Einleitung
Die Fetalmedizin ist ein rasch wachsendes neues Fachgebiet. Mit
den jüngst entwickelten Technologien der Kardiotokographie, Ultraschall-
und Magnetresonanzuntersuchung konnten zahlreiche fetale Abnormitäten
pränatal richtig diagnostiziert werden. Schon seit längerem weiß
man, dass man bei einigen dieser Abnormitäten bessere Resultate
erzielt, wenn man sie intrauterin behandelt, doch haben sich die
gegenwärtig verfügbaren Techniken der Fetaltherapie klinisch nur
begrenzt als anwendbar erwiesen. Der angeborene Zwerchfellbruch
zum Beispiel, der in seiner schweren Form bei der Geburt normalerweise
tödlich ist, kann heute in der Fetalperiode operativ behoben werden
(1). Dieser angeborene Defekt verursacht eine nach
der Geburt an sich nicht mehr behandelbare Verkleinerung der Lunge.
Darum ist der Zwerchfellbruch ein vorrangiger Kandidat für die Fetalchirurgie,
wenn diese klinisch anwendbar wäre. Doch auf Grund der Schwierigkeiten,
die Uterusaktivität nach einer offenen Fetaloperation unter Kontrolle
zu bringen, ist diese Technik noch nicht als Standardmethode zur
Behandlung dieser Krankheit anerkannt. In der Tat ist die unkontrollierbare
Uterusaktivität eine der problematischsten Komplikationen offener
Fetaloperationen beim Menschen, weil eine Frühgeburt unmittelbar
nach der Operation sämtliche geburtshilflichen und chirurgischen
Anstrengungen für die Prognose des betroffenen Fötus obsolet macht.
Für Forscher und Kliniker auf dem Gebiet der Perinatalmedizin scheint
es, dass der Primatenuterus im Vergleich mit anderen Arten wie etwa
Schafen auf äußere Reize außerordentlich sensibel reagiert. Um also
die Fetalchirurgie als klinische Standardtechnik zu etablieren,
ist es äußerst wichtig, ein neues System für Föten zu entwickeln,
die unvorbereitet in eine extrauterine Umgebung gelangen, weil sie
nach einer Fetaloperation auf Grund eines zu empfindlichen Uterus
auf die Welt mussten. Eine solche Methode zur extrauterinen Inkubation
frühgeborener Föten wird in diesem Artikel beschrieben.
Die Inkubation eines Fötus mit Hilfe eines künstlichen Apparats
ist seit vielen Jahren ein menschlicher Wunschtraum. Eine Art künstliche
Plazenta beschrieb Aldous Huxley bereits 1932 in seinem Roman "Schöne
neue Welt":
*[Herr Päppler] beschrieb den künstlichen maternalen Blutkreislauf,
an den bei Meter 112 jede Flasche angeschlossen wurde; er zeigte
ihnen den Blutsurrogatbehälter und die Zentrifugalpumpe, die die
Flüssigkeit über der Plazenta in Bewegung hielt und sie durch die
synthetische Lunge und den Filter für die Ausscheidungsstoffe trieb.
Er erwähnte die lästige Neigung der Embryos zu Blutarmut und verwies
auf die großen Mengen Schweinemagenextrakt fötaler Fohlenleber,
mit denen er daher versorgt werden musste.*
Es scheint, dass sich Huxley eine Art komplette embryonale In-vitro-Kultur
vorgestellt hat, die einen heranreifenden Mausfötus nachgewiesenermaßen
bis zu 11 - 12 Tage (bei einer Schwangerschaftsdauer von 19 - 20
Tagen) inkubieren kann (2). Dies ist der eigentliche
künstliche Uterus. Obwohl diese Methode äußerst attraktiv ist, ist
sie in der klinischen Praxis nicht anwendbar, denn sobald sich die
Plazenta mit dem Uterus verbunden hat, ist sie davon nicht mehr
als lebensfähiges Organ zu trennen. Dennoch hat Huxley mit seinem
außergewöhnlichen Vorstellungsvermögen tatsächlich die meisten Probleme
beschrieben, mit denen die Künstliche-Plazenta-Forschung in den
letzten vier Jahrzehnten konfrontiert war. Bei allen Präparaten
wurden Blutreservoirs, synthetische Lungen und Filter für Ausscheidungsstoffe
verwendet. Alle Föten mit der künstlichen Plazenta neigten zu Anämie.
