Erklärung des Forums für ein anderes Mali zum
Thema
Afrika und die Informationsgesellschaft
Wer schweigt, setzt genauso eine politische Handlung
wie der, der protestiert. Jeder, der sich der verheerenden Folgen der
Globalisierung bewusst wird, kann seine Hände nicht mehr in Unschuld
waschen. Er ist verpflichtet, etwas dagegen zu tun.
Arundhati Roy
Der starke Anstieg der rassistischen und ausländerfeindlichen rechtsradikalen
Parteien
in Europa macht uns, die wir aus Mali oder anderen Teilen Afrikas stammen,
wieder
einmal mehr als deutlich, dass wir in gewissen Breitengraden noch immer
nicht
willkommen sind. Aber die Lebensumstände in unseren Heimatländern
sind nun einmal
katastrophal. Es fehlt an allem: an Arbeitsstellen, Einkünften, Lebensmitteln,
Schulen,
medizinischer Versorgung und Zukunftsperspektiven.
In unserer schwierigen Situation bieten uns nun die Industriestaaten und
unsere
eigenen Politiker den Cyberspace sozusagen als neuen Lebensraum an, den
wir erforschen
und bewohnen sollen. Aber wie alle anderen Wege, die wir bereits versucht
haben, sind auch die Datenautobahnen für uns überschuldete und
abhängige
Staaten voller Tücken und Fallen. Sie stehen nur denen weit offen,
die über ein gewisses
Maß an Bildung und die entsprechenden Geldmittel verfügen.
Die Geldmittel jedoch,
die Afrika den Zugang ermöglichen würden, sind konfisziert.
Bei der Konferenz der
Vereinten Nationen in Monterrey (Mexiko) im März 2002, bei der es
um die Finanzierung
der Entwicklungshilfe ging, haben uns die gleichen Industriestaaten, die
uns auffordern,
die Gelegenheit beim Schopf zu packen und uns der Informationsgesellschaft
anzuschließen, einmal mehr deutlich zu verstehen gegeben, dass der
Zugang zu den
Geldern, die unser Kontinent mehr als dringend benötigt, auch weiterhin
der Bedingung
unterliegt, dass unsere Staaten sich voll und ganz dem Dogma des Marktes
anschließen. Der enorme soziale Preis, den wir für dieses Diktat
zahlen müssen, das
die Regierungen der Staaten des Südens in Misskredit bringt und destabilisiert,
wird
übertüncht mit Zauber- und Beschwörungsformeln für
den Kampf gegen die Armut.
Das afrikanische Volk hat Hunger, es leidet und hat Angst vor der Zukunft.
Es stellt sich
die Frage, ob das Angebot seitens der afrikanischen Politiker und der
internationalen
Institutionen an Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) die
richtige
Antwort ist, um dieser Situation Abhilfe zu schaffen. Im Rahmen der Vorbereitung
des
Weltgipfels der Informationsgesellschaft über die Informations- und
Kommunikationstechnologien
seitens Afrika hinterfrägt das Forum für ein anderes Mali
(FAM) hervorgegangen
aus dem Afrikanischen Sozialforum und dem Weltsozialforum getreu
seiner
selbstgestellten Pflicht, die Dinge klar zu durchschauen, die Informationsgesellschaft
und die für Afrika vorgeschlagenen Lösungen. Die Textfassung,
der von der Regionalen
Konferenz von Bamako der Vorzug gegeben wurde, ist eine eindeutige Befürwortung
der Globalisierung des Handels, die vom Forum für ein anderes Mali
abgelehnt wird.
Lassen wir uns nicht vom falschen wissenschaftlichen Positivismus ablenken,
dessen
Verfechter allergisch sind gegen jede kritische Überprüfung
dessen, was bei den IKT
national und international auf dem Spiel steht. Härte, Durchhaltevermögen
und Scharfblick
sind umso mehr erforderlich, als wir ja schließlich auch das Recht
auf Gesundheit
für alle erhalten haben (im Jahr 2000), Bildung für alle,
Trinkwasser für alle
lauter nicht eingehaltene Versprechen und somit Zeichen für mangelnde
Solidarität,
fehlende soziale Gerechtigkeit und Frieden. Wird der Cyberspace so viele
nicht erfüllte
menschliche Bedürfnisse, die die Quelle so großen Leids sind,
befriedigen können?
