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Ars Electronica 1989
Festival-Program 1989
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Festival 1979-2007
 

 

Momente der Interaktivität
Materialien zur Geburt einer neuen Kunstrichtung: Interaktive Kunst

'Peter Weibel Peter Weibel

Da einer der Keime der elektronischen Kunst und der avancierten Technologie insgesamt das Moment der Interaktivität ist, nimmt es nicht wunder, daß die Ars Electronica, die sich ja als Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft ganz besonders den vielfältigen Formen der elektronischen Kunst widmet, seit Jahren Beispiele der interaktiven Kunst und andere künstlerische Praktiken der Partizipation, von Spiegeln über mechanische Objekte bis zu höchst komplexen elektronischen Installationen, gezeigt hat.

Man könnte sagen, daß die Ars Electronica insbesondere seit 1984, nachdem ein Wechsel in der Programm-Organisation (zu G. Hattinger, später Regina Patsch, dann P. Weibel) und im Vorstand der Linzer Veranstaltungsgesellschaft (Karl Gerbel als neuer Direktor) stattgefunden hat, sich weniger auf die spektakulären Aspekte der elektronischen Unterhaltung als auf die eigentlichen utopischen sozialen Möglichkeiten konzentriert hat, welche die Technik bietet, zum Beispiel die Partizipation an und die Interaktion mit dem Kunstwerk als Modell für emanzipatorische Kommunikationsformen. Interaktive Kunst hat also in den letzten Jahren der Ars Electronica bereits eine große Rolle gespielt. Einige Beispiele und einige Künstler sollen daher vorgestellt werden. Dabei wurden verschiedene interaktive Kunstformen gezeigt. Interaktive Szenen auf offener Bühne, wo Töne und Bilder technisch implementiert miteinander strukturell interagierten oder Töne und Tänzer oder Musik-Performer und gespeicherte Klang- bzw. Bildwelt oder gespeicherte Bilder durch elektronische Projektion und live Bilder durch die elektronische Kamera aufeinander reagierten. Diese neue Form der szenischen Interaktion zwischen diversen Elementen und Kategorien auf elektronischer Basis hat seit 1984, beginnend mit Peter Weibels elektronischer Medienoper "Der künstliche Wille" (KUNSTFORUM Band 77/78, 9–10, 1985), ihren festen Platz im Programm der Ars Electronica. Im gleichen Jahr fand auch die Zusammenarbeit des Tanztheaters Wien und des Komponisten Thomas Pernes mit "Tobias Zapfel" ihre Uraufführung bei der Ans Electronica. 1986 folgten Arleen Schloss und ihre Multimedia-Produktion "A.E.BLABLABLA", die Medien-Oper "2 hoch 3" von John Sanborn, Mary Perillo (Video), Pierce Turner (Musik), Cindy Lee und M. E. Strom (Choreographie) und die interdisziplinäre Video-Musik-Performance "About the House" von Michael Morris und Vincent Trasov. Szenische Konzerte mit einer neuen audiovisuellen Sprache gaben Diamanda Galas "Masque of the Red Death", Cabaret Voltaire, "A Contemplation of Dangerous Games" und Minus Delta t. 1987 gab es unter dem Titel "Klang-Bilder" interaktive szenische Werke von Pas Paravant "Zwei Zimmer", "Programm 5" von Monochrome Bleu und "Boxman" von David Felder (Musik), Miles Anderson (Posaune) und Peter Weibel/Henry Jesionka (Video). 1988 brillierten zwei Pioniere der elektronischen Kunst, Ed Emshwiller (Video) und Morton Subotnick (Musik) mit ihrem szenischen, technisch hoch-komplexen Multimediawerk "Hungers", Gesang: Joan La Barbara. Wiederum eine Interaktion mit einer Videowand (wie bei "Boxman") zeigten Susanne Widl (Performance), Valie Export (Video) und Patricia Jünger (Musik) mit "Stimmen aus dem Innenraum". Eher traditionelle szenische Interaktionen von Bild, Bühne und Musik waren "Maelstromsüdpol" von Erich Wonder, Heiner Goebbels und Heiner Müller, der 3-D-Musik-Film "Xen" von Thomas Shannon und live Musik von Jon Hassell und die szenischen Konzerte von Heiner Goebbels und von Mia Zabelka. 1986 bildeten erstmals interaktive Installationen einen Schwerpunkt des Programms. Die von Jürgen Claus konzipierte Ausstellung "Terminal Kunst" setzte sich explizit zum "Ziel, den Besuchern vorwiegend interaktive Systeme der Elektronik und deren Einsatz und Weiterentwicklung durch Künstlerinnen und Künstler anzubieten". Es wurden u.a. die interaktive Bildplatte "Skydisc" (1983) vom CAVS am MIT, Boston, interaktive musikalische Skulpturen und Environments von Peter Vogel und das Telekommunikations-Ereignis "Dialog" der Gruppe Blix vorgestellt.

1987 stellten im sogenannten "Klangpark" interaktive Klangskulpturen den Mittelpunkt des Programms. Dabei reichte das Spektrum von Interaktionen mit der natürlichen Umwelt (Atmosphäre, Wind, Wasser, Sonne) bei Phillips, Weibel, Bruce Odland, Ron Kuivila, Julius, Bill und Mary Buchen bis zu Interaktionen mit dem eigenen Körper (Jeanette Yanikian, Harry de Wit) und mit dem Publikum (Cooper, Kubisch, Xaver, Richard Lermans Klangfahrräder). Zusätzlich gab es 1987 die schon erwähnten drei szenischen Interaktionen unter dem Titel "Klang-Bilder". Diese Klanginstallationen wurden 1988 fortgesetzt mit "Scherzophren" von Waltraud Cooper und Anestis Logothetis, dem "Solar Musik" Gewächshaus von Joe Jenes, der automatisierten Audioinstallation "Hex" und dem Ultraschall-Bewegungshologramm "Holosound" von Logos-Duo, der Klang-Installation "Als das Verwünschen noch geholfen hat" von H. P. Kuhn, der Klanginstallation "The Appointed Cloud III" von Yoshi Wada und dem "Schaf-Musik-Konzert-Schloß" von Henning Christiansen.

