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Häuser drucken
Code - Drucker - Häuser

'Oliver Fritz Oliver Fritz

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts experimentieren Architekten im Wohnungsbau mit industrieller Bauweise. Versuchssiedlungen wie Dessau-Törten von Gropius und Wachsmanns und Prouvés konstruktive Experimente lieferten die Grundlage zum heutigen Verständnis von Vorfertigung im Bauwesen. Die daraus resultierenden unterschiedlichen Entwurfs- und Produktionsmethoden umfassen ein weites Spektrum: Es reicht vom Fertighaus – uniform und von der Stange – über hoch entwickelte Baukastensysteme bis zu in der Werkstatt vorgefertigten Fassadenelementen, die großflächig auf der Baustelle montiert werden. Diese Systeme unterscheiden sich grundsätzlich in ihrer Ausprägung, zeichnen sich jedoch durch gemeinsame Eigenschaften und Ziele aus: kürzere Baustellenzeiten, höhere Präzision, größere Sicherheiten, geringere Planungs- und Fertigungskosten.

Während der klassische Fertighausbau sehr eingeschränkt ist und praktisch keine Anpassungen durch den Kunden oder den Architekten möglich sind, zeichnen sich Baukastensysteme durch Regelmäßigkeiten und Raster aus. Praktisch ungebunden an eine vorbestimmte Form und Konstruktion sind die in der Werkstatt individuellen vorgefertigten Bauelemente.
Umgekehrt proportional zur Flexibilität der Bauweise verhält es sich meist mit den Baukosten. Die traditionellen und weniger flexiblen Planungs- und Fertigungsmethoden sind in der Regel die günstigeren. Eine tatsächliche Herausforderung für die Zukunft des industriellen Bauens stellt die Reaktionsmöglichkeit auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der Bauherren dar. In der Industrie findet eine Orientierung zu individuell angepassten Massengütern statt. Wurde das bisher nur bei kostenintensiven Produkten (z. B. in der Automobilindustrie) mit geringen Konfigurationsmöglichkeiten praktiziert, gibt es inzwischen auch Firmen, die kleine, preisgünstige Produkte an individuelle Bedürfnisse anpassen. Diese Tendenz wird vor allem auch durch neue Zweige der Informationstechnologien, neue Kommunikationsformen – wie das Internet –, aber auch durch die aktuellen individualisierten Fertigungstechniken ermöglicht.

Seit ungefähr zwei Jahren forscht die Professur für CAAD unter der Leitung von Prof. Ludger Hovestadt an der ETH Zürich an der Integration aktueller Informationstechnologien in architektonische Entwurfs- und Produktionsvorgänge. Ziel dieser Forschung ist nicht die formale Entwicklung einer neuen Architektur oder die Definition von Stil- oder Formmerkmalen. Es geht vielmehr um die strukturelle Entwicklung von Gebäuden aus dem Kern heraus und um die Formulierung dieser in einem einheitlichen Code, der die Architektur nicht mehr zeichnerisch beschreibt, sondern programmiert in einem Datensatz fixiert – sozusagen als „Gencode“ beinhaltet er alle relevanten Gebäudeinformationen, aber keine vorgegebene Repräsentationsform. Dieser Datensatz kann von beliebigen Ausgabegeräten konfiguriert, dargestellt oder produziert werden: im Internet, auf dem Plotter oder direkt als Bauteil.

Programmierte Architektur
Bei den bisherigen Versuchen, eine Software zu programmieren, die Architektur einigermaßen selbstständig generieren kann, stieß man auf ein sehr allgemeines Problem von Architekturentwürfen: die Objektivierbarkeit. Inwiefern können die generierten Lösungen objektiv beurteilt werden? Fragen funktionaler Natur, beispielsweise nach möglichst kurzen Wegen innerhalb eines Gebäudes, können zwar noch gut analysiert werden; nicht aber die Frage, ob die Fenster einer Fassade quadratisch oder rechteckig sein sollen. Das Problem, das sich üblicherweise beim Bewerten von Architektur ergibt, ist, dass es für Entscheidungen häufig kein eindeutiges „Richtig“ oder „Falsch“ gibt, sondern nur „gefällt“ oder „gefällt nicht“: Die Bewertung kann nicht immer auf objektive Kriterien gestützt werden, sie ist oft vom subjektiven Geschmack geleitet. Bemühungen, Programme mit Lernalgorithmen zu versehen – wie genetische Algorithmen oder neuronale Netze –, sind bisher noch nicht überzeugend gelungen. Offenbar sind die Zusammenhänge zwischen Aspekten wie Umfeld, Analyse, Idee, Stil, Raumprogramm und Materialwahl zu kompliziert, als dass sie sich zusammenfassen ließen. Und jeder Entwerfer beurteilt Hierarchie und Wichtigkeit der einzelnen Aspekte unterschiedlich. Ähnliche Probleme finden sich in der computergenerierten Musik beim Versuch, klassische Komponisten zu simulieren, während neue Kompositionen ohne diese Einschränkungen sehr einfach programmierbar sind. Folgerichtig kann es keine allgemeingültige Software oder universelle Maschine geben, die Architektur entwerfen kann.