Hat es denn einen von Afrika vorbereiteten Weltgipfel gebraucht, damit
sich der Kontinent
für Auto, Radio, Telefon und Fernsehen entscheidet, die seither unser
Landschaftsbild
prägen und Teil davon geworden sind? Was bringt der ganze Wirbel
um
die IKT, die wir ohnehin bereits dabei sind einzuführen, wenn auch
in unserem Tempo
und entsprechend unseren Bedürfnissen und Mitteln?
Summa summarum: Niemand bestreitet die Notwendigkeit und die Leistungsfähigkeit
der IKT. Keiner zweifelt an ihren Vorteilen, an den wahren Wundern, die
sie vollbringen
und die überall sichtbar sind. Es sind die damit verbunden Versprechungen,
die es zu
überprüfen gilt unnachgiebig, scharfsichtig und im Hinblick
auf den derzeitigen Zustand
unseres Kontinents und der Beziehungen zum Norden. Wer profitiert tatsächlich
von
der Informationsgesellschaft? Für wen stellt sie einen Gewinn dar?
Information und Phagozytose
Ein Gefühl des Mangels, der Unterlegenheit, der Minderwertigkeit
und der Unsicherheit
zu erzeugen, um das Angebot der Industriestaaten besser rechtfertigen
zu können
und auch die wirtschaftlichen, rechtlichen und institutionellen Reformen,
die sie für die
Angliederung Afrikas an den Weltmarkt für unbedingt notwendig erachten
das ist
das traurige Abenteuer, auf das sich unsere Staaten gerade einlassen.
Der Rückstand
Afrikas gegenüber dem Rest der Menschheit ist dabei die sensible
Saite, die von den
Herolden der IKT zum Klingen gebracht wird, das Thema, dessen sie sich
mit Vorliebe
bedienen. Ständig wird darauf hingewiesen, darüber diskutiert,
darüber geklagt. Dabei
ist die digitale Kluft nur eine der mannigfachen Ausdrucksformen der neoliberalen
Sackgasse,
in die uns eben diese Marktkräfte manövriert haben, indem sie
die nationalen
Entwicklungspläne durch strukturelle Anpassungsprogramme ersetzt
haben.
Die Informationsgesellschaft ist mit verantwortlich für unseren Gewaltmarsch
in Richtung
eines von den Besitzenden konzipierten und propagierten Gesellschaftsideals.
Diese Gesellschaft stand auch auf der Tagesordnung der Ministerkonferenz
der G7-
Staaten (Vereinigte Staaten, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien,
Italien,
Kanada), die von 25. bis 27. Februar 1995 in Brüssel stattgefunden
hat.
Asdrad Torres weist darauf hin, dass dieses Treffens mit einer Round-Table-Konferenz
eröffnet wurde, die 45 Unternehmensleiter an einem Tisch versammelte.
Er zieht
daraus zu Recht die Schlussfolgerung, dass damit ein entscheidender Schritt
geschehen
ist in der Umwandlung von Politikern zu Wasserträgern für
die multinationalen
Unternehmen. Ein Monat zuvor, fährt er fort, hätten drei
Großkonzerne auf dem Gebiet
der Elektronik, Informatik und Telekommunikation den G7-Staaten Folgendes
bekannt
gegeben: Die Industrie der Informationstechnologien unterstützt
uneingeschränkt alle
politischen Maßnahmen auf dem Gebiet der globalen Informationsinfrastruktur,
vorausgesetzt die folgenden Prinzipien werden dabei eingehalten: Die Geschäftsleitung
erfolgt durch den Privatsektor und unterliegt den Gesetzen des Wettbewerbs;
Vereinheitlichung, Vertraulichkeit und Sicherheit der (über die Netze
ausgetauschten)
Daten; tatsächliche internationale Zugriffsmöglichkeit, Urheberrechtsschutz,
internationale
Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung und in den neuen Anwendungsmöglichkeiten,
Aufhebung der Handels- und Investitionsschranken; Unterstützung
der Projekte in den Entwicklungsländern.
