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Which Africa?

Für Bono, den Sänger der Pop-Band U2, ist Ghana 'the Birthplace of Cool'. So wurde Bono kürzlich in der New York Times zitiert, und zwar in der Rubrik „Internationale Politik“ und nicht unter „Unterhaltung“. (1) Denn Bono war – die Kombination alleine ist Überraschung genug – mit dem amerikanischen Schatzkanzler Paul H. O'Neill nahezu zwei Wochen lang auf 'Fact Finding Mission' quer durch Afrika gereist, um aktuelle Entwicklungs- und Entwicklungshilfeprobleme zu erkunden, und beiden war es wichtig, dies nicht als PR-Tour, sondern als ein Stück praktischer Politik zu präsentieren.

'I am not a cheap date', sagte der Pop-Musiker mit Blick auf das Regierungsmitglied O’Neill, der wiederum klar machte, dass seine Teilnahme an der Reise keineswegs auf eine billige Charmeoffensive der Administration unter Präsident Bush abzielte: 'The results of official development assistance have been disappointing, and many poor countries here have stayed that way, even as others have excelled'.

Der Konsens, der den Musiker und den Politiker verband, waren die nüchterne Einsicht, dass Jahrzehnte konventioneller Entwicklungshilfe, aber auch gutmeinender Solidarität nichts daran geändert haben, dass die Staaten Afrikas weitgehend abgekoppelt sind von der breiten Anhebung von Lebensstandards in vielen anderen Teilen der Welt. Übereinstimmung aber gab es auch darin, dass zugleich insbesondere die urbanen Zentren Afrikas längst eingewoben sind in den globalen Austausch von Menschen, Gütern und, ganz besonders, von Kultur.

Deshalb, so die New York Times, brauche es Aufmerksamkeit für ein Land wie Ghana, 'a country so vibrant with its own metaphorical jazz that the right dose of aid and investment could secure it a place in the global economy'.

Kultureller Austausch insbesondere mit den Metropolen Afrikas, so scheint es, ist zur Zeit allgegenwärtig.

Das neue Album von Salif Keita wird in Paris ganz selbstverständlich unter die wichtigsten musikalischen Neuerscheinungen gereiht. Die Documenta11 in Kassel hatte zur intellektuellen Vorbereitung ein hochrangig besetztes Symposion in Lagos abgehalten. Ein Afrika-Festival im konservativen bayrischen Würzburg lockte im Frühjahr weit über 100.000 Besucher an. In London steht im Juli ein zehnstündiges afrikanisches Musikfest am Programm, mit allen Stars, die Rang und Namen haben.

Tatsächlich bemerkenswert ist jedoch weniger die Dichte der Ereignisse, sondern eine Veränderung der Perspektiven. Kultur wird nicht nur aus Afrika nach Europa – und Amerika – exportiert. Aufmerksamkeit findet mitunter auch, welche Kultur in Afrika für ein afrikanisches Publikum geschaffen wird. Oder anders herum betrachtet: Die Globalisierung von Kultur hat auch zur Folge, dass Los Angeles, Dakar, Paris – und mit UNPLUGGED zur Ars Electronica 2002 auch Linz – auf einer Landkarte mit direkten Verbindungslinien zu finden sind.

Die ganze vertrackte Geschichte lässt sich am einfachsten am Beispiel einer Hiphop-Band erklären. Schafft es ein Rapper aus Dakar im Senegal oder aus Mali, dass seine Platten auch in Europa verkauft werden, gerät sie dort auch noch ins falsche Regal – in die Abteilung „Afrika“, nicht in jene für Hiphop.

Keiner nimmt Bands wie Pee Froiss, BMG44 oder Magic System als Hiphopper oder als Rapper war. „Wir werden ungefragt in die Rolle des Afrikaners gedrängt!“ (Rapper Xuman aus Senegal). Tatsächlich aber gibt es zur Zeit weltweit wenige Orte mit reicherer und lebendigerer Pop-Musik-Kultur als die Metropolen Westafrikas.

67 Prozent aller Afrikaner leben in Städten wie Abidjan, Bamako oder eben Dakar. Die urbane Jugendkultur in diesen scheinbar entlegenen Metropolen ist ästhetisch und kulturell angeschlossen an die globalen Netze und Verbindungslinien aktueller Musik. Und auch umgekehrt erreichen Hits, die von hier ihren Ausgang nehmen, ein Millionenpublikum. Der Song 1er Gaou von Magic System erzielte 1999 Millionenauflagen auf Kassette, nicht nur in Westafrika, sondern auch in London und Paris. Allerdings, auch dort zirkuliert diese Musik jedoch meist nur in den – weiten – Zirkeln ausgewanderter Afrikaner. Die urbane Kultur Afrikas ist nicht kompatibel mit der europäischen Romantik einer 'authentischen' Weltmusik aus den Dörfern der Dritten Welt.

Unplugged Urban Africa stellt beim Ars Electronica Festival mehrere Musiker aus diesem Kontext vor – senegalesischen Hiphop, Zouglou aus Abidjan in Côte d'Ivoire, aber auch Elektropop mit Techno Issa aus Mali und Kwaito, die in den neunziger Jahren in Südafrika entstandene Club-Mischung aus House, HipHop, Ragga und traditionellen populären Townshiprhythmen.

Einerseits ist Afrika in weiten Teilen einer der letzten weißen Flecken auf der Landkarte von Internet und Telekommunikation. Der gesamte Kontinent zählt nur schmale – und zumeist überaus langsame – 1,5 Millionen Internet-Verbindungen für Einzelpersonen, von denen sich fast die Hälfte in Südafrika konzentrieren; 300.000 gehen auf Nordafrika, und somit fallen ganze 350.000 auf die 49 Staaten dazwischen.

Dennoch gibt es in den größeren Städten neuerdings überall Internet-Cafés. Auf jeden einzelnen Anschluss kommen oft Dutzende von Nutzern. Der Nachrichtenfluss, den die neuen Kommunikationsmedien in Gang gesetzt haben, ist mächtig genug, um zumindest die Jugend in den Städten kulturell einzubinden ins große Netz.

„Urban Africa“, das sind beispielhafte Momente zwischen „plugged“ und „unplugged“ im globalen Wechselspiel der Kulturen.

Anmerkung
(1) Richard W. Stevenson: Stars of Rock and Heavy Policy Seek Answers to Africa's Poverty. In: New York Times May 22, 2002. back to top




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