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UNPLUGGED: Outside the Global Net?

Ein Update von Rüdiger Wischenbart

Die Themenstellung der Ars Electronica 2002, UNPLUGGED, setzt an einem widersprüchlichen Befund an: Einerseits, heißt es in der Erklärung zu UNPLUGGED gebe es die 'Faktizität einer global vernetzten Welt', doch andererseits heißt es fast im selben Atemzug: 'UNPLUGGED widmet sich den blinden Flecken der Globalisierung.'

Die aufs erste simple Frage lautet: Gibt es, wenn alles vernetzt ist, ein 'Draußen', gibt es Räume jenseits der Vernetzung? Oder gibt es nur Grade unterschiedlicher Nähe, unterschiedlicher Zugehörigkeit und Erreichbarkeit?

Es geht dabei nicht um logische Tüfteleien, sondern mehr um einen politischen, soziologischen Befund, um eine Fragestellung, die rasch ins Innere der Traditionen reicht, aus denen das Internet und die Kultur aller heutigen Netze entstanden sind. Dazu einige Stichworte.

Geschichte und Ursprünge

Am Beginn des Internet stand bekanntlich die Entwicklung eines militärischen Kommunikationsnetzes unter dem Kürzel 'Arpanet'. Bereits ganz am Beginn stand dabei der Versuch, Computer nicht nur als 'Arithmetic Engine', sondern als 'Communication Device' (J.C.R. Licklider), und die damit befasste Gruppe der involvierten Forscher war als 'Intergalactic Network' bekannt. (1) Pointierter lässt sich kaum beschreiben, dass der Anspruch auf allumfassende Kommunikation ausgerichtet war und entsprechend auch in einem grundlegenden, gültigen Übertragungsprotokoll, TCP/IP, auch technologisch dem ganzen Unternehmen zugrundegelegt wurde.

Der militärische Auftrag und Charakter des Projektes aber legte ebenso klar fest, dass nicht alle Inhalte, die auf diesem Netzwerk übermittelt werden sollten, auch für alle Teilnehmer einsehbar sein sollte – was den Grundstein legte für die Liebe zu Verschwörungstheorien als integralem Bestandteil der Internet Kultur.

Metaphern

Ganz ähnlich die Metaphorik der aus der kalifornischen Hippie-Kultur heraus entstandenen privaten Communities, die sich als erste das Internet zu eigen machten um 1985 einen 'Whole Earth Catalogue' und eine 'Whole Earth Review' zu erstellen, eine Electronic Frontier Foundation gründeten, um die Eingrenzungen der Militärs zu unterlaufen, und die bis heute ihre Kultur der offenen Begegnung als Kernwert des Internet aufrecht erhalten, etwa in der Community 'The Well': 'The WELL is a cluster of electronic villages on the Internet, inhabited by people from from all over the world.' (2)

'The Well' – gleich dem Brunnen und Lagerplatz einer Oase inmitten einer lebensbedrohenden Wüste – spielt wiederum, wie auch der Begriff der 'Electronic Villages' mit dem Bild des begrenzten Lebensraumes, und ironischerweise gehört die Community von 'The Well' heute zum chicsten intellektuellsten Dorfplatz, den das Internet bislang hervorgebracht hat, www.salon.com - wiederum einem virtuellen Ort, der mit dem Gegensatz zwischen geistiger Weite ohne Grenzen an einem kleinen, abgegrenzten Ort, eben einem Salon, einem Wohnzimmer, spielt.

Semantische Struktur

Vor ziemlich genau zehn Jahren, im Wahlkampf zu Bill Clintons erster Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, machte sein Vize Al Gore den Begriff vom 'Information Superhighway' und damit das zugrunde liegende Konzept des Internet populär.

Seither begleiten uns nicht nur Statistiken vom exponentialen Wachstum des Netzes und der Zahl seiner Benutzer. Die spannendere, weil auf die Qualitäten abzielende Facette aber ist jene der Erschließung der über das Netz verfügbaren Inhalte.

Denn was am Netz vorhanden ist, lässt sich nicht notwendigerweise auch auffinden. So gehört der vorläufige Siegeszug der Suchmaschine Google zu den überraschendsten Geschichten der vergangenen Jahre. Gegründet 1998, als das Internet längst weltumspannend war und permanent von Dutzenden Suchmotoren erschlossen wurde, führte Google ein neues Prinzip der Vermessung der Landschaft entlang der Information Highways ein, indem es Seiten nicht nur quantitativ nach Stichworten, sondern auch qualitativ, nach auf eine Seite gerichteten Hyperlinks, ordnete.

Nach nur vier Jahren katalogisiert Google heute rund drei Milliarden Web-Seiten, operiert in 74 Sprachen, beschäftigt 50 Computer-Science-Doktoren – aber auch Google findet nicht alles, und Google hat bis heute kein krisenfestes Geschäftsmodell ausgebildet, so dass das Risiko durchaus besteht, dass von heute auf morgen das wichtigste Orientierungssystem pleite geht.

Vor allem aber: Auch Google 'sieht' und findet folglich nicht alles (3), und das hat eine geradezu exemplarische Dimension.