Handelsinteressen oder Völkerrechte
Die Ähnlichkeit zwischen dem Pflichtenheft des Unternehmertums in
den G7-Staaten
und den wirtschaftlichen, rechtlichen und institutionellen Reformen, die
unseren
Staaten im Namen des Wachstums und des Kampfes gegen die Armut auferlegt
werden,
ist frappierend. Diese Reformen bestehen unter anderem
- in der Zerschlagung der staatlichen Unternehmen im Telekommunikationssektor
(die multinationalen Unternehmen haben dann völlig freies Spiel),
- in der Erhöhung der öffentlichen Ausgaben für Ausstattung
und Ausbildung in den
Informations- und Kommunikationstechnologien (ein Teil der Gelder, die
von unseren
Staaten mit so viel Mühe freigesetzt werden, kann auf diese Weise
von den
Geschäftskreisen des Nordens und den afrikanischen Subunternehmern
abgeschöpft
werden),
- in der Einbeziehung der verschiedenen Branchen der multinationalen
Unternehmen
in diese Schulungsprogramme (damit fällt der gesamte Ablauf unter
die Kontrolle
der multinationalen Unternehmen),
- in der Schaffung von für private Investoren günstigen rechtlichen
und steuerlichen
Bedingungen (damit sie ihre Gewinne in aller Ruhe und unbehelligt wieder
in ihr
eigenes Land transferieren können),
- in der Abschaffung der Zollbarrieren für den Import der Hard-
und Software (um
den Benutzern den Zugang zu den IKT zu erleichtern und das Verkaufsvolumen
und die Gewinnspannen der Händler und Lieferanten zu erhöhen),
- in der Umstrukturierung der Ministerien für Information, Telekommunikation
und
IKT (damit alle Rädchen des Getriebes tadellos geschmiert sind),
- in der Förderung des Elektronikhandels.
Die Bezeichnung Informationsgesellschaft verleiht
diesem von den G7-Staaten planmäßig
erstellten und durchgesetzten neoliberalen Prozess anscheinend menschliche
Züge. Sie hat sich durchgesetzt gegenüber dem Konzept einer
globalen Informationsinfrastruktur,
die im Mittelpunkt der Kampagne der Regierung Clinton für eine neue
Wirtschaft stand, wo die Information die Ware mit der größten
Wertschöpfung sein sollte.
Die Tatsache, dass die regionale afrikanische Konferenz mehr Vertreter
aus der europäisch-
amerikanischen und asiatischen Geschäftswelt auf den Plan gerufen
hat als Vertreter
des privaten afrikanischen Sektors und der sozialen Bewegung, zeigt, für
welche Seite, für welches Lager sich die Politikerklasse entschieden
hat. Ihre Anspielungen
auf die Außenschulden und den Egoismus der Partner im Norden ändern
nichts
am Kern des Problems. Man kann nicht gleichzeitig eine Sache und ihr Gegenteil
wollen,
nämlich einerseits die unkontrollierte Öffnung für ausländische
Investoren und andererseits
die Verbesserung des Schicksals der Arbeiter, der Menschen und der Jugendlichen.
Die gleichen Widersprüchlichkeiten sind auch beim NEPAD (New Partnership
for Africas Development) festzustellen, der die gleiche extravertierte
Logik verfolgt,
gleichzeitig aber von Endogenität und Beteiligung des Volkes redet.
