form bewusster Geburtenkontrolle.
(Diese Frage begann mich so sehr zu interessieren, dass ich sie
sogar in meinem neuesten Science-in-Fiction-Roman *NO* behandle.)
Warum hat die Kirche das bisher nicht untersagt? Liegt es daran,
dass das relativ häufige Versagen solcher Hormontests nicht auf
deren immanente Unverlässlichkeit, sondern auf menschliche Schwächen
zurückzuführen ist: die mangelnde Disziplin der Paare, sich während
der "unsicheren" Tage des vaginalen Geschlechtsverkehrs zu enthalten?
Die Religionen kennen noch andere interessante Ausnahmen von der
vermeintlich rein reproduktiven Funktion des Geschlechtsverkehrs.
Orthodoxen Juden ist der Beischlaf während der Menstruation oder
beim geringsten Anzeichen einer Regelblutung nicht gestattet. Nun
gibt es aber Frauen, die gelegentlich in der Mitte ihres Zyklus,
während des Eisprungs, Blutungen haben - also Frauen, die genau
während ihrer fruchtbaren Tage keinen Verkehr haben dürfen, weil
auf dem weißen Leintuch noch das ominöse Tröpfchen Blut zu sehen
ist. Solche Paare sind nicht unfruchtbar, werden aber durch konventionellen
Geschlechtsverkehr nicht zu Eltern werden. (Dieses Beischlafverbot
während der Blutung hat selbstverständlich weniger mit der Unterwerfung
sexueller Lust unter die Reproduktion zu tun als mit Ritualen der
Tabuisierung/des Ekels/der Frauenfeindlichkeit).
Oder nehmen wir einen Mann, dessen Ejakulat statt der üblichen 50
- 150 Millionen Spermien nur 1 - 3 Millionen aufweist. Ein paar
Millionen Spermien klingen nach einer ganzen Menge, reichen aber
trotzdem nicht, um eine normale Befruchtung herbeizuführen. Die
Diagnose lautet in solchen Fällen auf schwere Oligospermie, also
funktionale Zeugungsunfähigkeit. Nun ist es heute aber möglich,
die Eizelle einer Frau durch verschiedene Formen künstlicher Insemination
mit dem Sperma ihres funktional zeugungsunfähigen Mannes zu befruchten,
sofern dieses zuerst in einem Kondom gesammelt wird - eine Methode,
die praktizierenden orthodoxen Juden wiederum strengstens verboten
ist. Die Quelle der jüdisch-orthodoxen Missbilligung von Kondomen
ist ein elegant formuliertes Masturbationsverbot: "Du sollst deinen
Samen nicht zu Boden fallen lassen." Doch die jüdische Religion
tritt wie die meisten anderen für die Fortpflanzung ein, und so
kam ein moderner israelischer Oberrabbiner auf einen Kompromiss
von wohl salomonisch zu nennender Weisheit: Er durchstach das Kondom
mit einer Stecknadel, sodass ein kleiner Samenanteil durch die winzige
Öffnung dringen konnte und die theoretische Möglichkeit einer Befruchtung
gegeben war, während 90 oder mehr Prozent des Samens für die spätere
künstliche Insemination zurückgehalten wurden.
Aber was für Ungewissheiten und Ungereimtheiten sich aus der unbehaglichen
Beziehung zwischen alten Religionen und moderner Wissenschaft auch
immer ergeben mögen, das allgemeine Muster jedenfalls zeichnet sich
deutlich genug ab: Indem sie Fortpflanzung über Sexualität stellt,
um so sicherzustellen, dass die Nachkommen den elterlichen Genbestand
tatsächlich in die nächste Generation tragen, dient die Religion
lediglich einer ihrer zentralen Funktionen: dem Versprechen der
Unsterblichkeit. Aber muss diese Funktion an Sexualität gekoppelt
sein? Einige der verblüffendsten Entwicklungen in der gegenwärtigen
Wissenschaft - und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen
- haben die historisch unangefochtene Verknüpfung von Sex und Reproduktion
zu erschüttern begonnen. Diese Trennung wird langfristig tief greifende
Folgen haben, deren nicht unerheblichste die Fähigkeit sein wird,
das Wesen unserer Unsterblichkeit zu kontrollieren.