Wie also könnte der Computer als ein weitergehendes Werkzeug – über die elektronische Zeichenmaschine, die Kommunikationszentrale und das Archivierungssystem hinweg – als Entwurfsunterstützung dienen und welche Auswirkungen hätte sein Einsatz auf die Architektur? Eines der ersten „Generierungsprogramme“ für Architektur beschreibt Jean Nicholas Louis Durand in seinem 1819 erschienenen Buch Marche à suivre. Précis des Leçons d’Architecture données à l’Ecole Royale Politechnique.

Durand leitet aus wenigen einfachen und mehrstufigen Regeln die Konstruktion eines detaillierten Gebäudes ab. Er formuliert die Spiegelachsen und kleinsten Gemeinsamkeiten in seinem Programm und beschreibt auf diese Weise unmissverständlich die Architektur. Als Ergebnis finden wir einen Plan, bei dem es zum einen nicht beliebig ist, wo welches Element angeordnet ist, und es zum anderen sehr leicht möglich ist, Fehler zu finden. Es handelt sich hier nicht um ein Programm, das Architektur generiert, sondern vielmehr um einen programmierten Entwurf – und um eine Beschreibung des Gebäudes, die kompakter nicht sein könnte und Redundanzen vermeidet.

Moderne objektorientierte Progammiersprachen haben, was die Beschreibung von Objekten betrifft, einen wesentlichen Vorteil gegenüber den linearen (prozeduralen) Beschreibungen Durands. Mit ihnen werden Ausnahmen wie Regeln beschrieben, indem Merkmale eines Vorgängerobjektes überschrieben werden können. Auf diese Art und Weise ist es relativ leicht, sehr kompakte und dennoch anpassungsfähige Strukturen aufzubauen, die sowohl beschreibend als auch operational genutzt werden können. Diese Art des Programmierens kommt dem architektonischen Entwurf entgegen, da Strukturen im Detail beschrieben werden können, ohne dass ein übergeordnetes Problem bereits endgültig gelöst zu sein braucht.
Laserdrucker und CNC-Maschinen, programmierte Objekte und Postprozessoren
Vor wenigen Jahren war beispielsweise das Produzieren eines einzelnen Buches oder einer geringen Stückzahl farbiger Postkarten eine verhältnismäßig aufwändige Lösung, da sich eine Auflage erst ab einer Stückzahl von mehr als 1000 rentiert hat. Vor circa zehn Jahren kamen die ersten Farblaserdrucker und Tintenstrahldrucker auf den Markt. Ein Laserdrucker unterscheidet sich beträchtlich von seinen Vorgängern, z. B. den Offsetdruckmaschinen. Bei dieser Technik ist es nicht wesentlich, ob man eine oder mehrere gleiche Seiten druckt. Für jede neue Seite kann ein beliebiger Schrifttyp oder eine unterschiedliche Gestaltung gewählt werden. Der Laserdrucker ist ein flexibles Ausgabegerät für beliebige Inhalte, während eine Offsetdruckmaschine für jeweils nur einen Druckbogen gerüstet wird. Diese Funktionsweisen können auch für Produktionsabläufe in der Architektur nutzbar gemacht werden, wenn ein vergleichbares Verhältnis zwischen Beschreibungsformat und Ausgabegerät gefunden wird.

Es wurde bereits erwähnt, dass Architektur statt üblicherweise als Zeichnung nun auch als Programm entworfen werden kann. Das für die Architektur grundsätzlich Neue daran ist, dass aus dem Code, der ein Gebäude beschreibt, nun mit so genannten Postprozessoren verschiedene Repräsentationsformen generiert werden können: eine CAD-Zeichnung, eine Druckdatei, ein Datenblatt mit Stückteillisten oder eine Ausschreibung. In den meisten Fällen sind Postprozessoren kleine Übersetzungsprogramme, die aus dem Code die benötigten Daten erzeugen.
Besitzt das programmierte Architekturobjekt die Methode „Drucken“ und wird diese vom Programm ausgelöst, so wird aus dem Code eine CAD-Darstellung zusammengestellt und an einen Laserdrucker gesendet. Der Drucker wiederum führt dieses Programm schrittweise aus und erstellt auf einem Papier die Zeichnung des Programmierobjektes. Dabei ist dem Laserdrucker egal, welches Objekt welche Druckanweisungen geschickt hat, solange das Programm für ihn ausführbar ist. Ebenso kann das erwähnte Programm jedoch als Eigenschaft die eigene Produktion haben. Die Methode „Produktion“ würde aus dem Code die notwendigen Produktionsdaten errechnen und an die entsprechende Produktionsmaschine gesendet werden.

Wenn also der Laserdrucker als Maschine in der Lage ist, auf Papier zu drucken, müsste es schlussfolgernd auch computergesteuerte Maschinen geben, die direkt eine Konstruktion „drucken“ können.