Beim Gipfeltreffen von Dakar von 15. bis 17. April 2002, zu dem im Rahmen
dieser
Partnerschaft Hunderte internationale Investoren zusammentrafen, wurde
dem privaten afrikanischen Sektor nicht der Platz eingeräumt, den
er verdient. Eine Zeitung
berichtet: Das Durchführungskomitee des NEPAD wollte in erster
Linie die nordamerikanischen
und asiatischen Investoren anhören, die auf dem afrikanischen
Kontinent wenig bis gar nicht vertreten sind. Im gleichen Zeitungsbericht
ist noch
zu lesen, dass die asiatischen Firmenchefs den afrikanischen Kontinent
mit der Titanic
vergleichen und den NEPAD, das Lieblingskind von Kapitän
Abdoulaye Wade
(seit 2000 Staatspräsident der Republik Senegal), mit einem Rettungsboot.
Unsere
Politiker, die große Pläne haben und sie rasch in die Tat umsetzen
wollen, hofieren
Geschäftsleute, die keine Gewissensbisse oder Skrupel kennen und
sich ihnen gegenüber
noch dazu verächtlich und herablassend verhalten. Die afrikanischen
Politiker
müssten lernen, sich auf ihre eigenen Kräfte zu verlassen, denn
die Geschichte der
Technologien geht Hand in Hand mit der Eroberung und der Beherrschung
der Welt
durch den Westen.
Die International Telecommunication Union (ITU), die die treibende Kraft
des Weltgipfels
der Informationsgesellschaft (2003) ist, ist eines der Produkte dieser
Geschichte,
deren Etappen von Armand Mattelart in großen Zügen geschildert
werden. Er geht
dabei zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts (1860), in die Zeit,
als die Kommunikation
von Großbritannien in den Rang eines Trägers und Vermittlers
der Zivilisation
erhoben wurde. Eisenbahn, elektrischer Fernschreiber, Unterseekabel, die
neue
Verbindung zwischen den Ozeanen durch den Suezkanal und die Dampfschifffahrt
sollten die Welt zu einem riesigen Organismus machen, dessen
Teile alle solidarisch
sein sollten. Rund um diese ersten Kommunikationsnetze, dem materiellen
Ausdruck dieser neuen organischen Solidarität
einem positivistischen Konzept,
das sich vom alten Begriff der Solidarität als moralische Verpflichtung
deutlich unterscheidet
nimmt die erste internationale Organisation für die Regulierung
der grenzüberschreitenden
Nachrichtenströme Gestalt an. Die Internationale Telegrafenvereinigung
wurde nämlich bereits 1865 (das heißt 50 Jahre vor dem Völkerbund)
von
etwa 20 Ländern, vorwiegend europäischen, gegründet. Sie
ist damit die Vorläuferin
der International Telecommunication Union (ITU), die 1932 in Madrid gegründet
wurde.
Der Weltpostverein (UPU) geht auf das Jahr 1874 zurück und entstand
in Bern. Die
Post- und Telegrafengesellschaften wurden somit zu einem wichtigen Träger
und Medium
in den utopischen Reden über die segensreiche universalisierende
und friedensstiftende
Wirkung der Telekommunikationstechnologien.
Das ganze Gerede der afrikanischen Staaten und der ihrer Aufsicht unterliegenden
Institutionen über die Möglichkeiten, die Armut einzudämmen
und Entwicklungsetappen
zu überspringen, die sich aus den IKT ergeben, ist also nichts Neues.
Vor allem hat
diese Phrasendrescherei nichts zu tun mit den tatsächlichen Nöten,
mit den wirklichen
Menschen.
Die Globalisierung des Handels ist ganz einfach die neue Etappe in der
Internationalisierung
der Informationsnetze und -ströme, bei der die Vereinigten Staaten
von
Amerika die führende Rolle bei der Eroberung der Welt durch die Waffe
der Technologie
übernommen haben und dabei gleichzeitig die humanistischen
und pazifistischen
Ideale preisen.
Die Gewalt bleibt ein konstantes Merkmal in den Beziehungen zwischen Norden
und
Süden. Sie zeigt sich symbolisch (Vergewaltigung der Gedanken- und
Vorstellungswelt),
politisch (Einmischung in die Staatsangelegenheiten) und militärisch
(Afghanistan,
Palästina ...). Naiver, leichtgläubiger Optimismus und die Flucht
nach vorne
kommen vor allem den mächtigen Nordstaaten zugute, die weder die
Neue Internationale
Wirtschaftsordnung wollten noch die Neue Weltordnung für Information
und
Kommunikation, die sich die Länder der südlichen Halbkugel sehnlichst
wünschten.
