Raumeroberungen: Do It Yourself!
'Nicoletta Blacher
Nicoletta Blacher
Welche Eigenschaften weisen interaktive Installationen und Programme auf, die Lust auf Experimente machen? Begleitend zur internationalen Fachkonferenz „The Age of Simulation – Lernen und Forschen im 21. Jahrhundert“ entwickelte das Ars Electronica Center mit Beginn 2006 einen eigenen Ausstellungsschwerpunkt: die Gestaltung eines Simulationpfades durch das Museum der Zukunft als „Testumgebung“ für die Besucher (tp://www.aec.at/simulation).(1) Die spezifische Ausstellungssituation im Ars Electronica Center bietet dabei eine Gegenüberstellung von Simulationsmodellen aus vielfältigen Anwendungsbereichen in unterschiedlichen Ausstellungsformaten, von interaktiven Installationen und 3D-Visualisierungen, künstlerischen Animationen und Videos, edukativen Computerspielen bis hin zu Netzwerkvisualisierungen – das Museum der Zukunft als Creative Environment zum Ausloten der Möglichkeiten für eigene Experimente an der Schnittstelle von realem und virtuellem Raum. Mit der Komplexität und Halbwertszeit von Informationen sowie der Schnelligkeit technologischer Entwicklungen steigt der Bedarf an geeigneten Vermittlungsformen, die dynamisch den Standort des Nutzers miteinbeziehen. Fragen nach nutzerfreundlichen Interfaces und dem Grad von Interaktivität sind zunehmend im Kontext von Zugänglichkeit zu verstehen, wobei Zugänglichkeit in diesem umfassenden Sinne nicht nur Barrierefreiheit meint, sondern auch Möglichkeiten zur Rollendefinition seitens der Nutzer oder eine aktive und kreative Nutzung für verschiedene Zielgruppen mit unterschiedlichem kulturellen und technologischem Hintergrund.
Das Museum der Zukunft bietet mit der Ausstellung und seinen Vermittlungsprogrammen Erlebnis- und Wissensräume, aber auch Andockstellen, um hier vielfältige Links zwischen diesen komplexen Herausforderungen und dem eigenen Leben herzustellen. Während des Festivals Ars Electronica 2006 werden im neuen Simulationslab (der ehemaligen Mediathek) die diesjährigen Gewinnerprojekte der Kategorie u19 – freestyle computing des Prix Ars Electronica gezeigt, die im Mix von unterschiedlichsten Baumaterialien und digitalen Tools deutlich machen, wie wichtig das Prinzip des „Do It Yourself“ zur aktiven und kritischen Eroberung neuer medialer Räume und Darstellungsmöglichkeiten ist. Wie Medien von Jugendlichen genutzt werden und welchen Einfluss sie auf die kulturellen Ausdrucksformen und Aktionsräume von Jugendlichen haben, ist eines der wesentlichen Themen, mit denen sich das Ars Electronica Center auseinandersetzt. Anlass sind zehn Jahre u19 – freestyle computing und aktuelle Aktivitäten von Linzer Jugendgruppen auf dem Weg von Linz zur Europäischen Kulturhauptstadt 09. Die Erforschung der performativen Qualität des digitalen Raumes in seiner sinnlichen und ästhetischen Dimension sowie die Möglichkeiten des Austausches zwischen unterschiedlichen Szenen für Brainstorming- und Planungsprozesse und die Herstellung von Öffentlichkeiten sind zentrale Fragen der Jugendlichen.
In der regulären Bespielung des Simulationslabs als Präsentationsraum für Mappingprojekte, Stadtsimulationen und in seiner alternierender Nutzung als Workshopraum wird dieser Ansatz weitergeführt. Gerade die Gegenüberstellung von screenbasierten Anwendungen und interaktiven Ausstellungsszenarien ermöglicht die Reflexion von Erlebnis- und Handlungsräumen. Die erste im Herbst 2005 vom Ars Electronica Futurelab entwickelte WikiMap für Linz war ein Beitrag zur Hotspot-Initiative der Stadt Linz. Weitere WikiMaps wurden kontinuierlich mit verschiedenen Partnern und den Usern entwickelt (http://www.aec.at/wikimap); sie sind virtuelle interaktive Maps, die von regionalen und internationalen Partnern als Plattform für zahlreiche Projekte genutzt werden: von assoziativ künstlerisch inspirierten Stadteroberungen bis hin zu Fragestellungen zukünftiger Gestaltung wie z. B. in der WikiMap Madrid, einer Zusammenarbeit mit dem MediaLabMadrid, oder in der WikiMap Europe, die im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft erarbeitet wurde. Die WikiMaps mit der stetigen Erweiterung von Kommunikationstools bieten zahlreiche Anlässe, die Möglichkeiten des Internet als Informations-, Kommunikations- und Ideenraum in der Überschneidung mit Aktivitäten vor Ort zu nutzen.