Gemäß einem kürzlich publizierten Artikel wurde in das System eine
Zentrifugalpumpe integriert, um die Zerstörung von Blutbestandteilen
durch den extrakorporalen Kreislauf zu minimieren. (3)
Die eigentlichen Entwicklungsanstrengungen für ein klinisch anwendbares
künstliches Plazentasystem begannen in the späten Fünfzigerjahren.
Die folgenden Artikel markierten die Errungenschaften in Europa,
Kanada und den Vereinigten Staaten, als wir 1984 mit unseren Projekten
begannen.
Harned HS, et al., The use of the pump oxygenator to sustain life
during neonatal asphyxia of lambs. *AMA Journal of Diseases of Children
Society Transactions* 1957; 94:530 - 531
Westin B, et al., A technique for perfusion of the previable human
fetus. *Acta Paediatrica* 1958; 47: 339 - 349
Callaghan JC, et al., Long term extracorporeal circulation in the
development of an artificial placenta for respiratory distress of
the newborn. *J Surgical Forum* 1961; 12: 215 - 217
Lawn L and McCance RA., Ventures with an artificial placenta I.
Principles and preliminary results. *Proc Roy Soc* B 1962; 155:
500 - 509
Nixon DA, et al., Perfusion of the viable sheep foetus. *Nature*
1963; 199: 183-185
Lawn L and McCance RA., Artificial placentae: A progress report.
*Acta Paediatrica* 1964; 53: 317 - 325
Callaghan JC, et al., Studies of the first successful delivery of
an unborn lamb after 40 minutes in the artificial placenta. *Can
J Surg* 1963; 6: 199 - 206
Callaghan JC, et al., Studies in the development of an artificial
placenta. *Circulation* 1963; 27: 686 - 690
Alexander DP, et al., Survival of the foetal sheep at tern following
short periods of perfusion through the umbilical vessels. *J Physiol*
1964; 175: 113 - 124
Callaghan JC, et al., Studies on lambs of the development of an
artificial placenta *Can J Surg* 1965; 8: 208 - 213
Alexander DP, et al., Maintenance of the isolated foetus Br Med
Bull 1966; 22:9-12.
Chamberlain G. An artificial placenta: the development of an extracorporeal
system for maintenance of immature infants with respiratory problems.
*Am J Obstet Gynecol* 1968; 100:615 - 626
Alexander DP, et al., Maintenance of sheep fetuses by an extracorporeal
circuit for periods up to 24 hours. *Am J Obstet Gynecol* 1968;
102: 969 - 975
Zapol WM, et al., Artificial placenta: Two days of total extrauterine
support of the isolated premature lamb fetus. *Science* 1969; 166:
617 - 618
Standaert TA, et al., Extracorporeal support of the fetal lamb simulating
in utero gas exchange. *Gynecol Invest* 1974; 5: 93 - 105
Die enormen Forschungsanstrengungen zahlreicher Teams über 15 Jahre
hinweg haben deutlich gezeigt, dass eine kurzfristige extrauterine
Inkubation (bis zu 2 Tagen) von lebensfähigen oder noch nicht lebensfähigen
Tierföten (hauptsächlich Schafe) in einem Behälter mit erwärmter
Flüssigkeit und unter Verwendung eines extrakorporalen, den Blutkreislauf
und die Sauerstoffzufuhr über Nabelschnur und Plazenta imitierenden
Zirkulationssystems möglich ist. Diese Versuche wurden aber 1980
völlig eingestellt. Und zwar aus folgendem Grund: Das Ziel dieser
Teams bestand vornehmlich darin, dieses System (die künstliche Plazenta)
zur Behandlung des Atemnotsyndroms bei Neugeborenen zu verwenden,
das zu der Zeit als lebensbedrohlicher Faktor für Frühgeborene angesehen
wurde. Nun hat aber die Pädiatrie für die Behandlung dieses beunruhigenden
Syndroms eine vollkommen neue Methode entwickelt: die CPAP-Beatmung
(kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck) und die intermittierende
Zwangsbeatmung (IMV) mittels eines mechanischen Beatmungsgeräts.