Zur Erreichung dieses hoch gesteckten Zieles müssen wir jedoch von
etwas niedrigeren Gefielden ausgehen und beachten, dass der Mensch
die sexieste Art auf der Erde ist. Unter den vielen Millionen Arten
sind wir die Einzigen, die Sex zum Spaß betreiben. Nur wir - und
vielleicht noch ein paar andere, wie die Zwergschimpansen (Bonobos)
- sind 365 Tage im Jahr zu Sex im Stande und bereit. Bei allen anderen
Arten ist die Paarung saisonal geregelt und direkt an die optimale
Befruchtungs- und Aufzuchtszeit gebunden. Nach Meinung einiger Reproduktionsbiologen,
wie Roger V. Short, ist der Umstand, dass der Mensch das sexieste
Tier der Welt ist, für die (im Verhältnis zur Körpergröße) ungewöhnliche
Größe des erigierten männlichen Penis verantwortlich. Vergleichen
Sie ihn einmal, sagen wir, mit dem eines Gorillas, der höchstens
die Größe eines menschlichen Daumens hat. Warum sollten wir ein
solch absurd dickes, aufgeblasenes Ding benötigen, um Sperma in
eine weibliche Vagina zu befördern - die vermeintlich einzig biologisch
signifikante, weil reproduktive Funktion eines Penis? Wir brauchen
es natürlich nicht. Ein sehr dünnes, pipettenförmiges Teil wäre
genauso gut, wenn nicht sogar besser geeignet. Laut Roger Short
bereitet der dicke, massive Penis der weiblichen Partnerin größere
Lust, weshalb diese den besser als Lustspender ausgerüsteten Mann
als Geschlechtspartner vorzieht. Darum begünstigte die evolutionäre
Auslese Männer mit größeren, dickeren Penissen. Stimmt das, so könnte
man schlussfolgern, dass die sexuelle Lust der Frau zu einer der
Auslesedeterminanten wird und dass nicht Fruchtbarkeit, sondern
Lust die weibliche Empfänglichkeit bestimmt, die sodann die Häufigkeit/zeitliche
Regelung des menschlichen Sexualverhaltens determiniert. Aber Sie
brauchen sich nicht auf meine Worte zu verlassen, wo doch so viele
Zahlen den Fall viel deutlicher darlegen, als es Worte jemals vermöchten.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es alle
24 Stunden über 100 Millionen Geschlechtsakte, die zu etwa einer
Million Schwangerschaften führen, von denen 50 Prozent ungeplant
und 25 Prozent unerwünscht sind. Diese letzte Schätzung - 250.000
unerwünschte Schwangerschaften pro Tag - ist wiederum verantwortlich
für etwa 150.000 Abtreibungen alle 24 Stunden, wovon 50.000 illegal
sind und zum Tod von 500 Frauen am Tag führen. Was diese Zahlen
aber nicht sagen, ist, wie viel Mühe vorher für die Empfängnisverhütung
aufgewendet wurde, und sie berichten auch nichts über unerwünschten
Geschlechtsverkehr oder Geschlechtsverkehr unter Alkohol- oder Drogeneinfluss.
Aber auch ohne diese Zahlen ist klar, dass der Antrieb für all das
nicht nur die Reproduktion sein kann. Wenn ein Viertel aller Schwangerschaften
unerwünscht ist (selbst angesichts einer Ideologie, die so eindeutig
die Reproduktion befürwortet) - so unerwünscht, dass Frauen rechtliche
Konsequenzen und sogar den Tod riskieren, um sie in 60 Prozent aller
Fälle zu beenden -, dann hat jedenfalls ein signifikanter Prozentsatz
dieser 100 Millionen Koitusse pro Tag wenig mit Fortpflanzung oder
dem Wunsch, die Art zu vermehren, zu tun.
Die Möglichkeit, sich durch den weit verbreiteten Einsatz gezielter
Geburtenkontrolle ohne Reproduktionsfolgen der Sexualität hinzugeben,
ist weniger als 100 Jahre alt (obwohl die Geschichte von unzähligen
Rezepten weiß, die zur Erreichung dieses Ziels angepriesen wurden).
Eigentlich realisiert aber wurde der "Sex zum Spaß" erst vor ungefähr
vierzig Jahren mit der Einführung der Pille und der IUPs (Intrauterinpessare),
die den Koitus erstmals von Verhütungsmaßnahmen entlasteten. Frauen,
die diese Mittel verwendeten, waren vorübergehend sterilisiert und
konnten daher ohne Angst vor einer unbeabsichtigten Schwangerschaft
ihrem sexuellen Vergnügen nachgehen. Die Millionen und Abermillionen
Paare, die auf diese Art miteinander schliefen, haben das sicher
ohne jedes Bedürfnis nach reproduktiver Unsterblichkeit getan. Im
Prinzip wurde damit die Entscheidung sich fortzupflanzen für Millionen
Paare von einem Glücksspiel zu einer bewussten Wahl.