Neben diesen akustischen interaktiven Installationen und den schon erwähnten szenischen Interaktionen wie "Hungers" gab es 1988 auch noch einige visuelle interaktive Installationen: die Video-Installation "Forfera" von Buky Schwartz, die Videoschach-Installation von Norbert Armer und die Schattenbild-Installation von Hannes Karl.

Wie Sie aus dem vorangegangenen Programm ersehen, widmet sich die Ars Electronica 1989 ausschließlich der interaktiven Kunst in all ihren Formen: telematisch und proxemisch, akustisch und visuell, environmental und publikumspartizipatorisch, manuell und automatisch, mechanisch und elektronisch, installativ und szenisch. Einer neuen Kunstform, die sich aus dem emanzipatorischen Gebrauch einer avancierten Technologie entfaltet, und ihren sozialen Utopien, Risken und Attacken, soll ein Forum geboten werden.

JOHN SANBORN
"23" (1986) "23" vereint Arbeiten von Mark Helias, Cyndi Lee, Mary Perillo, John Sanborn, Mary Ellen Strom und Pierce Turner bei einer Live-Aufführung im Rahmen der Ars Electronica im Juni 1986. Das Grundthema des Projekts behandelt das Problem des Menschen, der versucht, aus Chaos Ordnung zu machen und Unerklärbares zu erklären.

Die Arbeit besteht aus einer Kombination von Text (dargestellt, gesprochen und gesungen), live dargebotenen musikalischen Soli (die mit vorher aufgenommener Musik untermalt werden), bereits bestehenden Videos (die bearbeitete Tanzausschnitte, animierte Computergrafiken und digitale Videoeffekte in Form von Live-Kameras zeigen), live Videomischungen und -effekten (unter Einbeziehung ferngesteuerter Videokameras) sowie live aufgeführten Tanz- und Showdarbietungen. Existieren Querverbindungen zwischen Zeichenformen (z.B. Darstellungszeichen und Bewegungszeichen), und wie aussagekräftig sind diese unbewußten Formen? Ein weiteres, wiederholt auftretendes Bild zeigt einen digital geschaffenen, sich langsam drehenden Raum mit großen Bildfenstern, von denen jedes verschiedene, außerhalb des Raumes vor sich gehende Vorgänge zeigt. Das gesamte Bild soll als Gruppenbild mit Vertonung den Hintergrund für Tanzdarbietungen im Vordergrund, aber auch den Übergang zwischen verschiedenen Szenen darstellen.

Ein zweites Fensterbild zeigt mit Hilfe des Videoschirms ein Loch hinaus in die Außenwelt: Außerhalb des Theaters wird getanzt. Dieser Tanz ist als Beispiel für eine Grenzarbeit, die durch ihren vorgegebenen Rahmen definiert ist, anzusehen. Ein weiteres grafisches Werkzeug sind Karten. Eine Karte verdeutlicht die Auswanderung der Vorfahren der sechs Künstler in die Vereinigten Staaten. Der Teil der Karte, den wir sehen, beleuchtet die Einzelpersonen näher, hebt Kreuzungspunkte der Personen hervor.

Der letzte Schritt dieser Kartendarstellung zeigt eine Anzahl von Linien und gängigen Kartensymbolen, aus denen langsam Orte, Städte, eine Topographie entstehen, was sich am Ende dann als Karte einer Hand, wie sie Handleser verwenden. herausstellt.

Eine bedeutende Tanzsequenz ist der "car crash test", bei dem die Tänzer nackt und durchnumeriert in einer Pseudo-"crash test"-Umgebung agieren. Eine großangelegte Videoversion des Live-Tanzes wird mit auf der Bühne abgegebenen Tanzkommentaren zusammenspielen: Ziel ist die Suche nach der Bedeutung einfacher Bewegungen, wobei wissenschaftliche Entfernungs- und Zeitdarstellungsmittel eingesetzt werden, um Zeit- und Entfernungsänderungen zu betonen und eine Gefühlsintensität zu vermitteln.
MICHAEL MORRIS/VINCENT TRASOV
"About The House" (1986)
Tonband und Live-Musik, Video. Performance

"About The House" ist ein Beispiel der interdisziplinären Zusammenarbeit in jenem Kontext, in dem die beiden Künstler tätig sind und ist das bisher aufwendigste Bühnenwerk, das sie produziert haben. Die Wurzeln dieser Performance entspringen der Bühnen- und Theaterarbeit des Dadaismus, des Bauhauses und der Fluxus-Bewegung, und obwohl das Stück persönliche Geschichte und persönliche Mythologie umfaßt, ist es nicht erzählerisch. Dem Betrachter bleibt jede beliebige Interpretation offen. Dinge des täglichen Lebens werden mit Bezug auf die Imagination eingesetzt, ohne daß eine Antwort auf irgendetwas gegeben wird. Der gesprochene Dialog ist minimal, obwohl man Russisch, Französisch, Deutsch und Englisch im Sound-Mix erkennen kann.

"About The House" umfaßt Live-Stimme, Klaviermusik, Bandgeräusche, vorbereitetes Video, Closed Circuit Video, Lichteffekte, Dias und einfache Props. Das "Musikalische Bild" ist ein eigenes Genre für künstlerische Komposition in den 80er Jahren geworden.
ARLEEN SCHLOSS
"A. E. BLA BLA BLA"(1986) Musiker (unter der Leitung von Butch Morris), Tänzer (unter der Regie von Christa Gamper) und verschiedene Mitwirkende gestalten das Werk.