Die Einführung dieser neuen Methoden hat die Prognose für Frühgeburten
mit Atemnotsyndrom dramatisch verbessert, obwohl noch immer viele
Probleme ungelöst blieben. Verglichen mit den erfolgreichen klinischen
Errungenschaften der CPAP- und IMV-Beatmung, erschien der extrakorporale
Blutkreislauf der künstlichen Plazenta für die klinische Anwendung
als zu kompliziert und gefährlich. Und so stellten die Forscher
ihre Studien für Frühgeborene ein.
Nach fast zehn Jahren Pause begann unsere Gruppe unter der Leitung
des verstorbenen Prof. Yoshinori Kuwabara an einem Projekt zu arbeiten,
das das Ziel hatte, ein neues künstliches Plazentasystem zu entwickeln,
und zwar nicht nur zu Behandlung von Frühgeborenen, die mit konventionellen
Beatmungsmethoden nicht behandelbar sind, sondern auch zur experimentellen
Erforschung fetaler Physiologie.
Methoden der extrauterinen Fetalinkubation (EUFI)
Die hier vorgestellten Methoden wurden auf der Grundlage von Experimenten
entwickelt, die über einen Zeitraum von 6 Jahren durchgeführt wurden.
Tierpräparate
Sämtliche Experimente fanden mit Zustimmung unserer institutionellen
Aufsichtsbehörde statt. An trächtigen Ziegen mit Einzelföten (Schwangerschaftsdauer
148 Tage) wurde ein Kaiserschnitt durchgeführt und der Fötus an
einen ECMO-Kreislauf angschlossen. Der Gebärmutterschnitt wurde
unter einer Vollanästhesie mit 2% Halothan vorgenommen. Die Hinterläufe
des Fötus wurden herausgezogen bis die Nabelschnur völlig frei lag.
Dann wurde eine Arterie und eine Vene der Nabelschnur isoliert (Ziegen
haben zwei Nabelschnurarterien und zwei normale Venen). Durch eine
Arterienöffnung wurde ein Polyvinylkatheter (20 cm Länge, 10 Fr.
Außendurchmesser) bis über die Bifurkation der Abdominalaorta hinaus
eingeführt. Ein zweiter Katheter wurde in eine Vene eingeführt,
wobei die Spitze 2 cm nach dem Nabel zu liegen kam. Während dieser
Prozedur wurde der Blutgasaustausch über die verbleibenden Nabelschnurgefäße
durch den Plazenta-Kreislauf aufrechterhalten. Unmittelbar nach
Anschluss der Katheter an den extrakorporalen Kreislauf trat der
A-V-Membranoxygenator (ECMO) in Aktion. Nun wurden die verbleibenden
zwei Nabelschnurgefäße kanülliert und an den Kreislauf angeschlossen.
Der Fötus wurde in einen Inkubator mit einem künstlichen, auf 39,5°
C erwämten Fruchtwasser transferriert. Dieses künstliche Fruchtwasser
bestand aus einer der Analyse des Ziegenfruchtwassers entsprechenden
Elektrolytlösung (Na+ 75 mmol/l, K+ 2.0 mmol/L, Ca2+ 0.8 mmol/l.