Für eine totale Trennung von Sexualität und Befruchtung sind allerdings
zwei Komponenten erforderlich. Die Erste ist eine wirksame Empfängnisverhütung:
die praktische Garantie, beim Sexualverkehr kein neues Leben zu
zeugen. Aber das allein gestattet noch keine Entkoppelung von Sexualität
und Fertilität: Man muss sich noch immer paaren, um sich zu reproduzieren.
Zumindest bis vor kurzem. Die zweite Komponente ist das extreme
Gegenstück zur ersten: neues Leben ohne Geschlechtsverkehr zu zeugen.
Unsere Art hat diese Fähigkeit 1978 in England erworben, mit der
Geburt von Louise Joy Brown. Louise wurde unter einem Mikroskop
empfangen, wo die Eizelle ihrer Mutter mit dem Samen ihres Vaters
vereint wurde; die befruchtete Eizelle wurde zwei Tage danach wieder
in die Gebärmutter ihrer Mutter eingesetzt, und nach einer im Übrigen
ganz konventionellen Schwangerschaft kam neun Monate später ein
normales weibliches Baby zur Welt. Diese Technik ist heute allgemein
als In-vitro-Fertilisation (IVF) bekannt - ein Vorgang, der mittlerweile
wenigstens 300.000 Mal durch die Geburt von genauso vielen IVF-Babys
repliziert wurde.
Als Steptoe und Edwards 1977 die IVF entwickelten, hatten sie sich
nicht bewusst an die Trennung von Sexualität und Befruchtung gemacht.
Es ging ihnen, genauso wie anderen Klinikern, um die Behandlung
von Infertilität. Infertilität ist selbst ein ethisch belastetes
Thema. Offen und hart gesagt: Warum sollte man Unfruchtbarkeit überhaupt
behandeln? Global gesehen gibt es ja zu viele fruchtbare Eltern
und daher zu viele Kinder, von denen viele gar niemand will. Der
Lauf der Weltgeschichte wird sich nicht ändern, wenn kein Fall von
Unfruchtbarkeit je behandelt wird, aber er wird sich dramatisch
ändern, wenn man den menschlichen Fertilitätsüberschuss nicht zügelt.
Aus persönlicher Sicht jedoch ist das Bedürfnis nach erfolgreicher
Elternschaft oft überwältigend. Unfruchtbare Paare sind bereit,
enorme finanzielle, psychologische und körperliche Opfer zu bringen,
um ein eigenes Kind hervorzubringen, wo es die Natur unmöglich gemacht
hat. Da ist die Frage durchaus angebracht, ob die Verwirklichung
einer Elternschaft durch biologisch unfruchtbare Paare mit einem
ethischen Imperativ - dafür oder dagegen - verbunden ist.
Noch deutlicher werden die gewaltigen ethischen Dimensionen des
Problems, wenn wir uns der Frage der männlichen Infertilität zuwenden.
Ein Thema wurde diese 1992, als eine Forschergruppe in Belgien (Palermo,
Joris, Devroey und van Steirteghem) einen sensationellen Artikel
veröffentlichte, der die Geburt eines normalen männlichen Babys
ankündigte, dessen Vater an schwerer Oligospermie (unzureichender
Spermienanzahl) litt. Möglich wurde dieses Kind durch die Anwendung
einer IVF-Technik namens "ICSI" (intrazytoplasmatische Spermiuminjektion),
bei der eine einzelne Samenzelle unter dem Mikroskop direkt in eine
menschliche Eizelle injiziert wird. Anders als bei der ursprünglichen
englischen IVF-Methode, wo Millionen von Spermien (wie beim normalen
Geschlechtsverkehr) auf die Eizelle losgelassen wurden, wurde die
künstliche Insemination durch ICSI mit nur einer einzigen Samenzelle
bewerkstelligt. Die Technologie, die eine solche Befruchtung ermöglicht,
erlaubt auch eine totale Revision der Definition von Zeugungsunfähigkeit:
ICSI kann nicht nur bei Männern mit geringer Spermienmenge angewandt
werden, sondern auch bei solchen mit überhaupt keinem reifen Sperma.
Solche Männer leiden an einer vererbten totalen Unfruchtbarkeit,
die man als "angeborene, beidseitige Agenesie des Samenleiters"
bezeichnet. Der Samenleiter verbindet die Hoden mit der Harnröhre
und ist das Organ, in dem das Sperma gespeichert und später in die
Harnröhre transportiert und bei der Ejakulation ausgestoßen wird.
