POL. Eine mechatronische Show
'Marcel.lí Antúnez Roca
Marcel.lí Antúnez Roca
POL erzählt eine Geschichte in Form einer mechatronischen Show: ein ironisches und poetisches Märchen für ein breites Publikum. Eine interaktive Fabel, Produkt eines Dialogs zwischen Maschinen und Performance-Künstlern. Eine neue Technologie, Mutation eines Bühnenstücks.
Seine Wurzeln hat POL in der europäischen Fabel. Wir haben uns nicht wegen einer nostalgischen Sehnsucht nach Kindergeschichten oder dem Wunsch nach Aufrechterhaltung einer volkstümlichen Tradition, sondern wegen seiner narrativen Gestaltung für dieses Genre entschieden. Fabeln haben eine einfache Struktur, mit einer klar geordneten und temporeichen Abfolge von – magischen, unerwarteten, aufwühlenden – Geschehnissen, die sie für die Konstruktion eines bestimmten real anmutenden Universums und die prägnante interaktive Darstellung von Schlüsselmomenten sehr geeignet erscheinen lassen.
POL wird auf einer rechteckigen Bühnen aufgeführt, die von drei vertikalen Leinwänden an der Rückseite und einem Computersystem vorne an den Seiten begrenzt wird. Vier Roboter und zwei Darsteller, die mit einem Exoskelett – einer Synthese aus Skelett und orthopädischem Stützkorsett, die außen am Körper getragen wird – bekleidet sind, vollziehen die Handlung auf der Bühne. Die kinetische Kulisse besteht aus drei vertikalen Projektionen an der Rückwand der Bühne, die zu einer Breitbildprojektion verschwimmen. Das visuelle Universum besteht aus zwei- und dreidimensionalen interaktiven Bildern. Die Roboter sind aus Tierhäuten, Kunststoff und Metall zusammengesetzt. Mit Ausnahme von Cervosatán, der sich autonom bewegt, sind sie über Kabel an das Computersystem angeschlossen. Die Roboter sind wie die Darsteller Teil der Bühnenbesetzung.
Die Exoskelette übertragen die Bewegungen der Künstler und übermitteln sie via Funkmodem an die Computer, die Ton, Bild und Roboter steuern. Sie sind das Hauptinterface des Systems und eine Weiterentwicklung des Exoskelett-Prototypen, der bereits 1998 für die Show Afasia verwendet wurde. Sie sind mit Ein-/Aus-Schaltern, Quecksilberschaltern (zur Positionsbestimmung), Wahlschaltern, Level-Potentiometern und je einem Mikrofon ausgestattet. In einigen Szenen dienen die Stimmen der Darsteller als Pegelsensoren, indem die Lautstärke bestimmte Bilder erzeugt oder deformiert.
Die interaktive und interdisziplinäre Grammatik von POL wird durch eine eigens für die Show entwickelte Software ermöglicht. Das Programm ermöglicht eine Verknüpfung der Sensoren mit den Variablen Bild, Klang und Roboter. Dieses Programm, einer Art von Editor, verbindet die mehr als siebzig Sensoren der Exoskelette und Totems mit kommerziellen Programmen und MIDI-Protokollen.
POL untersucht jene spezifischen Aspekte, die dem künstlerischen Diskurs und dessen Ausdrucksmöglichkeiten durch die Technik eröffnet werden. Die Verwendung von Gestaltungsformen wie Juxtaposition, Synchronie und Interaktion ermöglicht eine neue Erzählform. Wie in Afasia ist auch in POL die Interaktion der eigentlichen Handlung untergeordnet. Andere interaktive Formen verfolgen unterschiedliche Ziele: In Videospielen bedeutet Interaktivität etwa eine Möglichkeit zur Überwindung von Hürden, im Internet ist Interaktion der Motor des Informationsaustauschs. Nichts davon ereignet sich in dieser Performance.
Die interaktive Erzählung in POL nutzt eine breite und spezifische Plattform. Die Interface-Prototypen – die Exoskelette – generieren ein spezifisches körperbasiertes Handlungsgefüge, das sich von den anderen Interaktionsmöglichkeiten – Maus, Tastatur –deutlich unterscheidet. Der Körper öffnet sich in einer Ursache-/Nichtwirkung-Beziehung gegenüber neuen Medien wie Robotern oder interaktiven Bildern und Klängen. Eine Bewegung des Arms kann so arbiträre Phänomene wie die modulierte Frequenz eines Tons, die horizontale Ausdehnung einer virtuellen Landschaft oder die Bewegungsgeschwindigkeit eines Roboters beeinflussen.