Ca- 55 mmol/l). Die benötigte Gesamtdauer von der Gebärmuttereröffnung
bis zum Transfer des Fötus in den Inkubator betrug < 30 min.
Das Inkubationssystem
Der extrakorporale Kreislauf bestand aus einem oben offenen arteriellen
Reservoir (Maximalvolumen 25 ml), einer Roller-Pumpe, einem nicht
mikroporösen Membranoxygenator aus hohlen Silikonfasern, einem geschlossenen
dehnbaren Reservoir und einem Wärmetauscher. Der Oxygenator hatte
eine funktionale Oberfläche für den Gasaustausch von 0,5 m2. Das
Füllvolumen des Kreislaufs betrug 200-230 ml. Die Fülllösung bestand
aus dem mit Heparin gerinnungsgehemmten und entsprechend auf pH,
Na+, K+ und Ca2+ abgestimmten Mutterblut. Das Fetalblut aus der
Nabelschnurarterie floss in das Arterialreservoir. Zur Aufrechterhaltung
einer konstanten Blutmenge im Arterialreservoir wurde der Blutstrom
im Kreislauf durch ein Strömungskontrollsystem reguliert. Das Blut
wurde mit 100%-igem Sauerstoff angereichert und über ein geschlossenes
Reservoir und einen Wärmetauscher in die Nabelschnurvenen zurückgeführt.
Der Inkubator mit dem sterilen künstlichen Fruchtwasser wurde auf
einem sauberen Labortisch aufgestellt. Zur Eindämmung der Infektionsgefahr
wurden sämtliche Prozeduren am Fötus unter streng sterilen Bedingungen
ausgeführt. Dem Kreislauf wurde ständig eine Heparinlösung (400
Einheiten/ml) zugeführt, um die aktivierte Gerinnungszeit zwischen
180 und 250 s zu halten. Die benötigte Heparinmenge betrug 40 -
60 Einheiten/kg/h. Der Fötus wurde im Inkubator mit dem auf konstanten
39,5° C gehaltenen künstlichen Fruchtwasser ohne Anästhesie gelassen.
Die Länge der Nabelschnurkatheter gestattete die spontane Bewegung
des Fötus. Dieser Versuchsaufbau bot dem Fötus eine physiologische,
thermische und nicht einschränkende Umgebung. Über den extrakorporalen
Kreislauf wurde ihm eine Lösung aus 30% Glukose, 3% Aminosäuren
und 1,5% Sojaöl in einer Menge von 2 ml/kg/h verabreicht, was 70
kcal/kg/Tag entspricht. Das Körpergewicht des Fötus wurde zu Beginn
der Inkubation nach einer auf der Scheitel-Rumpf-Länge basierenden
Standardkurve geschätzt.
Einstellungen des Blutgasaustausches im extrakorporalen Kreislauf
Die anfänglichen Einstellungen des extrakorporalen Kreislaufs wurden
in den ersten 24 Stunden der Inkubation durch wiederholte Messungen
der arteriellen Blutgase verfeinert. In diesem System ist der arterielle
Sauerstoffpartialdruck (PaO2) des Fötus eine Funktion des eingeatmeten
Sauerstoffanteils (FIO2), des fetalen Sauerstoffverbrauchs, des
extrakorporalen Blutstroms (QEC, ml/min) und der Oxygenatorleistung.
