Die soziale, ethnische und kulturelle Verschiedenheit ist nicht nur soziale
Realität. Sie
ist auch und dies immer mehr ein politisches Thema. Unsere
Gesellschaften sind
längst polyethnisch, und der Weg zurück in ohnehin fragwürdige
homogene nationale
Gemeinschaften wie sie in den Programmen rechtspopulistischer
Parteien formuliert
wird ist Illusion. In den polytethnischen Gesellschaften ist die
Verschiedenheit
selbst mit den restriktivsten Einwanderungsgesetzen nicht mehr aufzulösen.
Um dem Konfliktpotenzial und den Auseinandersetzungen in einer multiethnischen
Gesellschaft entgegenzuwirken, genügt es längst nicht mehr,
gegen Rassismus zu
sein. Vor allem im Medienbereich geht es darum, die Rahmenbedingungen
und Voraussetzungen
für eine multiethnische Medienlandschaft zu schaffen. Charles Husband
weist darauf hin, dass in der Vergangenheit von PraktikerInnen und AkademikerInnen
der Eliminierung des Rassismus weit mehr Aufmerksamkeit geschenkt
wurde
als etwa der Konzipierung und dem Aufbau einer polyethnischen Medienlandschaft.
Radio FRO (eine freie, nicht kommerzielle Radiostation in Oberösterreich)
versteht sich
als Modell für eine polyethnische Medienlandschaft: Raum für
einen offenen und in
seiner Reflexion vielfältigen und breit gestreuten Diskurs. Ein offener
Raum der Selbstformulierung
und autonomen Mediennutzung: Die Palette an diversifizierenden und
widersprechenden Meinungen ist umfangreich und steht im deutlichen Kontrast
zu
den paternalistischen und zaghaften Bemühungen der Mehrheitsmedien,
deren reduziertes
Informations- und Kommunikationsangebot gerade für sprachliche und
kulturelle
Minderheiten viel zu weitmaschig gestrickt ist, um die Unterschiede innerhalb
den Sphären sichtbar zu machen. Beispielsweise verfügt FRO gegenwärtig
allein über
sieben inhaltlich unterschiedliche Sendungen in türkischer bzw. kurdischer
Sprache.
Mit dem Leitgedanken Anstiftung zur Initiative der
seine Wurzeln im künstlerischen
und medienpolitischen Anspruch der Stadtwerkstatt hat folgt Radio
FRO im Unterschied
zu den herkömmlichen Konsumptionsmedien einem Ansatz, der auch innerhalb
der Freien Medienszene nicht unumstritten ist. Auseinandersetzung und
Konflikte
um Haltungen und Positionen werden nicht abgeschwächt oder verhindert.
Der Andere
ist von Anfang an Teil des Diskurses, der von den verschiedenen Gruppierungen
oder
Einzelpersonen den Teilöffentlichkeiten
getragen wird.
Tragen Mehrheitsmedien im Sinne einer gutmütigen Akzeptanztendenziell zu einem
homogenen Bild des Anderen bei, geht es darum, die Erfahrungen
und Interessen
der ethnischen Minderheit auch in ihrer vielfach unter den Tisch gekehrten
Verschiedenheit
zu repräsentieren. Eine Offenheit und Diversität, die letztlich
auch innerhalb
der Sphäre Konfliktpotenzial birgt und Feindseligkeiten zwischen
den Gruppierungen
entfachen kann. Nicht nur die existierenden Mehrheitsmedien sind potenzielle
Sprachrohre
für rassistische und politische Hetze. Eine bestimmte ethnische
Identität zu
besitzen, sei es die der Mehrheit oder die einer Minderheit, ist keine
Garantie für Tugend.
Schließlich sind mit Migration und Globalisierung die Grenzen zunehmend
auch für politische,
ethnische und kulturelle Konflikte durchlässig geworden, die unter
Umständen
weit außerhalb des konkreten regionalen Umfeldes angesiedelt sind
oder weit darüber
hinaus gehen eine Entwicklung, die mit dem 11. September ihren
vorläufigen
Höhepunkt erreicht hat. Im Zuge des Anschlages auf das WTC ist die
Problematik von
Multiethnizität und Migration mit dem Phänomen des Terrorismus
bedenklich verquickt
worden. Insbesondere muslimische Ausländervereine und Moscheen sind
mit dem Vorwurf
konfrontiert, extremistischen Terrororganisationen in die Hände zu
arbeiten. Die österreichische
Staatspolizei etwa hat kurz nach den Attentaten in einigen Vereinen eine
Radikalisierung in der politischen Auseinandersetzung festgestellt und
die Überwachungen
verstärkt.
Medien tragen eine entscheidende Verantwortung für das Zusammenleben
(nicht nur)
in transnationalen Kontexten. Radio FRO ist sich dieser Verantwortung
und der Notwendigkeit
eines sensiblen Umgang mit ethnischer und kultureller Diversität
bewusst. Mit
dem Hintergrund der Thesen von Husband bedingt eine funktionierende polyethnische
Medienlandschaft einerseits die Förderung des Dialogs über die
ethnischen Grenzen
hinweg und damit den Aufbau von Schnittstellen an den Grenzen der unterschiedlichen
Teilöffentlichkeiten. Zum anderen geht es um einen Dialog innerhalb
der ethnischen
Gemeinschaften und damit der Reflektion der vorhandenen internen Diversität.
Der Beitrag von Radio FRO zum Festival Ars Electronica 2002 ist eine Analyse
der
Thematik mit seinen wissenschaftlichen und politischen Kontexten. ExpertInnen
aus
Wissenschaft, Politik und Praxis diskutieren die Rolle polyethnischer
Medien in den
heutigen Gesellschaften, ihre notwendigen Rahmenbedingungen und ihr Beitrag
für
Integration und Verständnis.
Die Chancen, Strukturen, aber auch Konfliktlinien zeigen die Ergebnisse
einer
Forschungsarbeit über das fremdsprachigen Programm auf Radio FRO,
die im Rahmen
der Ars Electronica erstmals vorgestellt werden. Der Beitrag von Radio
FRO beleuchtet
das Feld der Anderen in der Mikrokultur von Linz bzw. im Kontext
des Konzeptes
einer polyethnischen Medienlandschaft. Vor allem die Darstellung der gegenwärtigen
politischen Brisanz der Thematik ist ein Anliegen. Auf europäischer
Ebene ist eine
Verschärfung der Einwanderungs- und Asylpolitik zu beobachten. Integrationsmaßnahmen
werden zunehmend zu Zwangsmaßnahmen Stichwort Sprachkurse
für AusländerInnen.
Neben regionalen und nationalen politischen Debatten und Ansätzen
rückt
vermehrt die internationale und europäische Dimension der Thematik
in den Vordergrund.
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