Ohne Samenleiter ist kein Sperma zur Befruchtung einer Eizelle vorhanden;
ein Mann mit einem solchen Befund kann also sicher nie auf normalem
Wege Vater werden. Allerdings ist das Zeugungshindernis in diesem
Fall nicht absolut, denn selbst unreife Samenzellen weisen den gesamten
Genbestand auf, der nötig ist, um das genetische Erbe eines Mannes
an die Nachwelt weiterzugeben: Es fehlen ihnen nur der während der
Reifung erworbene Bewegungsapparat und die Enzyme zum Durchstoßen
der Eizellwand. Mit Hilfe von ICSI jedoch kann das Labor alles zur
Verfügung stellen, was der Samenzelle fehlt: Man kann die Spermien
direkt aus den Hoden absaugen und ihre DNA unter dem Mikroskop in
eine Eizelle injizieren. Derartige Befruchtungen sind nun durchführbar,
und viele betroffene Männer sind nun erfolgreiche Väter! Ist das
akzeptabel? Hat ein zeugungsunfähiger Mann das Recht zu verlangen,
dass ihm eine derartige Reproduktionstechnologie zur Verfügung gestellt
wird? Und spielt es eine Rolle, wodurch dieses Verlangen motiviert
wird? Macht es einen Unterschied, wenn wir uns vorstellen, dass
wir damit letztlich das Schicksal eines Kindes bestimmen - sicherlich
eine betroffene Partei, aber eine, deren Interessen überhaupt nur
infolge unserer Entscheidung existieren? Oder wenn wir lediglich
jemandes Wunsch nach Unsterblichkeit befriedigen? Und was ändert
sich an dieser Frage, wenn wir bedenken, was wir hier tatsächlich
tun: das Unvererbbare (genetische Infertilität) vererbbar machen?
Das ist, wie sich herausstellt, mehr als ethische Haarspalterei.
Jeder vierte Mann mit "angeborener beidseitiger Agenesie des Harnleiters"
ist auch Träger des Gens für Mukoviszidose. Mit ICSI ist ein Szenario
denkbar, in dem solche Männer ihren Nachkommen sowohl Infertilität
als auch Mukoviszidose weitergeben und damit das Gespenst einer
Abfolge von Generationen heraufbeschwören, die ICSI zur Sicherung
ihrer genetischen Unsterblichkeit benötigen - einer Unsterblichkeit,
die durch eine Krankheit gefährdet ist, die einen langsamen frühen
Tod mit sich bringt. Das erste ICSI-Baby ist erst zehn Jahre alt,
und doch sind in diesem Zeitraum bereits 10.000 ICSI-Babys zur Welt
gekommen. Mir schien, dass die von dieser Technologie aufgeworfenen
Fragen eine breitere Debatte verdienen, als sie die traditionellen
Arenen eines Zeitschriftenartikels oder einer Vorlesung zulassen.
Darum habe ich diese Fragen zuerst in einem Roman (*Menachems Same*)
und dann in einem Theaterstück mit dem Titel *An Immaculate Misconcteption"
(deutsch: "*Unbefleckt*) aufgegriffen. Hier ist ein Ausschnitt aus
einer Szene dieses Stücks, der eine Diskussion zwischen Dr. Melanie
Laidlaw, Reproduktionsbiologin und (im Stück) Erfinderin von ICSI,
und ihrem klinischen Kollegen, Dr. Felix Frankenthaler, wiedergibt,
den sie in ihr Labor eingeladen hat. Nachdem sie ihm mitgeteilt
hat, dass sie knapp davor steht, die erste ICSI-Injektion in eine
menschliche Eizelle durchzuführen (ohne jedoch zu verraten, dass
sie für dieses Experiment ihre eigene nehmen wird), diskutieren
sie die möglichen Auswirkungen dieser Arbeit über die bloße Behandlung
männlicher Infertilität hinaus:
MELANIE
Wenn deine Patienten wüssten, woran ich hier arbeite, würden sie
mir die Tür einrennen. Die ganzen Männer mit zu geringer Spermienanzahl
in ihrer Samenflüssigkeit, die auf dem üblichen Weg niemals Väter
werden können.
FRANKENTHALER
Alles, was meine Patienten wollen, ist eine Eizelle befruchten.
Ob das nun unter dem Mikroskop passiert oder im Bett, ist ihnen
völlig egal … solange es ihr eigenes Sperma ist.
MELANIE
Du bist auf männliche Infertilität spezialisiert. Das ist schließlich
dein Beruf. Aber ist dir auch klar, was das für die Frauen bedeutet?