Als Praktikerin, die in vielen Medien zu Hause ist, und als energische Vorkämpferin verschiedener neuer Technologien hat sich Arleen Schloss schon seitdem sie in den frühen 70er Jahren die Malerei aufgegeben hat, intensiv mit der Sprache beschäftigt. Um es genauer zu sagen, es ging ihr um Alphabete. In so grundverschiedenen Medien wie Fotokopie, Live-Musik, Tonaufnahmen und Laserprojektion manipuliert Arleen Schloss die visuellen und akustischen Charakteristika von Buchstaben. Sie zeigt in ihren verschiedenen visuellen und temporalen Kompositionen, daß Buchstaben, die als die grundlegenden, unteilbaren Komponenten der Sprache gelten, in Wirklichkeit teilbar sind.

Viele der Vorgänge sind für Arleen Schloss im selben Maß eine Überraschung wie für den Betrachter. Aber dieses ungeplante Element ist ebenso ein notwendiger Teil des Ereignisses wie jedes im voraus geprobte Element. Arleen Schloss ist keine naive Künstlerin, aber ihre Kunst ist ebenso spontan wie einstudiert. Genauso wie ihre Quelle größere, nicht geringere, Freiheit ist. Sie vermittelt ihrem Publikum größeren, und nicht geringeren, Genuß. Die Kunst von Arleen Schloss regt gleichzeitig zu nüchterner Reflexion und fröhlicher Teilnahme an und beweist. daß die Sprache auch hierzu imstande ist.
ED EMSHWILLER/MORTON SUBONTNICK
"Hungers" (1988) Hungers ist ein Interkunst-Projekt, das verschiedene Ebenen umfaßt: Live Performance, akustische und computergenerierte Musik, Video und Computerbilder. Ed Emshwiller hat die Bilder gestaltet, Morton Subotnick die Musik. Thema des Werkes ist jene interne, subjektive Bewußtseinsebene, auf der Details, Erinnerungen und die unmittelbare Umgebung das wache Bewußtsein überstrahlen. "Hungers" ist eine orchestrierte Landschaft aus Bildern und Musik, die zusammen Bedürfnisse ausdrücken (nach Essen, Sicherheit, Akzeptanz, nach der Mutter, nach Sex, nach Macht). Seine Struktur bewegt sich eher im Bereich der Choreographie, in poetischen und räumlichen Dimensionen als im dramatisch-erzählerischen Bereich. Moderne Real-time-Bild- und Tonverarbeitungssysteme ergänzen und expandieren die Live-Darbietungen einer Sängerin, einer Tänzerin und dreier Musiker.
(Joan La Barbara)

Anmerkungen zur Musiktechnologie
Die Musik ist für Stimme, zwei Air-drums(1) (Lufttrommeln), KAT (ein mittelgroßes Schlaginstrument), Raad (ein elektrisches Cello), Yamaha Clavinova (digitales E-Klavier), YCAMS(2), einen Macintosh Plus Computer und einen Prophet Sampler instrumentiert. Diese Instrumentation zerfällt in zwei Bereiche: die Aufführungstechnologie und die Instrumentalklangtechnologie.

Instrumentalklangtechnologie
Jedes Instrument hat seinen eigenen Klang (beim Clavinova etwa gibt es einen eingebauten digitalen Klaviersound, beim Kat habe ich einen Schlägelklang durch Verwendung des Yamaha TX-8 16 eingeplant). Der Computer hat ebenfalls seinen eigenständigen Klang. Zusätzlich hat jedes Instrument mehrere transformierte Varianten seines Urklanges gespeichert. Die Original-Instrumentenklänge kommen von jenem Teil der Bühne, wo die Instrumente auch tatsächlich stehen (Mitte hinten), die Computerklänge hingegen von vorne – links – rechts. Die transformierten Klänge all dieser Instrumente erlauben es, dramatische und emotionale Veränderungen im Werk durchzuführen, indem entweder die Musik selbst oder aber die Klänge, die Orchestration, verändert werden.

Aufführungstechnologie
Der Macintosh Plus dient dem gesamten Instrumentarium als Gehirn oder Management-Gerät. Alle Aufführenden senden die Informationen (wo sie in der Partitur aufscheinen) ebenso wie das YCAMS an den Mac, und dieser spielt seinerseits verschiedene Teile des Computersystems (YCAMS) und steuert je nach Partitur die einzelnen Instrumente zeitlich und qualitativ an. Er kann streckenweise sogar die Videoanlage ansteuern, so daß die Sängerin mit den Air-drums auf dieser "spielen" kann.

Anmerkungen zur Videotechnologie
Die Videoaufnahmen entstanden in einem Zeitraum von drei Jahren und werden durch Animation ergänzt, die auf einem Amiga-Computer entstanden. Dieses primäre visuelle Material wurde teilweise im CalArts Farbstudio mit einem Grass Valley Switcher, mit telecine, rescan und roll-in Video weiterverarbeitet. Zusammen mit Live-camera-Videos bilden die drei so entstandenen Videobänder gemeinsam mit dem Live-input von vier Kameras die auf verschiedene Monitore zu verteilenden Signale. Die Distribution erfolgt mittels eines von Dalc McBeath eigens gebauten Matrix-Switchers, der über die Tastatur des Amiga-Computers gesteuert wird. So kann jede Video-source auf jede beliebige Kombination von Displays eingespielt werden.
DAVID FELDER/PETER WEIBEL/HENRY JESIONKA
"Box Man" (1987) "Box Man" ist ein 30minütiges Werk in zwei großen Teilen. Jedem dieser zwei großen Teile geht ein Videozwischenspiel voraus und/oder folgt ein Nachspiel. Der erste große Abschnitt führt drei Arten von Verhaltensweisen musikalisch und in Bewegung vor, diese sind manisch, besessen und tobend. Dieses Werk beschäftigt sich mit mehreren Beziehungen.
  1. Den Beziehungen zwischen einem Performer und seiner technologischen Fortführung durch direkte Audioverarbeitung über digitale Verzögerung und Signalprozessoren.

  2. Beziehungen zwischen dem Live Performer und seinen vorher aufgenommenen und vorher komponierten Phantomgestalten, die durch Multiprojektionsvideo und mehrspurige Tonbandeinspielungen entstehen.