Unsere Welt hätte ein anderes Gesicht erhalten, hätte auf gesünderen,
gerechteren
und solidarischeren Grundlagen funktioniert, wenn der Norden zu dem Zeitpunkt,
wo
Souveränität und Verhandeln noch einen Sinn hatten, den Willen
und die Fähigkeit
zum Zuhören und Hinhören gehabt hätte.
Leider ist es nicht so gekommen. Es stimmt, dass es in afrikanischen Städten
da und
dort Cybercafés gibt, die Tausenden Leuten den Zugang zum Internet
ermöglichen
und anderen wiederum, ihre Arbeitslosigkeit zu überstehen. Dies ist
aber kein Anlass
zu übertriebenem Optimismus, wenn man bedenkt, wie häufig gewisse
dieser Einrichtungen
Betriebsstörungen aufweisen, und wird in keiner Weise den Herausforderungen
eines Bewusstwerdungsprozess gerecht, den die AfrikanerInnen in Bezug
auf die
wirklich relevanten Fragen über Autonomie des Denkens, Produktion
und Verteilung
der Reichtümer durchleben.
Die Frage der Preise der Rohstoffe, die Mechanismen und Modalitäten
für die Finanzierung
der Entwicklung und der Eingliederung Afrikas in die Weltwirtschaft
und zwar
in seinem Tempo und seinen Interessen entsprechend , die in den
70er- und 80er-
Jahren an der Tagesordnung waren, sind immer noch aktuell, werden aber
ständig
an den Rand gedrängt und ausgeklammert. Die sich daraus ergebenden
Ungleichheiten
werden immer krasser.
Im Bericht des UNDP (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen) über
das Jahr
1999 steht zu lesen: Der Wohlstand in der Welt hat zugenommen. Das
Prokopfeinkommen
hat sich mehr als verdreifacht, das weltweite Bruttoinlandsprodukt hat
sich in den vergangenen fünfzig Jahren verzehnfacht und ist von 3000
auf 30.000
Milliarden Dollar angestiegen. Aber so setzt der Bericht
1999 fort es herrscht
überall Armut. Laut IPH1 (Indikator der menschlichen Armut) kommt
ein Viertel der
4,5 Milliarden Menschen, die in den Entwicklungsländern leben, noch
immer nicht in
den Genuss bestimmter wesentlicher Elemente: eine Lebenserwartung von
mehr als
40 Jahren, Bildungsmöglichkeiten (Zugang zum Wissen) und ein Minimum
an privaten
und öffentlichen Dienstleistungen.
Es steht außer Zweifel, dass Afrika seine Gegenwart in der Welt
demonstrieren und
zum Ausdruck bringen muss, indem es sich die IKT aneignet und sich ihrer
bedient.
Sehen wir aber zu, dass wir dabei nicht Schnelligkeit und Überstürztheit
verwechseln.
Trennen wir die wirtschaftlichen und finanziellen Interessen der G8-Staaten
und
der multinationalen Unternehmen von den wirtschaftlichen, sozialen und
politischen
Interessen der AfrikanerInnen.
Die Tatsache, dass die erste regionale Konferenz zur Vorbereitung des
Weltgipfels der
Informationsgesellschaft in Afrika stattgefunden hat, will nichts heißen,
außer dass die
Aussichten auf Rentabilität der Investitionen in Afrika besser sind
als anderswo, dass
unsere Politiker an ausländischen Investoren interessiert sind und
keine hohen Ansprüche
oder Anforderungen an sie stellen. Eine echte Beteiligung der Bürger
an diesem
Unternehmen würde eine andere Konfiguration der Beziehungen zwischen
bürgerlicher
Gesellschaft, Staatsorganen, Behörden und privatem Sektor erfordern.