Frühere Studien von anderen Forschern und uns selbst haben die Schwierigkeit
gezeigt, den QEC bei der Langzeitinkubation externer Föten mittels
eines A-V ECMO im physiologischen Rahmen des Blutflusses der Nabelschnur
zu halten (ca. 200 ml/kg/min). Ein starker QEC destabilisiert nämlich
den fetalen Kreislauf. Wir hielten den FIO2 bei 1.0, um bei jedem
beliebigen QEC eine maximale Sauerstoffversorgung zu erreichen,
damit wir das kardiovaskuläre System des Fötus durch Reduktion des
QEC stabilisieren konnten. Der QEC wurde zwischen 60 und 130 ml/kg/min
gehalten, wozu wir den Widerstand des arteriellen Teils des Kreislaufs
durch Querschnittverengung des Schlauchs änderten. Bei diesen Bedingungen
wurde die Kapazität des extrakorporalen Kreislaufs zur CO2-Eliminierung
durch das Verhältnis von eingeatmetem Gasanteil und QEC bestimmt.
Der fetale CO2-Partialdruck wurde durch Kontrolle des Sauerstoffflusses
bei 5,3-6,7 kPa (40-50 mmHg) gehalten.
4) Messungen und Berechnungen
Unter Lokalanästhesie mit 1% Lidocain wurde ein Katheter in eine
Hauptschlagader eingeführt, was eine ständige Überwachung des arteriellen
Blutdrucks (aBP) ermöglichte. Der QEC wurde mit einem im arteriellen
Teil des Blutkreislaufs angebrachten Flussmessgerät bestimmt. Die
Herzfrequenz (HF) wurde am aBP-Puls oder an der Pulswelle der Nabelschnurarterie
gemessen. Der aBP, QEC und die HR des Fötus wurden ständig mit einem
Polygraphen aufgezeichnet. Die fetale Kerntemperatur (°C) wurde
mit einer Temperatursonde bestimmt, die durch einen Einschnitt im
Hals bei der Einführung des Arterialkatheters im Mediastinum implantiert
wurde. Blutgas-Partialdrücke und pH-Werte wurden mit einem auf 37,0
°C kalibrierten pH/Blutgas-Analysator, Sauerstoffsättigung (SO2)
und Hämoglobinkonzentration (Hb) mit einem für Ziegenblut auf der
Basis von vollgesättigtem Mutterblut kalibrierten Hämoxymeter gemessen.
Blutproben für die Messung der pH-, PCO2-, PO2-, SO2- and Hb-Werte
wurden während der gesamten EUFI-Periode in 3- und 6-stündigen Intervallen
gleichzeitig aus den Entnahmestellen im venösen und arteriellen
Teil des Kreislaufs genommen. Bei jeder Blutprobe wurden HF, aBP,
QEC und Kerntemperatur des Fötus aufgezeichnet. Der prä-oxygenierte
(arterielle) und postoxygenierte (venöse) Sauerstoffgehalt des Blutes
(CO2), die Sauerstoffzufuhr durch den extrakorporalen Kreislauf
(DO2) und der fetale Gesamtsauerstoffverbrauch (VO2) wurden wie
folgt errechnet:
CO2 (ml O2/l) = 1,34 x Hb (g/l) x SO2 (%) / 100 + 0.03 x PO2 (mmHg)
DO2 (ml O2/kg/min) = post-CO2 (ml O2/l) x QEC(l/min) / 1000 / Körpergewicht
(kg)
VO2 (ml O2/kg/min) = (post-CO2(ml O2/l) - pre-CO2(ml O2/l) ) x QEC
(l/min) / 1000 / Körpergewicht (kg)
VO2 (mmol/kg/min) = 44.6 x VO2 (ml O2/kg/min)
Ergebnisse der Langzeitinkubationsexperimente
Langzeitinkubation mit uneingeschränkter Fetalbewegung
Extrauterine Langzeitinkubationen wurden mit mehr als 50 Ziegenföten
durchgeführt. In unserem ersten Artikel (4), hoben
wir die Wichtigkeit eines arteriellen Reservoirs hervor, um die
kardiale Nachlast konstant zu halten. Nach dieser Modifikation des
körperexternen Kreislaufs (ECC) erhöhte sich die Inkubationszeit
des exteriorisierten Ziegenfötus auf bis zu 165 Stunden. Die Verwendung
des modifizierten ECC und verbesserter Inkubationstechniken verlängerten
die Inkubationszeit weiter auf 146 ± 61 Std. (Mittel ± SD) bei einer
Spitzendauer von 236 Std (5). In diesem zweiten
Artikel beschrieben wir auch eine stabile Methode der Sauerstoffzufuhr
und des Sauerstoffverbrauchs bei der Langzeit-EUFI. Die folgenden
drei Studien (6-8) testeten den Fetalzustand während
der extrauterinen Langzeitinkubation in Hinblick auf Sauerstoffwechsel,
extrakorporale Blutstromwerte und Veränderungen der fetalen Stresshormone.