  3. Den psychotemporalen und psychoräumlichen Konsequenzen der vorher genannten Beziehungen, die den inneren Kampf zwischen dem einzelnen und dem Kollektiv darstellen und zwischen den Phantomgestalten, die durch Video, Beleuchtung, Bewegung und Ausstattung sichtbar gemacht werden. Das Video wird also auf drei Ebenen eingesetzt:
    - Weiterführung der physischen Bewegung in direkt wahrnehmbare Beziehung;
    - Entwicklung vielfältiger Schattengestalten als Durchführung der musikalischen/verhaltensmäßigen Charakteristika, ohne direkt auf Ebene 1 Bezug zu nehmen;
    - Projektion einer Reihe unzusammenhängender, narrativer Bilder, die als Ursache und Wirkung fungieren. Diese drei strukturellen Ebenen ermöglichen Transformationsprozesse.
SUSANNE WIDL (PERFORMANCE)
VALIE EXPORT (VIDEO)
PATRICIA JÜNGER (MUSIK)
PETER WEIBEL (TEXT)
"Stimmen aus dem Innenraum" (1988) Die Mono-Performance wird gestaltet mit Dia-Animationen, Licht-Projektionen und einer Videowand, mit szenischen Objekten, Musik und der Architektur der Sprache. Zwischen dem realen Geschehen auf der Bühne und der immateriellen Szenik der Medien kommt es nach einer festgelegten Partitur zur Interaktion. Eine Computersteuerung kontrolliert die Zuspielungen der diversen visuellen und akustischen Quellen (Videorecorder, Tonband, Diaprojektoren, Scheinwerfer etc.).

In der medial komponierten Performance begegnen sich Unica Zürn, Mae West, Mary Shelley, Ada Lovelace, Linda Lovelace und die polyphone Frau der Zukunft – alle diese Frauen werden live und auf Video dargestellt von Susanne Widl. Die Text-Performance erwächst aus der polymorphen, polyphonen Geschichte der Frau. Facettenhafte Bilder wie Mutter, Geliebte, Gefährtin, Prostituierte, Kämpferin, Künstlerin, Wissenschaftlerin oder Hexe prägen das Frauenbild. Doch diese von unserer Kultur produzierten Projektionen stimmen nicht mit dem Selbstbild der Frau überein, Aus dieser ambivalenten Unruhe, aus diesem Bruch entsteht ein Ge schlecht, das nicht in sich geschlossen ist ("le sex qui n'est pas une", L. Irigaray). "Voices from an Innerspace" schreiben die polylogen, polymetrischen Texte der weiblichen Sehnsucht, der Verweigerung, der Lust, überschreiben die Gesetzestafeln der Gewalt, die historischen Außenseiten der Polyästhesie. Die eigenen Stimmen des inneren Raums der Frau wechseln mit den anderen Stimmen der äußeren Kultur, die eine phallokratische Kultur ist. Es wird der Versuch gemacht, den unbewußten sozialen Text, den unsere Gesellschaft in ihren klassischen und modernen Mythen (von Ödipus bis zum Vampir), in ihren kulturellen Produktionen und in den Schriften und Körpern der Frauen selbst schreibt, zu entziffern und zu rekonstruieren.
HENRY JESIONKA
"White House" (1988) Ein Korridor aus Flugzeugwänden, fünf Elementen mit je zwei Fenstern, ist aufgebaut. Dahinter befinden sich zur linken und zur rechten Seite verschiedene Objekte. Zwischen den Luken (der Wand) und den Gegenständen gibt es aber diagonal gestellte semi-transparente Glasscheiben. Eine spezielle automatische Beleuchtung, die einmal für Licht vor und einmal für Licht hinter der Glasscheibe sorgt, regelt die Beleuchtung der Objekte. Der vorbeiwandernde Zuseher löst diese Beleuchtungseffekte aus. Sieht man daher zuerst den einen Gegenstand vor der Glasscheibe (im Licht) und wechselt dann den Standpunkt und damit die Beleuchtung, sieht man nun nur den anderen Gegenstand hinter der Glasscheibe. Beide Gegenstände überblenden daher einander nahtlos und transformieren sich scheinbar übergangslos ineinander.
HENRY JESIONKA
"Null Stadt" (1988) Mehrere riesige optische Linsen, aus durchsichtigem Material und mit Wasser gefüllt, sind vor den Fenstern im Inneren eines Gebäudes aufgestellt und mit Rohren so mit der Außenwelt verbunden, daß sie an den Innenwänden ein nahtloses Panorama der Außenwelt abbilden. Im dunklen Raum schachteln sich Raumbilder von bewegten Szenen in Nahaufnahmen und Totalen übereinander. In diesem imaginären Raum verfließen die Grenzen von Innen und Außen. Der Laserstrahl, der auf die Tritte der Zuschauer reagiert, bewegt sich durch den Raum und visualisiert feinste Gravitationsschwankungen.
BUKY SCHWARTZ
"Forfera" (1988)
Videoinstallation

In eine drehbare Schreibe eingebaut sind eine Kamera (siehe Loch) und ein Monitor: Rollt der aktive Betrachter die Scheibe, dreht er sich selbst im Monitor im Raum.

Schwanz' Installationen sind durch ihre Erforschung der Regelkreiseigenschaften des Mediums selbst charakterisiert. Die Position der Videokamera und die Beziehung des Betrachters zum Raum, der von der Kamera erfaßt wird, werden vom Künstler durch die Bewegung der sich drehenden Scheibe eingefangen. Hier werden die Standpunkte des Betrachters wie der Kamera durch die Bewegung der Skulptur im Raum bestimmt.
NORBERT ARTNER
"Videoschach-Installation" (1988) Ein riesiges für die menschliche Proportion geschaffenes Schachbrett, auf dem die Menschen als Figuren herumgehen können. Eine am Plafond montierte Kamera beobachtet sie dabei und überträgt das Geschehen in einen Monitor. Durch ihren jeweiligen Standpunkt auf den 64 Feldern lösen die agierenden Besucher eine jeweils andere visuelle Information vermittels einer Projektion aus.