Ein weiteres vom Ars Electronica Futurelab entwickeltes Vermittlungstool verbindet screenbasierte Anwendungen mit der Begehbarkeit eines selbst gestalteten Raumes. Mit dem Welteneditor kann jede/r seine/ihre eigene virtuelle Welt im CAVE gestalten: Ein spezielles Programm ermöglicht es, ohne besondere Computervorkenntnisse Landschaften, Figuren und andere Objekte in ein räumliches Verhältnis zu setzen. Als Vorlage können Zeichnungen oder Fotos dienen, die, ergänzt durch Sounds und Umfeldgeräusche, Atmosphäre schaffen. Im Anschluss an diese Workshops kann dann im CAVE die selbst geschaffene Welt erlebt werden.
Das „Do It Yourself“-Prinzip eines Baumarktes wird im Robolab fortgesetzt. Sensoren aller Art werden zur sinnvollen oder fantastischen Produktion genutzt. Die Präsentation und der Zusammenbau der Robotikbausätze von ELEKIT ergänzen das Programm: hochwertiges Design und spielerische Auseinandersetzung mit Sensorik.
Das Ars Electronica Center bietet mit den Aktivitäten im und außerhalb des Museums ein offenes Programm, wo nach dem Prinzip „Do It yourself“ sowohl Raumeroberungen mit konkretem Bezug zur Realität oder in Form von Mindmappings durchgespielt als auch Entdeckungsreisen zum eigenen Potenzial gemacht werden können.
u19 – freestyle exhibition
u19 – freestyle computing ist Österreichs größter Jugendcomputerwettbewerb, der sich seit 1998 im Rahmen des internationalen Prix Ars Electronica als Schnittstelle zwischen dem kreativen Geist der Jugendlichen und unserer Zukunft etabliert hat. Die steigende Anzahl und Vielfalt der jährlichen Einreichungen von Internetanwendungen, Webpages, Grafiken, Computeranimationen, Sounds, selbst programmierter Software und Hardware-Anwendungen zeigt eine unkonventionelle und kreative Auseinandersetzung mit unserer Mediengesellschaft.
Im Simulationslab (zweites Obergeschoß) werden während des Festivals die diesjährigen Gewinnerprojekte präsentiert. Mit der permanenten Ausstellung im ersten Obergeschoß wird den Einreichungen in ihrer Vielfalt und den dahinterstehenden Persönlichkeiten zwischen vier und 19 Jahren eine Plattform gegeben. Die Station Console nutzt an Sammelkarten angelehnte Objekte als Steuerungstools für die Visualisierung von Daten, Videos und Animationen. Die Wall of Fame setzt die jungen Erfinder und Künstler in Szene. Die Begegnung mit den Gewinnern der diesjährigen Goldenen Nica für den Film Abenteuer Arbeitsweg inspirierte zum Aufbau eines Mini-Trickfilmstudios im u19-Bereich. Ganz nach dem Motto „Do It Yourself“ war das Making-Of dieser ersten Produktion aus den Krmpf Krmpf Studios die Anregung dafür, BesucherInnen des Ars Electronica Center ihre eigenen Filmsequenzen entwickeln zu lassen.(2) Das Trickfilmstudio mit Kamera und einfacher Schnittmöglichkeit liefert in Anlehnung an die Arbeit der Jugendlichen eine Auswahl von Hintergrundprojektionen, Lego als Baumaterial für die Kulisse und ein Requisitenarsenal.
(1) Ein Projekt von Ars Electronica und FAS.research, gefördert von www.innovatives-oesterreich.at zurück
(2) Beratung: Ehrentraud Hager, Alexander Niederklapfer, David Wurm, Magdalena Wurm / Krmpf Krmpf Studios zurück
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