Diese mechatronische Installation ist das Fundament des dargestellten interaktiven Dramas. Der gesprochene Dialog, der Grundlage des traditionellen Dramas ist, wird auf eine untergeordnete Ebene verbannt oder verschwindet zur Gänze. Das in dieser Performance aufgeführte Drama besteht aus einer Kettenreaktion, in der Körper, Interface, Computer und Setting miteinander in einen interaktiven Dialog treten. Dieser Diskurs lässt Gestik, Maschinerie, Geräusche und Bilder nebeneinander bestehen und verkörpert eine neue Erzählweise, die vertraute Richtwerte aufgibt und schier unermessliches Potenzial in sich birgt.
Der Handlungsstrang entspinnt sich über die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten, die der ausführende Darsteller über sein Interface antizipiert, indem er eine wahre Flut von Informationen verwaltet. Auf diese Weise wird die Rahmenhandlung der Fabel konstruiert. Die Interaktion in POL erzeugt keine Zufallsereignisse, sondern einen beliebig formbaren, unterhaltsamen und flexiblen Erzählstrang – und resultiert hoffentlich in einer Kartharsis.
Aus dem Englischen von Sonja Pöllabauer
POL Direction & Conception: Marcel·lí Antúnez Roca / Performers: Piero Steiner & Marcel·lí Antúnez / Virtual performer: Silvia García / Music: Alain Wergifosse / Robots: Roland Olbeter / Computer Graphics Head: Alvaro Uña / Software Head: Jesus de la Calle / Photo: Darius Koehli / Costumes: Josep Abril / Lighting: Ramón Rey / Dresskeletons: EBA-studio (Christian Konn, Carlos Jovellar, Dani) / 3D Studio: SU-Studio (Marko Brajovic, Richard Porcher, Stefanie Alice Vandendriessche & Luka Brajovic) / Technical Head: Paco Beltran / Scene assistant: Joan Baixas / Management: Marta Oliveres—MOM / Production Head: Dietrich Grosse—MONDIGROMAX / Computer graphics: David Aja, Marcel·lí Antúnez / Flash animation: Nacho Vilaro, Eva Vázquez / Flash Editing: Angelika Orf, Gaetano Mangano / Video & 3D graphics: Nicolás García Graphics assistants: Marcelo Dematei, Gerard Bosch, Silvia Adell, Lluís Alba y Cristina Torron / MIDI software: Eugenio Tisselli / Flash sound: Mitos Colom / Story: Marcel·lí Antúnez Roca, Luís Miguel Rubio Software assistant: Joan Coll / Hard comunications: Jordi Montoya & Esteva Amo / Midi file robots: Sebastian Harms / Sculpture animals: Esterina Zarrillo / Atrezzo, poupet: Nico Nubiola / Administration:Toñi Santos
Image Bank Make up: Gema Planchadell & Samanta Crescente. Light Technician: Ramón Rey & Carlos Lucena. Operator: Antoni Anglada, Camera Laura, Sigon Atrezzo, Nicolas Nubiola, Assistant Nicolas, García Fernández. Sound Technician: José Ignacio Ortuzar. Direction assistant: Maria Torrent. Thanks to: Begoña Egurbide, Adelaida Antunez, Alvar Antunez, Gori Casas.
POL produced by PANSPERMIA S.L. coproducers: Festival d’Estiu de Barcelona Grec 2002, Mercat de les Flors, MEDIA-EUROPA, Fira de Teatre de Tàrrega. Supported: Institut Català de les Indústries Culturals–ICIC de la Generalitat de Catalunya i SGAE Sponsors: FESTO, Josep Abril, Sanyo, Native Instruments, Vegap, New Balance, Fundición Ubach, Mecanitzats EBLAN.
PANSPERMIA SL Supported by INAEM-Ministerio de Educación, Deporte y Cultura, ICUB-Ajuntament de Barcelona, Departament de Cultura-Generalitat de Catalunya.
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