Besucher reagieren mit der auf dem Brett gegebenen Figurenkonstellation. Die Figuren (deren Charaktere) und die am Spielfeld agierenden Menschen lösen über ihre Berührungspunkte visuelle Szenerien aus.
HANNES KARL
"Schattenbild-Installation" (1988) Auf speziell fluoreszierenden Oberflächen von Leinwänden wird mittels eines vorher angekündigten Blitzes ein Schattenbild projiziert. Dieses Bild bleibt für einige Sekunden sichtbar, um wieder zu verschwinden und Platz zu machen für ein neues Szenarium. Dem Akteur und zugleich Betrachter bleiben unendlich viele Möglichkeiten, sein Schattenbild in einer Rolle zu betrachten.
FELIX HESS
"Zirpen und Stille" (1986) Das ist ein Stück für Klangtierchen und Zuhörer.
Die Klangtierchen sind kleine elektronische Geräte. Sie hören zu. Einige Klänge gefallen ihnen, andere mißfallen ihnen.
Jedes Klangtierchen reagiert ganz einfach auf das Gehörte.
Es gibt keine Anführer.
Die gesamte Gruppe läßt komplexe Klangmuster entstehen.
Menschen sind die Zuhörer.
Die menschlichen Zuhörer begegnen also sozusagen einer Gruppe scheuer Wesen, und die Stimmung ist die einer tropischen Nacht.
In dem Stück geht es um das Zuhören.
JEANETTE YANIKIAN
"Aorta" (1987) "Aorta" ist eine Komposition für Bild und Ton, die auf den physiologischen Prozessen des menschlichen Körpers beruht. Das Ergebnis einer jahrelangen Forschung nach dem Hörbarmachen des Herzschlags, des Blutkreislaufs und der Atmung, die die drei Hauptteile der Komposition bilden.

Aufbau des Stückes
Alle Geräusche gehen direkt aus dem Körper hervor oder werden von den Körpern der Darsteller gesteuert. Die Veränderung der Lage, vom Kippen der Scheibe, auf der der Darsteller liegt, verursacht, und die Bewegung des Darstellers haben direkt Einfluß auf den Ton.
"Aorta" dauert 3600 Herzschläge.
Der erste Teil läßt in verschiedenen Phasen den Blutkreislauf an mehreren Stellen des Körpers hören, beginnend mit dem ruhigen Zurückströmen des Blutes durch die Venen (Adern), dann zur pumpenden Gewalt in die Arterien (Schlagadern) übergehend.
Dieser Teil endet mit einer Eskalation, in der der Herzpuls gleichzeitig als Triggersteuerung fungiert und in der zugleich der Herzschlag des zweiten Darstellers, des Technikers, in das Stück einbezogen wird.
Der zweite Teil ist ein langsames Wiederaufleben. Die Metamorphose
Die Atmung führt uns schließlich zu Purcells "Music for a While"
Die Scheibe hat jetzt eine ganze Drehung vollendet und ist in ihre Anfangsstellung zurückgekehrt.

Technik
Um die Wiedergabe der geringen Frequenz zu ermöglichen, ist eine spezielle Apparatur entwickelt worden; Stethoskope mit Kondensatormikrophonen und speziell entworfene Baßreflexboxen und Earthquake-Boxen. Ein derartiges Stethoskop registriert die Atmung. Um den Blutstrom hörbar zu machen. wird medizinische Apparatur benutzt: der Doppler ultrasound flowmeter. Mit dieser Apparatur werden Ultraschallwellen ausgesandt und verglichen mit den von den sich bewegenden Blutzellen zurückgeworfenen Wellen, die durch piezoelektrisches Kristall aufgefangen werden. Für die Triggersteuerung wird eine photoelektrische Zelle, die die Lichtdurchlässigkeit der Blutgefäße mißt, benutzt.
FRANZ XAVER
"RadioArtives Konferenzmöbel" (1987)
Akustische Umsetzung der Gesäßwärme der Konferenzteilnehmer

Visuelle Gegenkoppelung der Töne
Bei den radioArtiven Konferenzmöbeln werden die akustischen Signale direkt mit Geschwindigkeit, Richtung und Schwarzweißgehalt des Elektronenstrahls zu einem neuen Bild geformt. Die akustischeu Signale werden zum einen innerhalb der Sitzgelegenheiten mittels Wärme, zum anderen – im Randbereich der Installation – von einer Außenperson (Cassettendeck) erzeugt.

Die Bildröhre als Sitzgelegenheit.
In sich geschlossene Kreisläufe innerhalb der Hocker, Die Wärme des Gesäßes erzeugt mittels Elektronik einen Ton. Mit diesem akustischen Signal wird direkt der Elektronenstrahl gelenkt und gesteuert. Die Elektronen werden somit auf das Gesäß gefeuert. Der Tisch stellt die Koppelung der vier Hocker akustisch und visuell her. Fremdeinflüsse – die eines Tapes – können mittels Mischpults in einen dieser Signalflüsse manuell eingeschleust werden.
CHRISTINA KUBISCH
"Klangwiese" (1987) Die "Klangwiese" besteht aus elektrischen Kabeln, die im Gras versteckt werden und ein Labyrinth bilden. Sie sind Klangträger – jede Struktur erhält Naturlaute, teils echte, teils künstlich erzeugte. Die Klänge werden hörbar durch magnetische Induktion. Mit Hilfe von speziellen elektromagnetischen Kopfhörern kann das Publikum – wie mit einem künstlichen Ohr – die verschiedenen Klangfelder empfangen. Je nach Bewegungsdichte, Schnelligkeit und Nähe zu den elektrischen Kabeln ergeben sich immer neue Kombinationen von "Naturklängen".

