Music Creatures
'Marc Downie
Marc Downie
Die interaktive Installation Music Creatures präsentiert eine Kolonie von musikalischen Wesen, deren Lebenswelt die Klangatmosphäre des Ausstellungsraums ist. Diese autonomen, virtuellen Wesen können in Musikwelten Klänge wahrnehmen, interagieren und überleben. Sie verfügen über abstrakte, einfache Körper, die sie zu kontrollieren lernen und deren Bewegungen Klänge erzeugen. Räumlich wiedergegebene Klangfragmente werden vertauscht und verzerrt; retrograde Variationen und Wiederholungen von Teilsegmenten werden in einer arbiträren, rekombinanten Evolutionswelle durchmischt; aus der Umgebung gefilterte Töne verschmelzen mit dem Wissen, das diese Wesen über ihre Welt und ihren Körper erwerben. Diese audiovisuelle Installation zeigt keine Fusion von Klang und Bild, sondern zieht Parallelen zwischen menschlich-musikalischen Problemen und jenen der motorischen Kontrolle und des Lernvermögens von Tieren und spielt dabei mit der Körperlichkeit des Klangentstehungsprozesses selbst. Eine dynamische, räumliche Anordnung von Klangelementen erlaubt es, eine Vielzahl musikalischer Transformationen ins Gedächtnis zu rufen und umzuformen – Sequenzen werden invertiert, verschmolzen oder vorübergehend manipuliert. Durch die Beschallung des Raums mit Musikpassagen werden musikalische Probleme zu Problemen dieser synthetisch erzeugten Körper. Denn diese Künstliche Intelligenz tanzt nicht reaktiv, sondern die Wesen bewegen sich aufgrund ihrer Fähigkeit, aus ihrer subjektiven Erfahrung generierte klangliche / körperliche Kontingenzen vorherzusagen und bis zu einem gewissen Grad zu verstehen. Und schließlich kommunizieren diese Kreaturen, die in ihrer Kolonie miteinander interagieren, auch mit uns Menschen: Mit Instrumenten kann man Musikmaterial in die Kolonie einbringen oder die Wesen mit den Umgebungsgeräuschen der Galerie „füttern“. Dank ihres Anpassungs- und Lernvermögens nehmen die virtuellen Lebewesen einen Sonderplatz im Grenzbereich musikalischer Komplexität ein.
Die Synthetic Characters Group des MIT Media Lab beschäftigt sich mit der Schaffung von ausdrucksfähigen, autonomen Wesen in interaktiven Installationen. Die Persönlichkeit und Interaktionen dieser Wesen sind sehr komplex: Sie werden von Trieben und Motiven, Zielen und Erwartungen geleitet. Unsere Forschungsarbeit basiert auf unserer mehrjährigen Erfahrung in der Entwicklung solcher Systeme; Inspiration finden wir durch das Studium echter Lebewesen. Wir möchten nicht nur die Beziehung zwischen musikalischen und motorischen Problemen untersuchen, sondern die (notwendigerweise) biologischen Wurzeln der menschlichen Musik aufdecken und künstliche Intelligenz in den Dienst der interaktiven Musik und digitalen Animation stellen. Vor diesem Hintergrund formulieren wir eine kühne Hypothese: Nur durch die Erforschung der Wurzeln des Musikverhaltens von Lebewesen – Wurzeln, die vielleicht auch die Anordnung von Klängen und Bewegungen im Taktgefüge umfassen – können wir Systeme schaffen, mit denen wir musikalisch interagieren können. Wir nehmen weiter an, dass das Studium der proto-musikalischen Fähigkeiten und Ähnlichkeiten von realen Lebewesen letztlich zu wertvolleren Erkenntnissen hinsichtlich der Schaffung neuer interaktiver Musikformen führen wird und sich für die Konstruktion von primitiven, künstlichen, interaktiven musikalischen Welten brauchbarer als jede andere konventionelle Musiktheorie erweisen wird. In der Hoffnung, diese letztlich für künstlerische Zwecke nützen zu können, bemühen wir uns um eine biologisch glaubwürdige Gestaltung der rezipierenden Lernfähigkeit und der motorischen Repräsentationen der Music Creatures.
Trotz des neu erwachten Interesses an einer derartigen Bio-Musiklehre verfügt die Wissenschaft noch über keine rechnerisch nachvollziehbare oder künstlerisch sinnvolle Theorie zu Produktion, Konsumation und Kooperation im Bereich der Musik. Es ist auch unwahrscheinlich, dass ein rein biologischer Ansatz ohne ergänzende künstlerische Experimente Früchte tragen wird. Unsere Music Creatures sind ein erster Schritt in diese Richtung.
Projekt von Marc Downie und der Synthetic Character Group am MIT Media Lab.
|