pressrelease




Ars Electronica 98
Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft
Veranstalter:
Ars Electronica Center Linz und ORF Landesstudio Oberösterreich
Mitveranstalter:
Brucknerhaus Linz, O.K - Centrum für Gegenwartskunst, Posthof Linz

Pressemitteilung:
20.08.1998

Presse-Information zum Buch der Ars Electronica 98
INFOWAR - information. macht. krieg


Unter dem Kürzel InfoWar werden einerseits die verschiedenen Kategorien eines elektronisch gestützten und im sogenannten elektronischen/digitalen Raum (der Kommunikation und Information) führbarer Kriege zusammengefaßt: Krieg, Inbegriff von Gewalt und Vernichtung, mutiert - in der Vorstellung der Protagonisten und Propagandisten - zur diskreten Aktion im Cyberspace und in der Infosphäre. In diesem "unsichtbaren Raum" würde der Informationskrieg "formlos und unblutig" (Shen Weiguang; siehe seinen Beitrag im vorliegenden Buch) geführt werden. Andererseits ist der Bedeutungskanon von InfoWar längst nicht mehr rein militärischer Natur. Er umfaßt die Bemühungen des Staates um Überwachung seiner Bürger ebenso wie die Strategien zur Erringung wirtschaftlicher und ideologischer Hegemonie und den Kampf (etwa der Hacker) gegen das Entstehen "neuer Mauern" an der Wissensfront. Eines ist diesen Operationsgebieten gleich, die Anwendung der selben Mittel auf Basis der selben Infrastruktur.

Informations- oder informationeller Krieg als Gegenstand der Auseinandersetzung der Ars Electronica 98 INFOWAR - information.macht.krieg umfaßt daher nicht nur die verschiedenen Aspekte der militärischen Revolution, es eignet ihm gewissermaßen auch eine prismatische Funktion. Im Licht von InfoWar treten insbesondere die gesellschaftlichen Implikationen der informatischen Revolution deutlich hervor. Diese Eignung war auch für die Konzeption des vorliegenden Buches bestimmend, die es nunmehr als singuläre Erscheinung innerhalb der dem Thema gewidmeten publizistischen Aktivitäten ausweist.

Presse-Information der Ars Electronica 98 Information.Macht.Krieg

Die um neun Beiträge erweiterte Anthologie der Vorträge beim Symposium der Ars Electronica 98, ist die europaweit erste Publikation, die dem Thema in seiner gesamten Komplexität Rechnung trägt. Sie gibt einen Einblick in das Spektrum neuer Konfliktsituationen und -potentiale, Feindbilder und Bedrohungsszenarien und bietet weiters eine Erläuterung der Begriffe und Theorien. Für die Zusammenstellung der Beiträge war nicht zuletzt das Anliegen entscheidend, die globale Dimension dieser Entwicklung durch Experten aus verschiedenen Kulturen und Nationen - Europa, USA, China, Russland, Nepal - aber auch durch Protagonisten des zivilen Bereichs - Hacker, Cypherpunks - und Vertreter der Kunst- und Wissenschaftsszene widerzuspiegeln.

Der Bogen spannt sich von dem für die InfoWar-Literatur grundlegenden Text von John Arquilla und David Ronfeldt, Der Cyberkrieg kommt!, der bereits Manifest-Charakter hat, über die Darlegung der aus Kultur und Geschichte erklärten Positionen Chinas durch Shen Weiguang (Der Informationskrieg - eine neue Herausforderung), die Betrachtungen des russischen Militärtheoretikers Igor Nikolaewitsch Panarin über den info-psychologischen Kampf um die Vormachtstellung in der globalen Infosphäre am Beispiel USA/UdSSR (InfoWar und Autorität), und Michael Wilsons Auseinandersetzung mit nachrichtendienstlichen Aspekten unter Zugrundelegung der Spieltheorie (Nationale Sicherheit und infrastrukturelle Kriegsführung) bis hin zur kritischen Zusammenfassung durch Georg Schöfbänker, der die diversen Konzepte auch im Licht einer selbsterfüllenden Prophezeiung erhellt (Von PLATO zur NATO).

Neben der umfassenden Aufarbeitung dieser von den USA ausgehenden militärischen Revolution durch ihre Theoretiker und Kritiker versammelt die Publikation auch Perspektiven namhafter Autoren auf die Themenverwandtschaft des InfoWar - abseits einschlägiger militärischer Planungsbereiche.

Manuel DeLanda beschreibt in Wirtschaft, Computer und die Kriegsmaschine die langsame Militarisierung der Zivilgesellschaft als Phänomen einer seit dem 16. Jahrhundert wirksamen Dynamik komplexer "institutioneller Ökologien". Dabei ortet DeLanda die heute maßgeblichen Effekte weniger in der Entwicklungsgeschichte der Technologien selbst als im Einfluß der für diese Technologien wie für das Militär bezeichnenden Befehlsstruktur auf Produktions- und Managementmethoden.

In Norn Attacks und Marine Doom erörtert Birgit Richard angesichts künstlichen Lebens im Rechner die Rolle des Todes in einer binären Welt und sein Verhältnis zum realen Tod. Angelpunkt ihrer Betrachtungen ist der militärische Einsatz für Computerspiele geschaffener Kreaturen und Szenarien anhand der Spiele "Creatures", dessen lernfähige Spezies, die Norns, zu Piloten des Eurofighters ausgebildet werden, und Marine Doom, das in der Ausbildung von "social skills" Anwendung findet. Richard illustriert, "daß der Prozeß der Simulation in der Form von Realitäts-Modellen zweiseitig wird. Die im Spiel verdichteten Modelle werden nun in das reale Leben zurückprojiziert und beeinflussen reale Organisationsformen".