Christina Kubisch arbeitet seit Jahren mit Klangräumen, die auf magnetischen Induktionsfeldern basieren. Ihre Installationen nehmen immer Bezug auf eine spezielle Raumsituation, sei es im Freien (Wälder, Gärten, Plätze, Meeresstrand), sei es in – meist nicht für Konzertsituationen vorgesehenen – Innenräumen (Schiffswerften, Türmen, Schlössern, Fabriken, Kellergewölben etc.). Ihre neuesten Arbeiten sind "Licht-Klang-Räume" in denen sich der Besucher frei bewegen kann. Über ein Netz von elektrischen Kabeln werden verschiedene Klangwege im Raum verteilt und – mit Hilfe eines dafür speziell entwickelten kabellosen Kopfhörers – vom Hörer individuell wahrgenommen. Jede Bewegung, jeder neue Standpunkt ergibt eine andersartige Kombination der musikalischen Programme – wie bei einem Mixer, dessen Kanäle einzeln oder gemeinsam ständig verändernde Variationen von vorgegebenen Klängen erzeugen können.
WALTRAUT COOPER
"Klangmikado" (1987)
Musik: Gerhard E. Winkler

Unter dem Titel "Digitale Poesie" habe ich eine Reihe von Arbeiten zusammengefaßt, deren zentrales Thema die Umsetzung von Sprache/Dichtung ins Visuelle ist. Die Mittlerfunktion eines hierbei verwendeten Computercodes führte später dazu, daß sich mein künstlerisches Anliegen in eine Richtung entwickelte bzw. sich in dem Sinne erweiterte, alle Formen künstlerischen Ausdrucks, sprachliche, visuelle, musikalische, gleichzeitig zu verwenden und mittels Computers und Computercodes direkt meinander umzusetzen.

Ein Beispiel für diese Arbeitsweise ist das Projekt "Auf der Suche nach den vergessenen Namen", eine computergesteuerte Neoninstallation für das Künstlerhaus Graz. Ihr Kernstück ist ein Computerkeyboard, in das Besucher – im Sinne einer kollektiven Aufarbeitung unserer künstlerischen und wissenschaftlichen Vergangenheit – die wiedergefundenen Namen eintippen und speichern können. Sie werden von einem Computer via Computercode zu Licht und Klang transformiert.
Geistige Leuchten. Klingende Namen.
Ein ähnliches Prinzip verfolgt der "Friedensfries", eine computergesteuerte Neoninstallation zum Thema "Alle Menschen werden Brüder" im österreichisehen Konferenzzentrum der UNO-City Wien, dessen Lichtgeschehen durch Schillers "Ode an die Freude" gesteuert wird, ergänzt durch Aussagen zum Frieden, die Besucher aus aller Welt auf einem Keybord wiedergeben können.

Bei der in Planung befindlichen künstlerischen Gesamtgestaltung eines neuen Institutsgebäudes der Universität Graz wird als Grundlage für die Musik- und Lichtgestaltung die Chronik der Universität herangezogen, zusammen mit wichtigen Schritten berühmter ehemaliger Lehrer – wie etwa des Quantenphysikers und Nobelpreisträgers Erwin Schrödinger – und wird immer wieder ergänzt durch neu hinzukommende Veröffentlichungen zeitgenössischer Wissenschaftler. Musik: Anestis Logothetis.

Texte allgemeiner Natur, aber auch Gedichte, Prosa waren es, die von Besuchern der Biennale Venedig 1986 über Computer und Computercode in Licht- und Klangspiele transformiert wurden.

Auf ganz anderen Prinzipien und Überlegungen beruht ein – nicht ausgeführtes – Projekt für ein EDV-Gymnasium im Großraum Linz, wo mit Hilfe von Elektronik und Computer das Geschehen an der Schule selbst zum Anlaß wird, um sie mit Licht zu erfüllen: eine lebende Plastik, eine Licht- und Klangplastik, die mit der Schule mitlebt.

Mit diesen Beispielen wäre ansatzweise der künstlerische Umkreis beschrieben, innerhalb dessen das Klangmikado zu sehen ist. Auch hier geschieht die Umsetzung über Elektronik und Computer, auch hier ist es erst der Besucher, der die Beteiligten, der Interessierte, der die Umsetzung auslöst, der die künstlerische Arbeit vollends zur Ausführung bringt, der sie praktisch vollendet. Bei Klangmikado kreiert jedes Spiel mit den überdimensionierten, transparenten Mikadostäben – über Elektronik und Computer – eine neue Klangwelt, wird zu einer neuen Komposition.
WALTRAUD LOOPER
"Scherzophren" (1988) Jeder der 84 Tasten eines Klaviers sind Neonröhren in bestimmten Farben und – anstelle von Saiten – gespeicherte Klangereignisse zugeordnet. Die maximale Dauer dieser Klangereignisse beträgt 8,5 sec., bei kürzerem Aushalten der Taste erklingt nur ein Teil des Klangereignisses (auch Pause).
Scherzophren ist die konsequente Weiterentwicklung und Vereinigung von
  • Farbenklavier (Castel, Skrjabin)

  • Präpariertem Klavier (Cage)

Scherzophren ist
  • Spiel mit dem Zufall (der Spieler weiß nicht, was beim Anschlagen einer Taste geschehen wird)

  • Synästhesie (visuelle Sinneseindrücke werden durch akustische verstärkt und vice versa).
    Spielmöglichkeiten:
    - "Musik für Scherzophren" von Anestis Logothetis
    Dauer 12 min.
    Der Ausführende spielt in der angegebenen Richtung eine chromatische Skala über die gesamte Klaviatur, wobei jede Taste 8.5 sec. ausgehalten wird.
    - "Synchro-Scherzophren":
    Der Ausführende spielt eine Komposition, die er vorher auf Tonband produziert oder in ein Computerklavier (Fa. Bösendorfer) eingespielt hat. Das gleichzeitige Erklingen von Originalklang und "Scherzophren-Klang" gibt der Komposition eine zusätzliche, vom Komponisten erwünschte Dimension.
    Werkauswahl:
    Mauricio Kagel: Metapiece
    Anestis Logothetis: Diptychon
    Christoph Herndler: Autumn
    - "SCHERZophren":
    Der Ausführende (Besucher) spielt eine beliebige Komposition der Klassik oder der Gegenwart, das von Zuhörern und Spieler Erwartete tritt nicht ein.
HANS PETER KUHN
"Als das Verwünschen noch geholfen hat" (1988)
Klanginstallation für den Linzer Hauptplatz

Während der Zeitdauer der Ars Electronica steht in eine Ecke des Hauptplatzes ein Mikrofon auf einem Stativ, dessen Kabel in einen nahegelegenen Gully führt. Am diagonal gegenüberliegenden Ende des Platzes steht ein Lautsprecher, dessen Speisekabel aus einem nahegelegenen Gully kommt.