Technisch und inhaltlich ist das „Drucken von Häusern“ scheinbar gelöst. So wie sich ein Programmierobjekt mit einem Laserdrucker auf Papier ausdrucken lässt, kann dasselbe Objekt nun mit dem Betondrucker in Beton ausgedruckt werden. Bleche und Kunststoffe lassen sich mit Laserschneidemaschinen schneiden, beliebige Formen aus Glas und Stein können mit Wasserstrahlschneidemaschinen produziert werden, Kunststoffe und Holz können mit CNC-Fräsen bearbeitet werden.

Diesem Gedankengang folgend ist es nun die Herausforderung für die Architektur, Konstruktionen zu entwickeln und einzusetzen, die sich mit diesen Prinzipien vereinbaren lassen und auf solchen Maschinen produziert werden können.

Ein kleines, aber verständliches Beispiel soll Idee und Produktionskette eines parametrisierten Objektes verdeutlichen. Eine Kleiderleiste wurde in einem Programm beschrieben; durch Eingabe von entsprechenden Parametern wie beispielsweise Länge oder Mindestabstand der einzelnen zufällig erzeugten Einhänger wird eine Instanz – ein individuelles Objekt – erzeugt, das direkt mit einer Laserschneidemaschine produziert werden kann. Ob drei gleiche oder drei verschiedene Objekte hergestellt werden sollen, macht sich im Preis nur unwesentlich bemerkbar: Die Leiste kostet etwa 100.– CHF pro Laufmeter. Hier handelt es sich um einen programmierten Entwurf, von dem in Sekunden beliebig viele unterschiedliche Instanzen erzeugt werden können.

Daraus folgt, dass Wirtschaftlichkeit einer Architektur ist nicht mehr proportional zu ihrer Regelmäßigkeit ist. Wenn ein Entwurf aus vielen unterschiedlichen Objekten gleicher Art besteht und auf diese Art und Weise beschrieben und entworfen werden kann, hat das weit reichende Konsequenzen für die Organisation, den Bau und die Gestaltung von Architektur.
Prototyp = Serie
Die Herstellungskosten des Prototyps unterscheiden sich bei der Verwendung von CNC-Maschinen unwesentlich von den Kosten eines Serienteils (solange bei dieser Art des Entwicklungs- und Herstellungsprozesses überhaupt noch der Gedanke der Serienproduktion eine Rolle spielt). Mit diesen Entwurfs- und Produktionsprinzipien können kleine Stückzahlen mit geringem Personalaufwand wirtschaftlich konstruiert, produziert und verkauft werden. Aus der Sicht des Architekten könnte die Mischung von handwerklicher Organisationsform und industrieller Fertigung einen neuen reizvollen Aspekt liefern. Warum sollte er das selbst entwickelte Fassadenteil nicht gleich „prototypen“ und letztendlich selbst produzieren?

Während die Entwicklungsprinzipien des klassischen Industriellen Bauens für ein Bauteil hohe Anfangsinvestitionen bedeuteten, die sich nur durch große Stückzahlen, einem aufwändigen Vertrieb und einer großen Arbeitsgruppe amortisierten, sind hier Konstruktionen und Details vorstellbar, die individuell und im hohen Maße an die Architektur angepasst sind.
Resümee / Work in Progress
Architekturen können – sowohl generativ als auch beschreibend – wirtschaftlich sinnvoll programmiert werden, wie einige Beispiele aus den eigenen Reihen – z. B. die der Firma digitales bauen – oder das Kooperationsprojekt „KaisersRot“ zwischen der ETH Zürich und dem holländischem Architekturbüro KCAP Rotterdam zeigen.

In beiden Beispielen werden Strukturen generiert und beschrieben, und zwar günstiger und leistungsfähiger als auf die herkömmliche Art und Weise. Anhand von Projekten wie der Kleiderleiste oder dem NDS-Pavillon, bei denen sich der generierte Code – einheitlich für Entwurf und dessen Zeichnung – auch in die computergestützte Produktion zieht, zeigt sich, wie die Zukunft eines integrierten Entwurfs-, Beschreibungs- und Produktionsprozesses für Architektur aussehen könnte.

Hierfür sind jedoch noch weitere Erfahrungen mit den unterschiedlichen „Drucktechniken“ erforderlich. So soll z. B. in den kommenden Monaten ein Druckertreiber für den Betondrucker geschrieben werden, der es ermöglicht, direkt aus CAD-Programmen oder aus dem Code Wände zu produzieren.

Neben den technischen Fragestellungen haben diese Produktionsverfahren auch auf die Gestaltung von Architektur einen nicht unwesentlichen Einfluss: Wie könnten beispielsweise die Details und die Oberflächen programmierter und mit Computern produzierter Architekturen aussehen? Entsteht hier möglicherweise eine neue Art von Ornament?

Innerhalb des angesprochenen Spannungsfeldes öffnet sich ein weiter Raum für neue Experimente technischer und formaler Natur. Dabei ist es entscheidend, pragmatisch das Ziel „Häuser auszudrucken“und dessen Auswirkungen auf die Architektur frei von esoterischen Hintergedanken zu verfolgen.

Üblicherweise haben sich ja Veränderungen in der Bautechnologie sehr unmittelbar in der Gestaltung von Architektur bemerkbar gemacht.