Diese Studien zeigten, 1) dass auch wenn die Sauerstoffzufuhr über
den ECC auf subphysiologischem Niveau blieb, der Sauerstoffverbrauch
der Föten durch verstärkte Sauerstoffentnahme im Normalbereich gehalten
wurde; 2) dass die optimale ECC-Flussrate 100 ml/min/kg beträgt,
was ca. 50% des physiologischen Plazentablutstroms entspricht; und
3) dass stressabhängige Hormone wie Adrenalin, Noradrenalin, ACTH
und Cortisol, trotz Anstiegs im Anfangsstadium der Inkubation, in
dem sich der Fötus an eine völlig neue Umgebung anpassen musste,
nach 24 Stunden auf niedrige Niveaus absanken; diese niedrigen Konzentrationen
wurden bis in die letzten 24 Stunden der Inkubation aufrechterhalten,
in denen sich der Zustand des Fötus allmählich verschlechterte.
Im Verlauf dieser Experimentalreihe stießen wir auf mehrere ernste
Hindernisse für eine stabile Langzeitinkubation. Das ärgerlichste
davon waren die Fetalbewegungen. Die Föten führten während der Inkubation,
vor allem wenn der Zustand stabil war, eine Vielzahl von Bewegungen
aus: z.B. Augenrollen, Mund-, Schluck- und Atembewegungen, Zuckungen,
Körperwindungen, -drehungen und -streckungen sowie verschiedene
Bewegungen der Gliedmaßen. Bei einem Präparat versuchte der Fötus
sogar aufzustehen und zu laufen. Obwohl diese Bewegungen physiologisch
normale Verhaltensweisen des Fötus in der Gebärmutter sind und einen
deutlichen Hinweis gaben, dass die Föten in unserem System aktiv
waren, verursachten sie auch ernste unerwünschte Fehlfunktionen
wie z.B. Katheterprobleme. Der Fötus, der aufstehen und laufen wollte,
starb wegen des hohen Blutverlusts aus den Nabelschnurgefäßen, aus
denen er die Katheter herausriss. Auf diese Weise verloren wir mehrere
Föten durch unerwartet heftige Fetalbewegungen. Heftige Körperwindungen
führten zu einem plötzlichen, wenn auch nur temporären Absinken
des extrakorporalen Blutflusses. Diese plötzlichen Veränderungen
im kardiovaskulären System wirkten sich bei wiederholtem Auftreten
auf die Aktivitäten des Fötus aus. Auch heftige Schluckbewegungen
stellten ein ernstes Problem dar. Sie tranken zeitweise sogar Fruchtwasser.
Offenbar hat dieses Verhalten nichts mit Durst oder dem fetalen
Wasserhaushalt zu tun. Sie tranken das Fruchtwasser nur, um ihre
Muskeln und ihr Verdauungssystem zu trainieren. In der Gebärmutter
wird der Wasserhaushalt des Fötus durch die Plazenta reguliert.