FRANKENTHALER
Klar! Falls es dir entgangen ist: Ich behandle männliche Zeugungsunfähigkeit,
um Frauen schwanger zu machen.
MELANIE
Felix, die hast dich nicht im Geringsten verändert. Du bist ein
erstklassiger Arzt … aber ich kann weiter sehen als du. (Kurze
Pause.) Mit ICSI könnten wir endlich die biologische Uhr überlisten.
Und wenn das klappt, dann betrifft das weitaus mehr Frauen als
es überhaupt zeugungsunfähige Männer gibt. (Grinst) Und ich werde
berühmt.
FRANKENTHALER
Klar … wirst Du berühmt … weltberühmt … aber nur falls die erste
ICSI-Befruchtung erfolgreich ist … und falls ein gesundes Baby
zur Welt kommt. Aber was hat das alles mit der (leicht sarkastisch)
"biologischen Uhr" zu tun?
MELANIE
Felix, bei deinen In-vitro-Verfahren ist es doch durchaus üblich,
Embryos monate- oder sogar jahrelang einzufrieren, bevor sie einer
Frau eingesetzt werden.
FRANKENTHALER
Ich weiß, was mit gefrorenen Eizellen passiert … wenn man sie
auftaut, funktioniert die künstliche Befruchtung nicht mehr. Und
willst du auch wissen, warum?
MELANIE
Das spielt doch jetzt überhaupt keine Rolle mehr! Ich will doch
keine herkömmliche künstliche Befruchtung durchführen … wo ein
Haufen Spermien auf eine Eizelle losgelassen werden und sich selber
durch ihren natürlichen Schutzwall hindurchkämpfen müssen. (Pause).
Wir werden direkt in das Innere der Eizelle injizieren … und wenn
ICSI bei menschlichen Eizellen funktioniert … denk doch mal an
all die Frauen … meistens berufstätige … die das Kinderkriegen
verschieben, bis sie Ende 30 oder sogar Anfang 40 sind. Zu dem
Zeitpunkt ist die Qualität ihrer Eizellen … ihrer eigenen Eizellen
… nicht mehr so, wie sie zehn Jahre vorher war. Mit ICSI könnten
solche Frauen auf ihr Sparkonto von gefrorenen jungen Eizellen
zurückgreifen und somit eine weitaus bessere Aussicht auf eine
normale Schwangerschaft in ihrem späteren Leben haben. Und ich
denke dabei nicht an Spendereier.
FRANKENTHALER
In ihrem späteren Leben? Heißt das, über die Wechseljahre hinaus?
MELANIE
Du machst doch auch aus Männern in den Fünfzigern noch erfolgreiche
Spender -
FRANKENTHALER
Warum also nicht auch Frauen? Ist das dein Ernst?
MELANIE
Ich sehe nicht ein, warum Frauen diese Möglichkeit nicht haben
sollten … wenigstens unter bestimmten Umständen.
FRANKENTHALER
Tja, wenn das funktioniert … dann wirst du nicht nur berühmt …
sondern berüchtigt.
MELANIE
Warum denken wir nicht weiter und gehen sofort von einem umfassenderen
Anwendungsbegriff von ICSI aus? Ich bin davon überzeugt, dass
eines Tages - vielleicht in dreißig Jahren oder sogar früher -
Sex und Befruchtung völlig getrennt voneinander sein werden. Sex
hat dann nur noch mit Liebe und Lust zu tun -
FRANKENTHALER
Und die Fortpflanzung findet unter dem Mikroskop statt?
MELANIE
Warum nicht?
FRANKENTHALER
Das heißt, Männer sind dann nur noch Spender eines einzelnen Spermiums?
MELANIE
Was ist daran schlecht, wenn nicht mehr die Quantität zählt, sondern
die Qualität? Ich spreche ja nicht von Retortenbabys oder Genmanipulation.
Und ich halte auch nichts von Eierstock-Promiskuität, dass jede
Eizelle den Samen eines anderen Mannes bekommt.
FRANKENTHALER
"Eierstock-Promiskuität!" Hab ich ja noch nie gehört. Das musst
du dir patentieren lassen.
MELANIE
Jeder der entstehenden Embryos wird genetisch geprüft, und der
Beste wird wieder in die weibliche Gebärmutter zurückgeführt.
Wir erhöhen lediglich die Chancen für ein gesundes Kind, indem
wir nichts dem Zufall überlassen. Ehe du dich versiehst, wird
das 21. Jahrhundert zum "Century of Art" erklärt.
FRANKENTHALER
"Art" wie "Kunst"? Warum nicht "Wissenschaft"? Oder "Technik"?
