Produktive Interferenzen aus den Grenzbereichen der Medienkunst
'Karin Ohlenschläger
Karin Ohlenschläger
/
'Luis Rico
Luis Rico
Das noch im 20. Jahrhundert vorherrschende Modell hegemonischer Ausstellungszentren und dominierender Produktionsachsen von Kunst und Kultur hat in den letzten Jahren einen bedeutenden Wandel erfahren. Die Zentren und Achsen weichen zunehmend neuen Strukturen von Knoten und Netzen, die immer tiefer in soziale Bereiche hineinwachsen und damit ganz neue Verbindungen, Strukturen und Bewegungen möglich machen.
In diesem Zusammenhang ist die Frage der Produktion und Repräsentation prozessgebundener künstlerischer Projekte – sei es mit alten oder neuen Medien – schon seit langem ein Thema, das immer mehr Institutionen beschäftigt. Seit über vier Jahren stellt sich auch das MediaLabMadrid diesen Herausforderungen nicht nur mit neuen Formaten, sondern auch mit innovativen Produktions-, Partizipations- und Rezeptionsdynamiken, deren konzeptuelle und formale Impulse vor allem aus den Grenzbereichen der Medienkunst in Verbindung mit anderen sozialen und kulturellen Praktiken kommen. Bei den heutigen systembezogenen Produktionsprinzipien aktueller Soft- und Hardwarekunst werden Produkte und Prozesse immer schwerer trennbar. Sie unterliegen zunehmend kommunikativen und gemeinschaftsabhängigen Dynamiken, deren Summe von Singularitäten die Emergenz ganz neuer Prozesse anregen kann. Um diese Entwicklungen nicht nur sichtbar, sondern auch nachvollziehbar zu machen, hat das MediaLabMadrid einen polyvalenten, transdisziplinären Aktionsraum geschaffen, in dem sich Forschung, Produktion, Bildungs- und Ausstellungformate simultan als offenes System artikulieren und verknüpfen lassen. In einem der jüngsten Projekte dieser Art (www.interactivos.org), wurde das Konzept der Interaktivität nicht nur in Bezug auf seine projektbezogenen Formen und Inhalte hinterfragt, sondern darüber hinaus auch systemübergreifend auf die Beziehung und Ko-Evolution von Institution, Vermittlern, Künstlern, Programmierern und Publikum angewendet. Das traditionelle Ausstellungszentrum Conde Duque der Stadt Madrid verwandelte sich dabei unter der Koordinationsleitung von Laura Fernández und Marcos García in einen Kommunikations-, Produktions-, Seminar- und Ausstellungsraum, in dem die ausgewählten Projekte sowohl individuell als auch kollektiv entwickelt, diskutiert und produziert wurden. Der gemeinsame Nenner all dieser Arbeiten war die Anwendung von Open-Hardware- und Open-Software-Tools von David Cuartielles, Zachary Lieberman, Casey Reas und Hans Christoph Steiner, die zu verschiedenen Zeitpunkten im MediaLabMadrid über fünf Wochen ineinandergreifende Workshops leiteten. Die ausgewählten Projekte und ihre Autoren waren dabei auch für andere interessierte Teilnehmer oder spontane Besucherbeiträge offen.
Künstler, Architekten, Programmierer, Musiker, Mathematiker und Designer, Studenten, Lehrer und andere Vertreter des regionalen Erziehungsministerium arbeiteten dabei mit sehr unterschiedlichen und überraschenden Resultaten zusammen: Die einen schrieben an einer Applikationanleitung der Arduino-Tools für den Erziehungsbereich, andere entwickelten einen Multidimensional Particle Projector for Emergent Processes für Architekten und Stadtplaner (Alvaro Castro und Carlos Cabañero, www.alvarocastro.es). Unterschiedliche Klangskulpturen und virtuelle Musikinstrumente wurden in Madrid sowohl von der schwedischen Studentengruppe der School of Arts and Communication, K3, der Universität Malmö weiterentwickelt (webzone.k3.mah.se/projects/implement) als auch von Künstlern, Kompositoren oder Ingenieuren wie Enrique Tomás (www.mlab.uiah.fi/-korayt/emipro.html) oder Daniel Palacios (www.waves.stopandplay.com) konzipiert und produziert. Die Workshop-, Seminar- und Ausstellungsdynamik beschränkte sich allerdings nicht nur auf die Räumlichkeiten des Ausstellungszentrums Conde Duque, sondern erweiterte sich um spontane Präsentationen in der Autonomen Universität Madrid oder war nachts auf der Dorkbot-Präsentation im naheliegenden unabhängigen Kulturzentrum LaDinamo oder in der Radar Electronic Sounds Bar präsent.
Diese Dynamik produktiver Interferenzen hinterfragt in diesem Zusammenhang auch traditionelle Strukturen und Arbeitsteilungen. Gleichzeitig generiert sie Feedbackschleifen künstlerischer, wissenschaftlicher, technologischer und sozialer Prozesse, die sich im Umfeld der gegenwärtigen Medienkultur immer dichter vernetzen und gegenseitig fördern. www.medialabmadrid.org www.banquete.org
|