Personen und
Organisationen, die von sich behaupten, zur bürgerlichen Gesellschaft
zu gehören,
müssen härter und konsequenter vorgehen und mehr Scharfblick
entwickeln. Sie dürfen
sich nicht dazu hergeben, als Bürge oder sogar als
Galionsfigur dafür zu dienen, dass
die Armenviertel und Dörfer Afrikas mit technischen Spielereien überschwemmt
werden, während es der Bevölkerung an Lebensmitteln, Schulen,
medizinischer
Versorgung, Wasserstellen und Arbeit fehlt.
Sind wir bereit, voll und ganz die Rolle der Gegenmacht zu spielen, die
uns am besten
zukommt, das heißt unser Recht zur Kontrolle über die Entscheidungen
und Praktiken
unser Politiker auszuüben, ohne uns von ihnen etwas vormachen oder
uns ablenken
zu lassen, noch uns von ihren Entwicklungspartnern als Mittel
zum Zweck benutzen
zu lassen?
Muss daran erinnert werden, dass die starke Zunahme der weltweiten Zivilgesellschaft,
deren Höhepunkte Port Alegre I und II waren, zum größten
Teil auf die besonnene,
wohlüberlegte Nutzung der IKT durch die Bürger zurückzuführen
ist? Sich der Waffe
der herrschenden Gruppe zu bedienen, um sie in die Enge zu treiben, ihr
Paroli zu
bieten und den Kampf um Würde und soziale Gerechtigkeit zu gewinnen
so sieht
der subversive Gebrauch aus, den wir von den IKT machen müssen.
Wir müssen uns immer wieder aufs Neue bewusst machen, dass wir Teil
der Welt
sind, dass wir zur Welt gehören und dass es zahlreiche Auswege gibt
aus der Sackgasse,
in der wir uns befinden. Unsere Befreiung muss zunächst in unseren
Köpfen
beginnen und sich dann in unseren Entscheidungen und Praktiken fortsetzen.
Die Frage,
ob wir an der kapitalistischen Globalisierung teilnehmen sollen oder nicht
worüber
sich unsere Politiker Sorgen machen , wird dann zu einer sinnlosen
Debatte und zu
einem Kampf auf verlorenem Posten. Unser Credo sollte sein: Würdig
leben, indem
wir miteinander und mit anderen kommunizieren können und indem wir
die Energien
und Talente mobilisieren, die zwar die IKT für ihre Umsetzung brauchen,
noch mehr
aber auf Anerkennung angewiesen sind. Die Kooperation soll durch gegenseitige
Anerkennung
und Respekt geprägt sein und vor allem durch gemeinsame Verantwortlichkeit,
die Mitverantwortung aller. Die Fähigkeit und das Potenzial, die
Umgestaltung des
afrikanischen Kontinents im obigen Sinne neu orientieren zu können,
liegt in der Muttererde
der Kultur. Die Beziehung zwischen den IKT und der Kultur beschränkt
sich daher
nicht nur auf den Transfer von Technologien oder auf die Sichtbarkeit,
die sie kreativen
Talenten garantieren können, auch wenn diese Dinge wichtig sind.
Das Vertrauen in uns selbst und in unsere Fähigkeiten muss seinen
Ausdruck in der
Art und Weise finden, wie wir investieren, wie wir selbst die afrikanischen
Erfinder
und Wirtschaftsunternehmer unterstützen und ihnen den Vorzug geben,
wie wir ihre
Werke und Produkte fördern und bewerben und indem wir beginnen, sie
zunächst
einmal selbst zu konsumieren.
Sobald wir beginnen, in dieser Perspektive zu denken und zu leben und
in uns das
Gefühl entwickeln und pflegen, dass wir niemanden einholen oder aufholen
müssen,
sondern dass wir es uns schuldig sind, wir selbst zu sein, werden wir
aufhören, von
den anderen als eine Last empfunden zu werden und werden Lösungen
zur Abhilfe
unserer eigenen Nöte finden.
Und unter diesem Blickwinkel, in dieser Perspektive meint das Forum, dass
eine andere
Welt möglich ist und auch ein anderes Afrika und ein anderes Mali.
Aus dem Französischen von Ernestine Leberbauer
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