Douglas Rushkoff analysiert in seinem Text Zwangsausübung und Gegenmaßnahmen die Dynamik zwischen Jugendkultur, die sich im Widerstand gegen jegliche Zugehörigkeit begreift, Werbung und Zielgruppenmarketing, das im Bestreben, neue kulturelle Entwicklungen auszuforschen und zu vereinnahmen, mit "kriegsähnlicher Präzision und Feindseligkeit ihre neuen Zielgruppen, "targets", anvisiert. Rushkoff verbindet diese Analyse mit einem Plädoyer für Interaktion und Kommunikation, die er als Motor des Wandels den Bewahrern des Status Quo und einem apparativen Tod durch Stillstand entgegen hält.

Kunda Dixit (Star Wars) propagiert gegen das Credo der Neutralität in der Berichterstattung durch das globale Fernsehen einen Paradigmenwechsel hin zu einer "journalistischen Betroffenheit". Neutrale Berichterstattung komme "einer Kastration der Reporter gleich, die nicht mehr zwischen Richtig und Falsch unterscheiden können". In Verbindung mit medialer Vernachlässigung zugunsten der voyeuristischen Dimension von Ereignissen stelle sich Objektivität in den Dienst "der Institutionen, die die Gesellschaft beherrschen".

Ute Bernhardt (Das Imperium schlägt zurück) widmet ihre Betrachtungen den Folgen von Information Warfare für die Informationstechnik und deren Einsatz am Beispiel der Kryptographie (Verschlüsselungsmethoden). Kryptierverfahren sind die Grundlage für digitale Authentisierung und Verbindlichkeit; sie sind zugleich Gegenstand eines aus der Konkurrenz ziviler und militärischer Interessen erwachsenden Mißtrauens gegenüber staatlich geförderten Sicherheitsstandards. Bernhardt erläutert dies etwa am Beispiel der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Militärs, die in Verfremdung der ursprünglichen Hackerethik in die Rechner von Bundesbehörden eindringen, Sicherheitslücken demonstrieren und so militärische Lösungskonzepte zu etablieren versuchen. Angesicht solcher suspekten Maßnahmen zur Eroberung des Terrains, das als neuer Kriegsschauplatz verstanden wird, stellt die Autorin die Frage nach den zivilen Anforderungen für Bewertungskriterien von IT-Sicherheit und ihrer Bedeutung im Alltag.

Patrice Riemens (Don't Panic! Hack it!) skizziert die Ideale und das Programm jener Aktivisten, die in den militärischen InfoWar-Szenarien als eine der ersten Gegner imaginiert werden, der Hacker. Deren häufig katastrophales Image in der Öffentlichkeit wird im Hinblick auf die Funktion eines Korrektives berichtigt, das sich vor dem Hintergrund geschlossener Wissens- und Kontrollsysteme legitimiert - Systeme, die sich dem Zugriff und der Überprüfung durch demokratisch konstituierte Einrichtungen oder Privatpersonen entziehen.

Die Selbstorganisierende Evolution auf Finanzmärkten und anderen Gebieten behandelt. Doyne Farmer unter dem Gesichtpunkt des Kampfes um Informationskontrolle und der Verstärkung dieser Entwicklung hin zu immer größerer Komplexität durch einen unaufhaltsamen Prozeß der Selbstorganisation. Seine Ausführungen zu wettbewerbsorientierten Funktionszusammenhängen basieren auf der These, daß selbstorganisierende Evolution ein allgegenwärtiges Phänomen darstellt, "das sich weit über die Biologie hinaus erstreckt, spontan auftaucht und, sobald ein geeignetes Medium [etwa Handel oder Internet] vorhanden ist, komplexe Strukturen erzeugt". Farmer führt aus, wie der Komplexitätsgrad den Trend fördert, Computer "eigene" transaktionsrelevante Entscheidungen treffen zu lassen - einen Trend, geeignet, dem "Informationskrieg" in nächster Zukunft eine zusätzliche Dimension zu verleihen.

Dies sind nur einige Beispiele für Abhandlungen in diesem Buch, in deren Licht InfoWar als universelles Phänomen der Informationsgesellschaft erscheint. Die Themen, denen sich die Autoren darin zuwenden, sind zugleich Anschauungsbeispiele für den hohen Realitätsgrad, den die Informationsgesellschaft abseits aller Theoretisierung (und Futurisierung) bereits erreicht hat.

    Information.Macht.Krieg (Deutsche Ausgabe)
    Herausgeber: Gerfried Stocker, Christine Schöpf
    Springer Wien/New York, ISBN 3-211-83192-4
    320,- ATS (Festivalpreis)
    398,- ATS (Buchhandelspreis)

    InfoWar (Englische Ausgabe)
    Editors: Gerfried Stocker, Christine Schöpf
    Springer Vienna/New York, ISBN 3-211-83191-6
    320,- ATS (Festivalpreis)
    398,- ATS (Buchhandelspreis)

    Weiters erscheint der Festival-Katalog zur Ars Electronica 98 und die Publikation zum Prix Ars Electronica 98.

    Ars Electronica 98
    INFOWAR - information.macht.krieg

    Springer Wien/New York, ISBN 3-211-83134-7
    320,- ATS (Festivalpreis)
    420,- ATS (Buchhandelspreis)

    Cyberarts 98
    International Compendium Prix Ars Electronica

    Springer Wien/New York, ISBN 3-211-83135-5
    420,- ATS

    Die Publikationen sind ab 7. September 1998 im Buchhandel erhältlich.



Presseinformation:


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