MELANIE
Die Wissenschaft der A-R-T … (Pause) … der Assistieren Reproduktions-Technologien.
Junge Männer und Frauen legen ihr persönliches Reproduktionskonto
an, das aus lauter gefrorenen Spermien und Eizellen besteht, und
wenn sie ein Baby wollen, gehen sie zur Bank und heben ab.
FRANKENTHALER
Und sobald sie ihr Konto angelegt haben, lassen sie sich sterilisieren?
MELANIE
Genau. Wenn meine Voraussage stimmt, wird Empfängnisverhütung
bald überflüssig sein.
FRANKENTHALER
(ironisch) Aha. Und die Pille landet im Museum … (Kurze Pause)
… im "Museum of 20th Century ART"?
MELANIE
Natürlich passiert das alles nicht über Nacht … Aber das Prinzip
von A-R-T führt uns in diese Richtung … und ich sage nicht, dass
es keine Nachteile hat. Zunächst einmal werden hauptsächlich die
Wohlhabenden davon profitieren können … und das noch nicht einmal
auf der ganzen Welt. Am Anfang wird es vermutlich ausschließlich
hier in den Staaten praktiziert - vor allem in Kalifornien.
FRANKENTHALER
(schüttelt den Kopf) Laidlaws schöne neue Welt. (Kurze Pause.)
Ehe du dich versiehst, stehen allein stehende Frauen Schlange,
um durch ICSI zu den Amazonen des 21. Jahrhunderts zu werden.
MELANIE
Amazonen! Denk lieber an die Frauen, die nicht den richtigen Partner
gefunden haben … oder die sich von ihrem derzeitigen Partner trennen
wollen … oder die einfach ein Kind haben wollen, bevor es zu spät
ist … mit anderen Worten … an Frauen wie mich.
ICSI wirft aber noch weitere ethische und soziale Probleme auf,
nicht nur die, die im Dialog zwischen Melanie und Felix angesprochen
sind. So etwa ermöglicht ICSI, seit die Separierung von Spermien
mit X- und Y-Chromosomen perfektioniert worden ist, den Eltern eine
hundertprozentig sichere Wahl des Geschlechts ihrer Nachkommen.
Bei einem Paar mit drei oder vier Töchtern, das weiter zeugt, weil
es einen Sohn bekommen möchte, könnte sich die Möglichkeit, das
Geschlecht des Kindes auszusuchen, sogar als gesellschaftlicher
Nutzen herausstellen. Aber was passiert, wenn dieses Verfahren auf
breiter Basis in Kulturen (wie China oder Indien) angewandt wird,
die männliche Nachkommen wesentlich höher schätzen als Mädchen?
Oder bedenken Sie die Möglichkeit, das Sperma eines kürzlich (sagen
wir vor 24 - 30 Stunden) verstorbenen Mannes zu konservieren, um
mittels ICSI Monate oder sogar Jahre später ein Kind von ihm zu
zeugen - was übrigens bereits gelungen ist. Hier wird die Unsterblichkeit
auf die Spitze getrieben. Was aber heißt das für das Produkt einer
solchen technischen Tour de force? Mit den eingefrorenen Spermien
und Eizellen verstorbener Eltern würde man praktisch Waisen unter
dem Mikroskop zeugen. Die Aussicht ist grotesk - aber bedarf es
denn eines besonderen Vorstellungsvermögens oder Mitgefühls, um
sich auszumalen, weshalb eine Witwe auf das Sperma ihres geliebten
verstorbenen Ehemanns zurückgreift, um ihr einziges Kind mit ihm
zu bekommen? Diese Themen sind intrinsische Grauzonen; die Technologie
nimmt eine zwiespältige Rolle ein, die es uns ermöglicht, unsere
besten oder schlimmsten Triebe auszuleben, und die Antworten können
nicht von Wissenschaftlern oder Technikern gegeben werden. Im Endeffekt
muss das Urteil von der Gesellschaft gefällt werden, und das bedeutet
im Fall von Sex und Reproduktion eigentlich vom betroffenen Individuum.
Dieses Individuum ist letztlich das Kind, aber die Entscheidung
muss vor seiner Geburt von den Eltern getroffen werden oder - häufiger
als wir es wahr haben wollen - von einem einzigen Elternteil.
