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Barbara Lippe: u19 Jury Member

Du bist Game-Designerin. Wie bist du dazu gekommen?

Lippe: Ich bin eigentlich keine Game-Designerin an sich. Ich spiele nur gerne und ich designe gerne.

Ich habe MultiMediaArt an der Fachhochschule in Salzburg studiert und schreibe jetzt meine Doktorarbeit in Kommunikationswissenschaften an der Universität für angewandte Künste in Wien. Nebenbei mache ich so allerlei Dinge: von Freelance-Design-Works über die Organisation von Konzerten oder selber mit einer Tanz-Perfomance auftreten. Gerade eben war ich mit einer abgefahrenen Show in Tokyo.

Das, was ich designe, sind Characters. Also gezeichnete (virtuelle) 'Lebenwesen', Figuren, die allem etwas Seele einhauchen und den Menschen ein Schmunzeln ins Gesicht zaubern sollen. Characters werden für alles gebraucht: ob es sich um ein Logo handelt, das langweilige Unternehmen etwas persönlicher machen soll, oder um ein Maskottchen, das unangenehme Dinge etwas liebenswürdiger macht, als persönliche Betreuer, als Spielzeug, auf T-Shirts, als Helden in Zeichentrickepisoden oder Comics, als Popstars und eben auch als Protagonisten in interaktiven Filmen = Computerspielen.

Du hast voriges Jahr ein paar Monate bei einer japanischen Game-Firma, bei FuriFuri , gearbeitet. Was waren die nachhaltigsten Eindrücke? Arbeiten die Japaner ganz anders als wir hier im Westen?

Lippe: Ich war sechs Monate lang Designerin bei FuriFuri Co. in Tokyo und habe dort an vielen verschiedenen Projekten mitgearbeitet und die verschiedensten Aufgaben bekommen. FuriFuri ist neben einer Konzeptions- und Produktionsstätte für Online-Lösungen und Videos vor allem eine Character-Schmiede, die im Kopf kreierte Figuren für alle Medien und alle Situationen erschafft. FuriFuri ist auch ein VJ-Team und veranstaltet ebenfalls Club-Events.

Was mich am meisten beeindruckt hat, ist die unbändige Begeisterung der Japaner für Characters. Überall werden erfundene Figuren gebraucht, für alles und jeden. Außerhalb Japans könnte sich eine spezialisierte Character-Schmiede wie FuriFuri wahrscheinlich schwer halten (was ich sehr schade finde). Dies zeigt, was für ein geringer Stellenwert den virtuellen Zeitgenossen im Westen eingeräumt wird. Bei uns werden gezeichnete Charaktere als Kinderkram abgetan.

Natürlich ist die Arbeitsmoral in Japan anders als die im Westen, doch wie überall auf der Welt sehen Designer in der Nacht eher ihren Computer als ihr Bett. Die persönliche Bindung zur Firma ist in Japan bekannterweise auch viel stärker als bei uns.

In Japan haben Games ja ein völlig anderen Stellenwert als bei uns. Wie siehst du die Einstellung der Japaner dazu? Müssen wir im Westen da aufholen?

Lippe: Games, Anime und Manga sind in der japanischen Kultur fest und universal verankert. Das heißt, diese Medien existieren als vollwertige Informations- und Unterhaltungsträger. Ihren Stellenwert haben sie wohl auch des Geldes wegen, das mit ihnen gemacht wird. Manchmal mit aller Liebe zum Detail, doch meistens mit effizienter Professionalität wird daran gegangen, das digitale, multimediale Gesamtkunstwerk 'Computerspiel' zu erschaffen: Vom filmartigen Drehbuch, über den auskomponierten Musicscore, mit meistens von berühmten Schauspielern oder Sängern vertonten Textpassagen und atemberaubenden Graphics, Backgrounds und Spezialeffekten, die den ausgeklügelten Charakteren im Spiel als Erlebniswelt dienen.

Videospielhardware gibt's wohl in fast jedem Wohnzimmer der Megametropole Tokyo. Die Amusement-Centers (Gamehallen) sind in den Vergnügungsvierteln sehr zahlreich und Computer spielen wird dort zum sozialen Event, das in Gruppen oder als Pärchen genossen wird. Computerspielen bedeutet in Japan auch oft ganzkörperliche Involviertheit, denn man kann mit dem Computer auch Tischtennisspielen, Samba tanzen, angeln oder singen und scratchen.

Im Westen wäre solch eine allgemeine Gegenwärtigkeit von elektronischer Unterhaltung (noch) nicht denkbar. Es liegt nicht in meiner Kompetenz zu entscheiden ob wir hier aufholen müssten. Ich sehe jedoch nichts Negatives an der japanischen Ausformungen der Freizeitgestaltung mit elektronischem Spielzeug (Roboter, Games und Karaoke).

Das Einzige, das zu Problemen führen kann, ist die Flucht vor der Realität in virtuelle Gefilde, wenn es z. B. jemanden schwer fällt, soziale Kontakte mit Menschen aufzubauen und sich darum nur mit rein virtuellen Wesen beschäftigt (Tamagochi, virtuelle Girlfriends).

Voriges Jahr warst du bei Electrolobby dabei. Was war das für ein Erlebnis für dich?

Lippe: Es war eines der für mich am wichtigsten und eindrucksvollsten Ereignisse, die ich bis jetzt miterleben durfte. Die hautnahe Kooperation so vieler Kreativer aus so vielen verschiedenen Ländern brachte nicht unglaublich viel kreativen Input sondern auch unglaublich viel Spaß. Die Electrolobby hat mir gezeigt, dass die junge, digitale und 'verspielte' Generation eine gute, offene und tolerante ist.

Was erwartest du dir von den Einreichungen bei u19? Welche Qualitäten muss eine Arbeit aufweisen, damit du sie einer Goldenen Nica würdig finden kannst?

Lippe: Ich habe keine konkreten, vorgefertigten Erwartungen, sondern lasse mich völlig überraschen. Ich bin schon sehr gespannt und freue mich auf die kreativen Höchstleistungen, die mich erwarten werden. Das wichtigste Qualitätsmerkmal, das eine Arbeit für mich aufzuweisen hat, ist das Herz das in ihr steckt ... nicht das Hirn.




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