Ein Text auf einem an dem Mikrofon befestigten Schild fordert den zufälligen Passanten auf, seine Frustrationen, seinen Ärger in das Mikrofon zu sprechen, seine schlechte Laune sozusagen in den Gully zu kippen. Wie von Wunderhand werden all die Flüche und Verwünschungen im Untergrund der Kanalisation umgewandelt in Lobpreisungen und freundliche Wünsche an die Mitmenschen. Sie sind am anderen Ende des Platzes in dem dort aufgestellten Lautsprecher zu hören.
YOSHI WADA
"The Appointed Cloud III" (1988) Bei der Betrachtung von Yoshi Wadas Klanginstallation "The Appointed Cloud" mit den 80 unterschiedlichen Orgelpfeifen, einem riesigen Metallblechstreifen, mit Sirenen und dem Gong einer Dampfpfeife fragt man sich allmählich: Wie funktioniert dieses Instrument?

Die Seele des Werkes ist wohl Yoshi Wada, der "Muskel" jedoch ist ein kleiner Personalcomputer. Wada hat das Stück mit Hilfe eines Computerprogramms geschaffen, das der Elektroniker David Rayna erstellte, und dieses betreibt die Installation. Dieses Programm regelt den Luftzufluß zu den Pfeifen, läßt das riesige, fast sieben Meter lange Blech, das von der Decke hängt, dröhnend vibrieren und einen Hammer auf den Dampfpfeifengong schlagen. Die Besucher können selbst die Komposition verändern, indem sie auf einzelne Knöpfe drücken. Die Knöpfe verändern das Computerprogramm und produzieren ungezählte Variationen des Themas. "The Appointed Cloud" ist auf fortlaufende Zyklen von einstündiger Dauer programmiert. Wie üblich, kann der Besucher mit der Installation "The Appointed Cloud" selbst in Beziehung treten und sie aktivieren.
LIZ PHILLIPS
"Graphite Ground"
Interaktive Ton-Installation (1987)

"Graphite Ground" ist eine interaktive Klangskulpturinstallation, deren Raumgestaltung an einen japanischen Steingarten erinnert. In den vier Ecken des Raumes liegen große Bruchstücke von Kupfererz. Hölzerne Stege durchqueren den Raum und rosa Steinplatten aus Arizona sind als Wege ausgelegt.

Wände und Decke sind im weichen Platingrau gehalten und flaumige Wolle (wie man sie zur Schallisolierung verwendet) bedeckt den Boden wie eine leuchtende Wolke. Vier große Lautsprecher befinden sich in den Ecken des Raumes. In der Mitte des Raumes befinden sich hinter Trennwänden "Herz und Hirn" des Stückes – der Computer und der Synthesiser – und sind durch ein milchiges Gewebe zu sehen.

Innerhalb dieser quadrophonischen Klanglandschaft geschehen Klangereignisse. Das Publikum kann sich physisch jedem Objekt aus verschiedenen Perspektiven nähern, und jede Veränderung der Publikumsposition führt zu Veränderungen der Klanglandschaft. Der Klang bewegt sich in Kreisen und verbreitet sich wie ein leichter Nebel. Klangliche Formen bauen sich auf und zerfallen wieder, je nach dem Timing und der Stellung der Figur in diesem intimen Installationsbereich.

Für "Graphite Ground" werden Kapazitätsfelder verwendet, wie auch schon bei "Sunspots" und früheren Arbeiten (1971–81). Diese Felder erfühlen auf elektronischem Wege den Abstand von Personen zu den Objekten, die sie anstrahlen. Bislang wurden alle Objekte aus veredeltem Metall gemacht. Bei diesem Stück sind alle Objekte aus Felsformationen mit leitenden Einsprengungen natürlichen Kupfererzes. Vier Felsen strahlen je ein Kapazitätsfeld aus. Mit Hilfe von computergesteuerten Schaltungen können diese Felder erstmals in Vielfachschaltung genutzt werden. Außerdem können sich diese Computerschaltungen so anpassen, daß Änderungen des Wetters und der Personenzahl in Schwellengebieten berücksichtigt werden.

In "Graphite Ground" versuche ich, Begriffe elektronischen Bodens und natürlichen Bodens zu untersuchen und zu integrieren; elektronisch aktivierten Raum mit künstlerisch gestaltetem Raum; die Resonanz eines Objektes oder eines Raumes mit den klanglichen Phantasien über die Geschichte des Objektes. Spannungsenergie ist ein Mittel, um Zeit und Raum zu messen und zuzuordnen, wenn sie in Klangereignissen reflektiert werden. Klang wird wie in der Natur dazu verwendet, physikalischen Geschehnissen eine Stimme zu verleihen, und dient sowohl als Signal wie auch als Musik.
LIZ PHILLIPS
"Windspun for Linz" (1987) "WINDSPUN FOR LINZ" ist eine Klangskulptur, die reagiert; sie steht in einer engen und dynamischen Beziehung zu ihrer natürlichen und der vom Menschen geschaffenen Umgebung.

WINDSPUN setzt digitale und analoge Elektronik als Werkzeug ein, um aus der Umgebung, in der das Werk gehört wird, ständig eine Klangskulptur zu formen. Für WINDSPUN werden Mikroschaltungen niedrigen Energieverbrauchs verwendet. WINDSPUN reagiert auf die Umwelt durch Erfühlen von Windgeschwindigkeit und Windrichtung, wie diese auch durch ein Anemometer und die Stellung einer Wetterfahne angezeigt werden. Die Klänge sind sorgfältig auf die Akustik innerhalb des Hörbereichs abgestimmt und passen sich der Ambience der jeweiligen Umgebung an.

