Digitale Bilder zwischen Datei und Ausdruck - Zur Frage nach dem Original english | deutsch
Johannes Deutsch

Es muss nicht erwähnt werden, dass für die bildende Kunst die Bedeutung und die Bewertung des Originals im Lauf der Zeit zu einer ihrer eigenen Voraussetzungen geworden ist. Das Verhältnis neuer Kunstentwicklungen und neuer Kunstformen zum Original ist dementsprechend Gegenstand der Diskussion.

Wenn ein Maler digitale bildgebende Verfahren nützt und maschinenunterstützt künstlerisch arbeitet, ist er sich also nicht nur durch Walter Benjamin dessen bewusst, dass er sich im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit und der Informationstechnologie außerhalb der Originalverfahren befindet; auch hat er die Hymne an die "Simulacres" von Gilles Deleuze, Jean-François Lyotard oder Jean Baudrillard schon längst verinnerlicht. Heute zielt er wahrscheinlich nicht darauf ab, ein Original mit Neuen Medien zu schaffen (unabhängig von seinem Streben nach einem originären Werk).

Aber durch die Verschränkung des künstlerischen Prozesses der Entstehung eines Computerbildes mit den Technologien der Neuen Medien tauchen trotzdem neue Fragen nach dem Original auf.

Anfang der 90er-Jahre gehörte der relativ beständige Thermotransferdruck zu den ersten künstlerisch brauchbaren Computerdruckverfahren. Computerausdrucke in limitierter Auflage zu veröffentlichen war eine nicht wirklich nahe liegende Frage. Außerdem konnte die Auflagenhöhe einer solchen "Druckgrafik" ohnehin nicht nach den Kriterien einer Marktposition gefällt werden, und auf die Idee die Auflagenhöhe von der Kapazität der Drucktechnik abhängig zu machen, wie z.B. bei einer Radierung oder einem Holzschnitt, kam man bei einem Massenvervielfältigungsmittel nicht. Es blieben die künstlerischen Kriterien, und ich beobachtete, dass der Thermotransferdruck, der einen groben interpolierenden Raster druckt, von Druck zu Druck den gleichen Verlauf von einer saturierten Farbe zu einer hellen, transparenten in Weiß auslaufenden Farbe verschieden ausführte. Der Drucker verwendete für dieselbe Schattierung jedes Mal verschieden viele Punkte und setzte diese auch an eine andere Stelle. Der Thermotransferdruck war offenbar das Ergebnis einer Interpretation des Datenmaterials. Aus einer normalen Betrachtungsdistanz sahen die Bildstellen auf jedem Ausdruck gleich aus. Dieser Beobachtung folgend, druckte ich von einem Bild 200 Exemplare in einem durch. Dabei stellte sich heraus, dass durch den 200-fachen Gebrauch einer nur einmal an den Drucker gesandten Datei und vielleicht durch die Erwärmung des Druckers die Druckvarianten langsam immer gröber wurden. Durch diese technischen Gegebenheiten wurde wider Erwarten jeder Ausdruck zum Original und die Auflage der "Druckgrafik" aus künstlerischen Gründen extrem limitiert, denn die Varianten der zarten Farbvaleurs waren auf den ersten drei bis zehn Drucken am schönsten.

Selbstverständlich ist diesem drucktechnischen Phänomen die künstlerisch konzeptuelle Frage vorgelagert, ob und wie weit das am Monitor vollendete Computerbild (welches für gute Ausdrucke auch aufbereitet wird) nicht das ("eigentliche") Original ist? Oder gibt es mehrere Originale? Ich denke, es gibt eine Original zu Original Korrespondenz, in welcher der für Computerbilder spezifische Entstehungsprozess geborgen ist, und ich gehe auch aus Gründen der Integration meiner künstlerischen Arbeiten, welche mit anderen Medien entstanden sind und die erst durch die Zusammenschau von allen ihren Werksinn erhalten, dazu über, von einem Originalorchester (von einem mehrteiligen, mehrschichtigen, im Konzert wirkenden Original) zu sprechen.

Auch die Informationstechnologie führt eine neue Kreation von Original ein. Dieses "Daten-Original" steht mit seiner Problematik der Kompatibilität mit den sich ständig weiter entwickelnden Systemen, den grundsätzlichen Überlegungen der allgemeinen Verfügbarkeit von Medienkunst im Weg. Die Möglichkeit, Medienkunstwerke überall in Medienräumen- und Netzen zur Verfügung zu haben, erweist sich aber gerade für Werke in digitalen Archiven für die zusätzliche Nutzung des eigentlichen Originals als vorteilhaft oder gar als notwendig. Sicher werden mit der Weiterentwicklung der Informationstechnologie die Probleme der Kompatibilität alter und neuer Daten und Systeme gelöst. Aber angesichts der Entstehung der digitalen Archive muss die Forschung spätestens jetzt ihr Augenmerk voll auf das ständige Altern jedes Datenoriginals und seiner damit verbundenen immer größer werdenden Distanz zum aktuellen System, lenken!

Die Begriffe wachsen also mit den neuen Kunstformen und den neuen Technologien mit.

Eine der wesentlichen Änderungen gegenüber der bisherigen Entstehung von Bildern, besteht darin, dass Computerbilder aus (Roh-)Bildmaterialien gestaltet werden können. Begriffe wie Original oder Fake werden in diesem Zusammenhang Teil der Strategie zur Schaffung neuer inhaltlicher Konzepte im (Computer-)Bild. Oft ist das Rohmaterial zuvor ein Original (z. B. ein Ölbild) und erscheint im Computerbild nur mehr als Fake seiner selbst. Ästhetisch gesehen beruht aber die Wirkung und das originäre des Computerbildes auf der Suggestion dieser dadurch entstehenden medialen Schichtenräume. Mit dem Computer gelingt die ästhetische Verbindung der verschiedenen Bildteile, welche ursprünglich vom Material her, stofflich oder texturell nicht zusammenpassten, zu einem Ganzen. Im Computerbild stellt ein Stück fotografiertes Holz, Marmor oder Gemälde nicht mehr die Frage nach dem Fake, sondern es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der Informationstiefe, welche zur Resonanz und Komplexität eines Bildes führt.

In diesem Sinn nutze ich das System von Original und Fake als Wahrnehmungstechnik, um im Computerbild gesehene und gedachte Bilder zusammenzubringen, und nehme dabei Anleihe bei der Strategie der mentalen Visualisierung, wie Menschen in Bildern vorstellen. Diese Berührung zwischen dem Mentalen und dem Realen ist vielleicht eine Kompensation für den Verlust