Solche Fragen widersetzen sich von Natur aus bequemen Lösungen,
nicht zuletzt wegen ihrer Neigung, sich schneller zu vermehren,
als wir sie zu lösen vermögen. War die Reproduktion schon in der
Geschichte ein Beispiel für das Gesetz unbeabsichtigter Konsequenzen
gewesen, so hat die Technologie diesem Gesetz nun zusätzliche Wirksamkeit
verliehen. Denken Sie nur: Bis vor kurzen wurde das Eintreten der
Wechseljahre von vielen Frauen als Entlastung von den ständigen,
durch ungeschützten und unerwünschten Geschlechtsverkehr verursachten
Schwangerschaften begrüßt. Doch das Aufkommen der Pille und anderer
wirksamer Verhütungsmethoden, verbunden mit dem Eintritt einer immer
größeren Anzahl von Frauen in verantwortungsvolle Berufe und dem
damit einhergehenden Aufschub des Kinderkriegens auf Ende 30, Anfang
40, hat nun bei diesen Frauen die Sorge wachsen lassen, dass die
Wechseljahre sie überhaupt von der Mutterschaft abhalten könnten.
Lag der Schwerpunkt der Reproduktionstechnologie in der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts auf der Empfängnisverhütung, so kann
es durchaus sein, dass die technologische Herausforderung des neuen
Jahrtausends bei der Empfängnis (oder, wenn man sich auf sexuell
übertragbare Krankheiten konzentriert, bei der Infektion) liegen
wird. Sollte die Kältekonservierung von Keimzellen mit nachfolgender
Sterilisation zur allgemeinen Praxis werden, könnte Empfängnisverhütung
langfristig ganz überflüssig werden. Melanie und Felix im obigen
fiktiven Dialog sind durchaus nicht die Ersten, die in eine solche
Spekulation anstellen.
1994 thematisierten der Kryobiologe Stanley Leibo und ich in der
Zeitschrift *Nature* die beklagenswerten Aussichten für ein neues
Verhütungsmittel für Männer in den nächsten paar Jahrzehnten, angesichts
des absoluten diesbezüglichen Desinteresses der großen Pharmakonzerne,
ohne deren Mitwirkung sich eine solche "Pille für Männer" niemals
einführen ließe. Das veranlasste uns, einen alternativen Vorschlag
zu unterbreiten, der die Pharmaindustrie außen vor lässt und der
auf einigen simplen Annahmen basiert.
Millionen Männer - die meisten von ihnen zugegebenermaßen keine
Jünglinge, sondern Väter in mittleren Jahren - haben an sich Sterilisationen
(Vasektomien) vornehmen lassen und Millionen werden auch weiterhin
dazu bereit sein. Das Verfahren ist weitaus einfacher und weniger
invasiv als eine Eileiter-Sterilisation bei Frauen. (Sterilisation
ist bei beiden Geschlechtern so häufig geworden, dass sie heute
in den USA bei Verheirateten die meistpraktizierte Form der Geburtenkontrolle
darstellt und sogar die Pille überflügelt.) Künstliche Insemination
ist sowohl einfach als auch billig. Überdies weist sie bei fruchtbaren
Paaren nahezu dieselbe Erfolgsrate auf wie der normale Geschlechtsverkehr.
Aber das wichtigste Argument ist, dass fruchtbare männliche Samen
schon seit Jahren kostengünstig bei sehr tiefen Temperaturen konserviert
werden. Gelingt der Nachweis, dass eine solche Lagerung nicht nur
einige Jahre, sondern einige Jahrzehnte lang möglich ist, könnte
es also durchaus sein, dass junge Männer eine frühe Vasektomie,
verbunden mit der Kältekonservierung ihres fruchtbaren Spermas für
eine spätere künstliche Insemination, als denkbare Alternative einer
wirksamen Geburtenkontrolle in Erwägung ziehen. Eine stärkere Verlagerung
dieser Verantwortung hin zu den Männern - zumindest in monogamen,
vertrauensvollen Beziehungen - hielten Leibo und ich für einen sozial
verantwortungsvollen Vorschlag. Ich will den Lesern einen Bericht
vom Aufschrei, den dieser Vorschlag sowohl in den Medien als auch
in der persönlichen Korrespondenz hervorgerufen hat, ersparen; aber
seither ist eine ganze Menge passiert, und es ist mehr als wahrscheinlich,
dass diese Vorhersage in wenigen Jahrzehnten Tatsache sein wird
und nicht bloß eine dramatische Übertreibung.
Obwohl gewisse Szenarien in UNBEFLECKT von vielen für "unnatürlich"
oder noch Schlimmeres gehalten werden mögen, ist jedes einzelne
davon mittlerweile verwirklicht oder steht kurz vor der Umsetzung.
Nehmen wir nur die Frage der Schwangerschaft nach den Wechseljahren.
