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Internet-Metrik
Biophily* Warp Map

'Thomas Feuerstein Thomas Feuerstein

Biophily
Zwischen fünf Servern an den Orten Los Angeles, Windhuk, Daressalam, Mumbai und Bischkek kreist ein Ping-Signal (1), das abhängig vom Ausbau und Zustand der Netze und Leitungen unterschiedliche Zeitspannen für die Überbrückung der räumlichen Distanzen erfordert. Die gemessenen Zeitabstände, die das Signal von einem Server zum nächsten benötigt, werden mit den realen geografischen Raumdistanzen korreliert und von einem Java-Applet auf eine Weltkarte übertragen. Es resultiert eine metrische Verzerrung der Karte in Echtzeit, die sich nach jedem Umlauf des Ping-Signals aktualisiert. Die Registrierung geologischer, politischer oder ökonomischer Konditionen in Weltkarten war seit jeher Teil von Mappierungen, die als Ortungs- und Ordnungsmodelle von Raum- und Machtverhältnissen immer auch ein Reißbrett von Geschichte und Weltpolitik darstellten. Als derartige Modelle speichern und verknüpfen Weltkarten bis heute Weltdaten zu Weltbildern und erfüllen in diesem Sinn mehrfache Funktionen, die von der Aufzeichnung bis zum „utopometrischen“ Entwurf reichen. Karten spiegeln in diesem Sinn den Prozess der voranschreitenden Globalisierung wider, die heute in Form der telematischen Mediatisierung und technischen Beschleunigung Raumund Zeitverhältnisse einer Neuordnung unterzieht. Das strukturelle Wissen um Beziehungen, Machtverhältnisse und Verbindungen wird dabei entscheidender als das um tatsächliche Entfernungen, womit das Interesse an geografischen Orten das Interesse an Dynamiken, Transformationen und Wechselwirkungen ersetzt.

Als Ausgangskarte für die Biophily* Warp Map wurde eine konventionelle Mercator-Projektion der Erde gewählt. Vergleichbar der Mercator-Projektion, bei der gerade Wege auf der Karte gekrümmten Strecken bzw. Umwegen in der realen Geografie entsprechen, kommt es bei der Warp Map zu „Internet-metrischen“ Verzerrungen aufgrund unterschiedlich ausgebauter Leitungen und Serverstrukturen, die wiederum politische, technische und ökonomische Bedingungen aufzeigen.

Biophily* (ein schmutziges Kunstwort aus Biophilie / Liebe zum Leben, Biologie und Philosophie) widmet sich der Recherche eines inversen Naturbegriffs und gespiegelten Menschenbildes und beschäftigt sich mit Obsessionen einer Techno-Kultur, welche die „Liebe zum Leben“ hypertrophieren und pervertieren. Die Doublierungen von Raum und Körper durch Internet-Geografie und Biotechnologie sowie deren kulturelle und gesellschaftliche Interdependenzen bilden das Interesse der im Rahmen von Biophily* realisierten Projekte. Daressalam, Windhuk, Los Angeles, Mumbai und Bischkek wurden als Referenzpunkte für die symbolische Karte von Biophily* ausgewählt und zwischen 1994 und 1999 bereist.

Concept: Thomas Feuerstein, Programming: Peter Chiocetti, Marcus Linder, Harald Milchrahm
www.myzel.net/geomorph

(1)
Integriert im Ping-Signal reist die buddhistische Formel „Om Mani Padme Hum“ mit, die über die weltumspannenden Datennetze den Globus metaphorisch zu einer Gebetsmühle der Mondialisation werden lässt. zurück