Was nicht einmal über Google auffindbar ist, verschwindet umso nachhaltiger aus der 'realen' virtuellen Welt, je mehr 'suchen' synonym mit dem Gebrauch des einen bestverbreiteten Suchdienstes wird; zu 'suchen' konzentriert sich immer mehr, ganz wie im Zeitalter der Enzyklopädisten, auf das Erstellen und Erschließen von 'Wissensbäumen', deren ganzer Sinn darin besteht, in einer aus der Fülle heraus unübersichtlichen Welt eine vereinfachende, Sinn und Zusammenhang vermittelnde Auswahl anzubieten. (4)

Allerdings: Das Internet wäre nicht jenes seltsame von einer 'intergalaktischen' Bande von Verschworenen erfundene Netz, wenn nicht auch über diese Begrenzungen hinaus nach dem großen, allumfassenden Netz gefahndet würde. Die einzelnen Dokumente selbst sollen nun die Haken und Ösen für den Zusammenhalt des gesamten Gewebes eingearbeitet bekommen, so dass ein 'Semantic Web' entsteht, an dessen Entwicklung teilweise die gleichen Personen beteiligt sind, die das Internet als Netz der Maschinen zu einem World Wide Web verknüpft haben. (5)

Aber auch dafür gilt letztlich, dass, was nicht eingeschlossen sein wird, umso nachhaltiger über den Horizont des sichtbaren ins Obskure rutscht.

Politische Struktur

Internet, World Wide Web und auch alle anderen Informations- und Kommunikationsnetze spannen sich bekanntlich mit von Ort zu Ort sehr unterschiedlicher Dichte um die Welt. (6)

Die Differenz zwischen Orten, die 'plugged' oder 'unplugged' sind, lässt sich weltweit in Karten der Informationsdichte nach unterschiedlichsten Parametern nachzeichnen und teilt als 'Digital Divide' geradezu sprichwörtlich die Welt und ist längst Gegenstand sowohl umfangreicher Forschung wie auch politischer Initiativen sowohl seitens der Vereinten Nationen wie auch zahlreicher NGOs. (7)

Dennoch gilt auch hier, dass erst einmal die expansive Dynamik der Globalisierung den Anstoß für die Ausgrenzung gibt. Erst wenn fast alle Teile der Welt engmaschig miteinander verbunden werden, fällt für jene, die draußen bleiben, dieser Unterschied tatsächlich ins Gewicht. Umso mehr, als, ebenfalls in Konsequenz aus dieser umspannenden Verknüpfung, an manchen wichtigen Knoten ganz gezielt auch wieder Teile aus den globalen Netzen herausgelöst werden.

Es gibt, nicht erst seit den Anschlägen vom 11. September 2001, autonome Informationsnetze der Geheimdienste und der Militärs sowie neuerdings sogar Pläne, insgesamt ein paralleles Internet zu schaffen, das aus Sicherheitsgründen keinen Verbindungsknoten zum bestehenden Netz haben soll. Bürgerrechtsaktivisten sprechen davon, dass in Reaktion auf globale terroristische Bedrohungen die demokratisch legitimierten Einrichtungen in den USA und damit auch die offenen Informationssysteme durch geheime, parallele Strukturen de facto unterminiert werden könnten. (8) Umgekehrt bilden groß angelegte Programme zum Abhören aller Kommunikationsströme weltweit und deren computergestützte, im optimalen Fall umfassende Auswertung – unter Codenamen wie 'Echelon' und 'Carnivore' - für staatliche Informationsdienste ein tatsächlich umfassendes integriertes Informationsnetz zu schaffen, in dem es keine 'weißen Flecken' mehr gibt. (9)

Den politischen Kern hat Manuel Castells bereits Mitte der neunziger Jahre auf den Punkt gebracht, als er für die Informationsgesellschaft zwischen jenen unterschied, die in der Lage sind, tatsächlich interaktiv zu agieren ('the interacting'), und jenen, die nur Gegenstand der Aktionen anderer sind ('the interacted'). (10)

Die Auswirkungen dieses Auseinanderdriftens auf tägliches Leben und Orientierungen, und hier insbesondere auf Kunst, Kultur und kulturelle Identitäten werden erst allmählich deutlich – und diese sind das Thema von UNPLUGGED.

Anmerkungen

(1) Zit. In Michael Hauben: History of ARPANET. Behind the Net - The untold history of the ARPANET Or - The 'Open' History of the ARPANET/Internet. www.dei.isep.ipp.pt/docs/arpa--1.html back to top
(2) www.well.com/aboutwell.html back to top
(3) Was Dilbert, die Cartoon Figur, kürzlich zu einer wunderbaren kurzen Serie inspirierte: www.google.com/dilbert2.html back to top
(4) Siehe Peter Burke: 'Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft' (Berlin: Klaus Wagenbach, 2001). back to top
(5) 'The Semantic Web is an extension of the current Web in which information is given well-defined meaning, better enabling computers and people to work in cooperation. It is the idea of having data on the Web defined and linked in a way that it can be used for more effective discovery, automation, integration, and reuse across various applications.' Mehr dazu unter www.w3.org/ back to top
(6) Siehe zum Beispiel www.telegeography.com/pubs/maps/internet/ back to top
(7) Siehe etwa www.oneworld.net/ oder www.unicttaskforce.org/ back to top
(8) 'The Bush administration is creating a secret government - a government accountable to no one but the president. Congress stomps and moans yet does little to stop the administration from hacking away constitutional checks and balances. And a majority of the American people awash in fear do not care.” Charles Levendosky: Fear Drives the Making of a Secret Government. (Op-ed), International Herald Tribune, 19.12.2001. back to top
(9) Siehe z. B. American Civil Liberties Union, /www.aclu.org/, insbesondere www.aclu.org/echelonwatch/networks.html back to top
(10) Manuel Castells: The Information Age. Economy, Society and Culture. Blackwell 1996ff. back to top




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