In Gesellschaften mit einer zunehmend älteren Bevölkerung (wie etwa
Japan oder Westeuropa), in denen 20 Prozent der Menschen über 60
sind oder bald sein werden und ältere Menschen sich immer besserer
Gesundheit erfreuen, könnte eine Frau, die mit 45 Mutter wird, das
Kind beträchtlich länger aufziehen als eine 20-Jährige zu Beginn
des 20. Jahrhunderts. Natürlich kommt Mutterschaft in einem höheren
Alter in physischer, psychologischer und ökonomischer Hinsicht nur
für bestimmte Frauen in Frage, aber zumindest gibt es nun in reichen
Ländern diese Möglichkeit. Betont werden muss, dass die verstärkte
Hinwendung zu künstlichen Befruchtungstechniken und sogar Leihelternschaft
ein Charakteristikum wohlhabender "geriatrischer" Länder ist. Und
selbst in diesen Ländern können sich die (meist nicht von den Versicherungen
gedeckten) Kosten solcher Reproduktionstechniken nur die Wohlhabendsten
leisten. Drei Viertel der Weltbevölkerung leben in den "pädiatrischen"
Ländern Afrikas, Asiens und weiter Teile Lateinamerikas, in denen
wahrscheinlich über 40 Prozent der Bevölkerung unter fünfzehn sind
und wo das Stichwort noch jahrzehntelang die Kontrolle der Fruchtbarkeit
und nicht die Behandlung von Unfruchtbarkeit bleiben wird.
Ich habe hier bewusst die Implikationen des Klonens von Menschen
außer Acht gelassen - der größten technischen Annäherung an die
Unsterblichkeit. Doch in dem Maße, wie biologische Elternschaft
eine Form der Unsterblichkeit darstellt - wenn auch eine, die mutations-
und evolutionsbedingten Anpassungen ausgesetzt ist -, macht sich
auch die IVF daran zu schaffen. Im oben zitierten Auszug aus meinem
Stück gibt es einen Hinweis auf die genetische Prüfung des Embryos
vor der Implantation, auch ein Verfahren, das vor allem den Reichen
in den wohlhabenden Ländern zur Verfügung stehen wird. Aber schon
bald wird man das gesamte menschliche Genom erhellt haben: Was wird
dann bei den vielen technisch machbaren Methoden zur raschen Überprüfung
des Genbestands angehende IVF-Eltern von einem Screening ihrer Embryos
abhalten, um nur die "besten" zurück in den Mutterleib zu verpflanzen?
Und wer bestimmt, was "die besten" sind? Nur wenigen wird es an
Verständnis fehlen, wenn angehende Eltern Embryos mit Anzeichen
eines Down- oder Huntington-Syndroms oder einer genetisch bedingten
Krebserkrankung verwerfen wollen. Aber wo wird die Grenze gezogen?
Bei Kleinwüchsigkeit? Linkshändigkeit? Großen Ohren? Mit der Bewegung
hin zu einer maßgeschneiderten Nachkommenschaft wird auch die Schere
zwischen Reich und Arm weiter auseinander gehen.
Die jüngsten Fortschritte in der Kontrazeptions- und Reproduktionstechnologie
haben eine Vielfalt von diffusen Problemen aufgeworfen, die sich
viele von uns lieber fortwünschen würden. Nur ist das nicht mehr
möglich: Der Geist ist aus der Flasche. Die Gesetzgebung wird die
Frage nicht lösen können, es sei denn, sie wäre global. Ansonsten
würde ein inkriminiertes Paar - oder vielleicht auch nur die Frau
- zur Umgehung biologischer Grenzen einfach nur geografische überschreiten.
Die Antwort kann nur in einer intensiven, ständigen Diskussion liegen,
die nicht auf Mythen sondern auf Wissen basiert. Das ist auch einer
der Gründe, wieso ich, als Wissenschaftler, mich dem Roman und dem
Drama zugewandt habe als eine neue Methode, das intellektuelle Niveau
des öffentlichen Diskurses über Sex und Reproduktion zu heben.
Themenrelevante Literatur von Carl Djerassi
*Menachems Same*, Haffmans Verlag, Zürich, 1996
*NO*, Haffmans Verlag, Zürich, 1998
*Unbefleckt, Haffmans Verlag, Zürich, 2000
*Die Mutter der Pille*, Haffmans Verlag, Zürich, 1992, 2000
*Von der Pille zum PC*, Haffmans Verlag, Zürich, 1998
C. Djerassi, S. P. Leibo: "A New Look at Male Contraception", in:
*Nature*, 370, 11, 1994
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