Schluckbewegungen und Urinabgabe sind während des Fetalstadiums
eigentlich entbehrlich, auch wenn sie nach der Geburt in einer Umgebung
aus trockener Luft zweifellos überlebenswichtig sind. Darum war
es den Föten in dem warmen Wasserbad egal, wie viel Flüssigkeit
sie zu sich nahmen. Das Ergebnis war, dass sie allmählich ödematös
wurden. Nach mehreren Inkubationstagen führte die übermäßige Wasseraufnahme
zu sichtbarer Bauchwassersucht, Wasserlunge und allgemeiner Ödembildung.
Die Wasseransammlung war eine zusätzliche Belastung für das kardiovaskuläre
System des Fötus. Auf Grund dieser beiden durch die Fetalbewegung
verursachten ernsten Probleme - die Katheterfehlfunktionen und die
Wasseransammlung - zogen wir eine Unterdrückung der Fetalaktivität
mit Sedativen und Muskelrelaxanzien in Erwägung.
Langzeitinkuabtionsexperimente bei Unterdrückung der Fetalbewegung
mit einem Muskelrelaxans und einem Sedativum
Bei dieser Versuchsanordnung (9) unterdrückten
wir heftige Fetalbewegungen des Fötus durch Verabreichung eines
Sedativums (Diazepam) und eines Muskelrelaxans (Pancuronium bromide)
während der extrauterinen Inkubation. Wir wollten einfach starke
Fetalbewegungen unterbinden, um unerwünschte Katheterdefekte und
übermäßige Flüssigkeitsaufnahme zu verhindern, und so wurden die
peripheren Bewegungen einschließlich Augen-, Mund- und Atmenbewegungen
während der gesamten Inkubation überprüft. Bei dieser Anordnung
ließ sich der Fötus im Vergleich zu den vorhergehenden Präparaten
in einem sehr guten Zustand erhalten. Obwohl die Herzfrequenz, der
arterielle Blutdruck und der kardiovaskuläre Druck nicht ganz stabil
waren, lagen sie während des Großteils der Inkubationsperiode innerhalb
des fetalen Normalbereichs. Sämtliche Parameter des Blutgasaustauschs
und der Sauerstoffverwertung waren die ganze Zeit über stabil. Das
Vorhandensein eines konsistenten Blutflusses von der Pulmonalarterie
zur absteigenden Aorta wurde am Ductus arteriosus mittels einer
Ultraschalluntersuchung mit gepulstem Dopplertest festgestellt.
Die Inkuabtionsdauer erhöhte sich bei zwei Präparaten auf 494 bzw.
543 Stunden. In unserer Versuchsanordnung war die höchste extrauterine
Inkubationsdauer auf drei Wochen angesetzt. Da das Schwangerschaftsalter
der beiden Föten zu Beginn der Inkubation 120 bzw. 128 Tage betrug,
sollten sie nach drei Inkubationswochen in der künstlichen Plazenta
reif sein. 12 Stunden vor Ende der Inkubation stellten wir die Verabreichung
der Beruhigungsmittel ein. Sobald der Fötus seine aktiven Bewegungen
wieder aufnahm, holten wir ihn aus dem Inkubator an die Luft. Nach
Einführung eines Luftröhrentubus und sorgfältigem Absaugen der Atemwegsflüssigkeit,
wurde der extrakorporale Blutkreislauf unterbrochen und die Lungenatmung
durch manuelle Beatmung mit 100%-igem Sauerstoff stimuliert. Wenn
sich die Spontanatmung als schwach erwies, wurde eine maschinelle
Beatmung eingesetzt. Bei beiden Präparaten war die Atemreaktion
sehr schwach und daher wurde eine maschinelle Beatmung veranlasst.
Durch eingehende Behandlung mit häufigem Absaugen der Luftröhrensekrete,
Veränderungen der Körperlage, sorgfältiger Anpassung der Flüssigkeitszufuhr
und Ernährungszusätze blieben die Ziegen physiologisch stabil. Obwohl
sie aktive Bewegungen ausführten, war die Spontanatmung bei CPAP-Beatmung
nicht im Stande, stabile Blutgasverhältnisse aufrechtzuerhalten.
