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Ars Electronica 2003
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Festival 1979-2007
 

 

Towards a Society of Control?


' Radio FRO Radio FRO / 'Otto Leopold Tremetzberger Otto Leopold Tremetzberger

Information, die man sich leisten kann?
Digitale Standards und Informationsfreiheiten in der Infosphäre
Das Thema der Ars Electronica 2003 – „Code – The Language of Our Time“ – stellt die Frage nach den gesellschaftsregulierenden Implikationen digitaler Codes: Digitale Codes sind in der modernen Informationsgesellschaft jederzeit präsent. Sie definieren „wie wir in den globalen Netzwerken miteinander kommunizieren, Geschäfte abwickeln, zu Information kommen und unser Wissen verteilen.“(1)
Kontrolle der Standards ist Kontrolle des Content
Standardisierung birgt nicht nur die Gefahr der Einschränkung von Vielfalt. Sie bedeutet nicht zuletzt auch umfangreiche Kontrollmöglichkeiten, wie sie etwa gegenwärtig im Zuge der EU-weiten Anpassungen im Urheberrecht diskutiert werden. (2) Denn wer die Standards kontrolliert, kontrolliert vielfach auch die Inhalte. Die EU-Urheberrechtsnovelle dehnt nach US-amerikanischem Vorbild den Urheberrechtschutz auch auf die neuen Medien, insbesondere das Internet, aus und sieht vor allem auch verstärkte Maßnahmen gegen die Umgehung technischer Schutzeinrichtungen vor.

Vor den Erfahrungen mit Tauschbörsen wie Napster fordert die Software- und Musikindustrie bereits seit Jahren verstärkte Maßnahmen für den Kopierschutz. Unterstützung bekommt die Industrie nun von den Gesetzgebern, die in der Urheberrechtsnovelle die Interessen der Software- und Musikmonopolisten rechtlich legitimieren und „technische Schutzmaßnahmen“, die jede Vervielfältigung u. U. auch für den eigenen Gebrauch verhindern, gegen Strafe schützen.

Skeptiker des DRM wie etwa Fred von Lohmann (Electronic Frontier Foundation) kritisieren, dass DRM „Internet Piracy“ nicht verhindern könne und stattdessen für den Content und letztlich auch für den nur scheinbar geschützten Markt selbst Barrieren aufgebaut werden. (3) Einseitige digitale Standards wie das DRM tragen damit maßgeblich zur Entwicklung einer elitistischen Informationsgesellschaft bei, in der der Zugang zu Information jenen vorbehalten bleibt, die es sich leisten können, mehr noch und auf einer breiteren Basis als es bereits jetzt der Fall ist. An diesem Punkt werden Systeme wie das „Digital Rights Management“ zu einem „Digital Restriction Management“ (4) und die „Frage der Information wird eine Frage des Budgets“. (5)
Offene Räume
Die Geschichte „offener Räume“ ist auch eine Geschichte der Strategien von Kontrolle und Einflussnahme. Ungeachtet der Datenfluten und ihrer viel diskutierten Unüberschaubarkeit bietet gerade der digitale Raum gründliche und umfassende Möglichkeiten von Kontrolle und Zensur. Während Abhörsysteme wie ECHELON das digitale Universum nach fragwürdigen Schlüsselworten durchforsten und im Fahrwasser proklamierter nationaler Sicherheiten wieder aus der öffentlichen Debatte und damit weitgehend auch aus den Köpfen verschwunden sind, sehen sich alternative Kommunikationsplattformen und Provider dem Vorwurf illegalen Contents ausgesetzt. Parallel zum wachsenden Bedürfnis nach Sicherheit werden auch die Voraussetzungen für Kontrolle – politisch wie technologisch – geschaffen. Analog zu den Allgemeinen Menschenrechten sind „Digital Human Rights“ – also Informationsfreiheit, Privacy und der offene Zugang zu Information und Informationsaustausch – die Herausforderungen der Zivilgesellschaft:
The great experiment of an unfettered communication space that the Internet as a public medium seemed to provide, now seems more like a historical and temporary window of opportunity. If we still care about a common space of knowledge, ideas and information, mediated world-wide by networked digital media we can no longer accept that principle as a given; i.e. as “naturally” embodied in the Internet.(6)
Die emanzipatorischen Erwartungen an die neuen Medien, allen voran das Internet, haben sich nicht erfüllt, ihr demokratisches, partizipatives Potenzial auf breiter Basis bleibt – ohne Nostalgie – kaum ausgeschöpft und auf der Ebene von Online-Votings stecken. Die Erfahrung zeigt, dass allein das technologische Potenzial nicht zur Demokratisierung von Information und Wissen führt. Im Gegenteil: Ganz im Interesse der Globalisierten Märkte führt die „Command / Control“-Struktur der Technologien zu einer zunehmenden sozialen Homogenisierung. (7)