Wir beobachteten mehrmals ihre vergeblichen Versuche, auf die Beine
zu kommen. Der Luftröhrentubus wurde nach vier Wochen und einer
Woche Beatmungshilfe entfernt. Beide Ziegen starben innerhalb weniger
Stunden an Ateminsuffizienz. Der wahrscheinlichste Grund für ihre
Unfähigkeit, nach der Langzeitinkubation eine stabile Lungenatmung
zu entwickeln, ist wohl die Muskelschwäche infolge der langen Immobilität.
Weitere Fortschritte auf diesem Gebiet
Nach dem Langzeitinkuabtionsexperiment verlagerte sich das Forschungsinteresse
hauptsächlich auf die physiologischen Reaktionen und die Reifung
des Fötus während der EUFI. Zur Forschungsausbeute gehören die folgenden
Studienergebnisse:
- Durch ein Abkühlungsexperiment während der EUFI wurden die
fetalen Stoffwechsel- und Endokrinreaktionen auf Veränderungen
der Umgebungstemperatur festgestellt (10).
- Bei Verwendung eines geschlossenen Kreislaufs mit einer Zentrifugalpumpe
und einem mit dem Herzzyklus synchronisierten pulsartigen Blutstrom
wurden Langzeitinkubationen bis zu 237 Std. mit hoher Flussrate
und geringem Sauerstoff-Partialdruck erreicht (3).
- Die Lungenreifung, angezeigt durch die Zunahme der oberflächenaktiven
Lungensubstanz und des Lungengewichts, wurde nach fünf Tagen EUFI
mit Luftröhrenligatur erreicht (11).
- Der normale im späten Fetalstadium existierende Verhaltenszyklus,
der sich in der Fetalbewegung, im Elektroenzephalogramm und kardiovaskulären
Variablen manifestiert, bleibt bei der Langzeit-EUFI bestehen.
(12, 13)
Diskussion
Unser EUFI-System ist eine Alternative zur Lebenserhaltung von Neugeborenen,
die nicht ohne Hilfe lebensfähig sind. Es ist eine Art umfassendes
Lebenserhaltungssystem für behinderte oder besonders kranke Babys.
Es bietet eine thermisch neutrale Umwelt mit minimalem Energiebedarf
zur Aufrechterhaltung des Körperstoffwechsels, was für kleine Babys
zur Erholung von Schäden oder beeinträchtigten Bedingungen sehr
wichtig ist. Das System bietet auch eine komplette Lungen-unabhängige
Beatmungshilfe, was für Frühchen mit verkleinerten oder geschädigten
Lungen entscheidend ist. Wir haben bislang gezeigt, dass eine mehr
als dreiwöchige stabile Langzeit-EUFI möglich ist, wodurch frühgeborene
Föten reif genug für die extrauterine Luftatmung werden könnten.
Obwohl weitere Studien nötig sind, um eine optimale Ernährung und
weniger stresshafte Inkubationsbedingungen zu entwickeln, sprechen
unsere Resultate sehr für eine künftige klinische Anwendung dieser
Inkubationsmethode.
Wir müssen mit diese Art von Technologie äußerst vorsichtig umgehen,
wenn wir bedenken, wie sie in der Öffentlichkeit aufgefasst werden
kann. Obwohl die EUFI eigentlich nur eine Erweiterung der bestehenden
neonatalen Intensivmedizin für extrem Frühgeborene ist, könnten
manche sie für eine futuristische Form der Schwangerschaft halten.
Beim gegenwärtigen Stand der Forschung können wir nur so viel sagen:
die Langzeitinkubation mit Hilfe eines extrakorporalen Kreislaufs
wäre eine katastrophal kostspielige Alternative zur natürlichen
intrauterinen Schwangerschaft.
Literaturhinweise
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extrauterine support of goat fetuses", in: *J Thorac Cardiovasc
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