Mit Eric Kluitenberg geht es in der Frage der Schaffung unabhängiger „Open Zones“ nun nicht um sichere Datenhäfen und eine Art von „hygienischem“ (Off-)Cyberspace, sondern um die Formulierung von Strategien und Praxistools. Denn: “The common space is defined and constructed through us. It is not given.” (8)
Strategien und Zielsetzungen
Eine demokratische Gesellschaft benötigt den offenen Zugang zu Information und Wissen und die entsprechenden offenen Foren und Räume, in denen dieses Wissen produziert und publiziert werden kann. Radio FRO stellt die Frage nach den Interessen, den Absichten und Botschaften, die sich hinter digitalen Codes verbergen. Welche Auswirkung haben digitale und rechtliche Standards wie DRM auf die Informationsgesellschaft? Wie sehen die Reaktionen auf Limitationen und Restriktionen aus? Wenn digitale Codes den Weg definieren, den Information und Kommunikation (nicht nur) in den globalen Netzwerken beschreiten: Welche Möglichkeiten der Reaktion und Subversion und welche gesellschaftspolitischen Funktionen haben Initiativen der Zivilgesellschaft? Wie wirken sich die Spielregeln der globalen Kommunikation, die vielfältigen Regulative auf die Existenz und Arbeit dieser Initiativen aus? Welche aktuellen Strategien des Unterlaufens gibt es? Was bedeutet Partizipation vor dem Hintergrund der zunehmend auf Regulation und Kontrolle ausgerichteten Entwicklungen in Politik und Informationstechnologie? Welche Möglichkeiten der Einflussnahme bestehen? Wenn diejenigen, die die Standards definieren, auch den Content kontrollieren, wer kontrolliert dann diese Gruppierungen selbst? Folgt mit der Privatisierung klassischer staatlicher Aufgaben wie Sicherheit und Privacy nicht die Entlastung, sondern die Entmachtung des Staates, der mit gesetzlichen Richtlinien die kommerziellen Interessen der Softwareund Musikgiganten legitimiert?
Darstellung beim Festival Ars Electronica 2003
Expertinnen aus Theorie und Praxis diskutieren ausgehend von der Umsetzung der EU-Richtlinie (Digital Rights Management) zu Änderungen im Copyright über die Auswirkungen digitaler Standards auf die Informationsgesellschaft, aktuelle Problemstellungen, das Zusammenspiel von Technologie, Ökonomie und Überwachung sowie über Strategien von Widerstand. Der Beitrag von Radio FRO zur Ars Electronica 2003 liefert einen aktuellen Beitrag zur Debatte um Informations- und Kommunikationsfreiheit.
Panel A: Containing Information: New Digital Standards, Changes in Copyright and its Impact on Freedom of Information
Die EU-weite gesetzliche Legitimierung von digitalen Standards wie DRM führt im Interesse der Software- und Musikindustrie zu erheblichen Einschränkungen im Urheberrecht.

Einseitige digitale Standards sind nicht nur Barrieren für den freien Zugang und Austausch von Information, sie stellen auch die technologische Infrastruktur für zukünftige Überwachungssysteme. Wer die Standards kontrolliert, kontrolliert auch die Inhalte. ExpertInnen diskutieren ihre Auswirkungen auf die Informationsfreiheit und das Zusammenspiel von Technologie, Wirtschaft und Politik vor dem Hintergrund zunehmender Restriktionen in der Welt der Infosphäre.
Panel B: Digital Standards and the Public Domain: Consequences and Current Strategies For An Independent Public Sphere
Demokratische Gesellschaften brauchen den offenen Zugang zu Information und Wissen und offene mediale Räume, in denen dieses Wissen produziert und publiziert werden kann.

Eine Auseinandersetzung mit den Digitalen Standards und ihre Auswirkungen auf unabhängige Medien und Netzinitiativen. Aktuelle Strategien, Widerstände und Beschränken, Fragen von Privacy, Copyright und Censorship.

(1)
http://www.aec.at/codezurück

(2)
Siehe etwa den Artikel: „Mit Digital Rights Management direkt in den Zensurstaat“: http://www.heise.de/bin/nt.print/newsticker/data/anw-23.01.03-005/?id=62fd6699&todo=printzurück

(3)
Fred v. Lohmann, “Digital Rights Management: The Skeptic’s View: http://www.eff.org/IP/DRM/20030401_drm_skeptics_view.phpzurück

(4)
Rene Pfeiffer, „Trusted Computing und Digital Rights Management“: http://www.ffs.or.at/artikel/tcpa_drm.pdfzurück

(5)
Andy Miller-Maguhn, Chaos Computer Club: http://www.heise.de/bin/nt.print/newsticker/data/anw-23.01.03-005/?id=62fd6699&todo=printzurück

(6)
Eric Kluitenberg, „Constructing the Digital Commons, A venture into hybridisation“: http://www.n5m4.org/journal.shtml?118+575+3411zurück

(7)
Konrad Becker, „Tactical Reality Dictionary“, Wien 2002zurück

(8)
Eric Kluitenberg, „Constructing the Digital Commons, A venture into hybridisation“: http://www.n5m4.org/journal.shtml?118+575+3411zurück