Die durch atmosphärische Kinetik geschaffenen Windmuster werden in Klangmuster umgestaltet. Die Sensoren befinden sich in einer einfachen Montagekonstruktion, in der auch sämtliche Kabel untergebracht sind. Die Einzelheiten dieser Konstruktion werden an Ort und Stelle entschieden. "WINDSPUN FOR LINZ" entsteht aus dieser Kombination atmosphärischer Kinetik und ihrer klanglichen Auslotung.

Die Klänge werden von vier Lautsprechern, die den Hörbereich umgeben, ausgestrahlt. Richtungswechsel und harmonische Bewegung der Klänge zwischen den Lautsprechern entsprechen der Windgeschwindigkeit.

Seit 15 Jahren macht Liz Phillips Installationen, die Klang als Hauptmaterial verwenden, um Ereignisse, die im dreidimensionalen Raum (und Zeit) stattfinden, darzustellen. Bei jeder Arbeit wird ein speziell entworfenes interaktives Elektroniksystem verwendet, um Klangstrukturen aufzuspüren, zu definieren und dann auf Synthesizer zu produzieren.

"Sunspots" (1979) und frühere Klanginstallationen messen und beschreiben Distanzen zwischen Publikum (Figur), Objekt (Sensor) und Boden. Ihre Installationen "Sound Syzygy" (1982) und "Sonar Eclipse" (1983) verwenden Echo aus drei sonischen Entfernungsmessern (von der Polaroid Corp. für automatische Fokuseinstellung bei Kameras entwickelt), um entlang 10,5 m langen Linien die Publikumsanwesenheit zu "hören". Ein in "Sound Syzygy" geschaffenes Bild zeigt ausgehauene Pfade, die dann vom Publikum erforscht werden.

"Windspurt" (1980) und "Come About" (1981) schaffen eine sich ändernde Landschaft und Klanglandschaft durch Impulse von natürlicher Energie. Windgeschwindigkeit und Richtung werden elektronisch erfühlt und lassen eine sich ständig neu entwickelnde Klangskulptur entstehen.
LIZ PHILLIPS
"Fluid Sound" (1988) Unter Einsatz neuer sonarer Technologien verschmilzt die in New York lebende Künstlerin Liz Phillips akustische und visuelle Kunstformen zu einem faszinierenden interaktiven Erlebnis. Ein computergesteuertes elektronisches System ertastet, bezeichnet und synthetisiert dann "Ereignisse", die im quadrophonischen Klangumfeld stattfinden. In der Mitte der Galerie befindet sich ein rechteckiges, mit Wasser gefülltes Becken, in dem Karpfen schwimmen.

Von diesem Becken strahlt ein Kapazitätsfeld in den gesamten Raum, und dadurch kann der Besucher selbst an der Schaffung des Klanges in diesem Raum teilhaben. Außerdem nehmen Ultraschall- und Infrarotsensoren den Standort, die Geschwindigkeit und die Bewegung der Fische auf. Für Phillips ist Klang ein greifbares Phänomen, er kann daher geformt und gestaltet werden und so die Feinheiten und die Dynamik von Raum und Zeit darstellen.
Beckengestaltung:
Jeremy Hamm, Designer
PETER WEIBEL
"Spektral Musik" (1987)
Klang-Monument für Johannes Kepler

Diese Klang-Skulptur bezieht ihr Material aus der Umwelt. Diese Installation bezieht aber nicht Töne aus der Umwelt, die sie dann verstärkt oder verändert wiedergibt, sondern sie bezieht BILDER aus der Umwelt, und nicht einmal aus der unmittelbaren Umwelt, sondern Bilder aus einer weit entfernten, orbitalen Umwelt. Diese Bilder werden tele- bzw. satelliten-kommuniziert. Was vor Ort geschieht, ist die Umwandlung der Bilder in Töne. Vor Ort hören wir die Töne von weit entfernten Bildern. Die umweltspezifischen Töne werden mit Hilfe eines Computers erzeugt, dessen Programm sowohl die visuellen Daten in akustische Daten umwandelt als auch die Klang-Komposition des Synthesizers rechnerisch steuert. Es handelt sich also um berechnete Musik, MUSICA COMPUTA. Diese ComputerMusik ist aber gleichzeitig MUSICA COSMOGRAPHICA, denn sie bezieht ihr Material aus der grafischen Beschreibung des Kosmos. Umweltspezifische Computermusik statt computerimmanente ist das Ergebnis dieser Klang-Installation.

Die Idee der Sphärenmusik wird beim Wort genommen und Musik von der Atmo-Sphäre direkt abgeleitet.
  1. Ein Wettersattelit namens Meteosat sendet seine digitalen Bilder (800 x 800 Bildpunkte pro Bild) von der Erde und von ihrem atmo-sphärischen Zustand direkt alle halben Stunden zu einer im Donaupark stationierten Satelliten-Antenne. Diese Antenne leitet die Bilder weiter zum Bildschirmspeicher des Computers, an den ein Monitor angeschlossen ist, auf dem diese Erd-Bilder (Kontinente, Wolken) zu sehen sind.

  2. Dieser Monitor befindet sich in der Erde, von einer Glasplatte überdeckt. Der Betrachter steigt auf eine Plattform und dann auf die Glasplatte über dem TV-Apparat. Wenn er auf den Bildschirm blickt, blickt er direkt in das Erdinnere, in das Zentrum der Erde, auf der er steht. Sein Blick aber hat eine Position weit jenseits der Erde. Der Mensch steht auf der Erde, sein Auge aber fliegt gleichsam über der Erde. Körperliche und visuelle Wahrnehmung sind gespalten. Er ist gleichzeitig anwesend (Körper) und abwesend (Auge). Live nimmt der Betrachter Bilder der Erde wahr, die er eigentlich nur sehen könnte, wenn er sich außerhalb der Erde befände. Er blickt in die Erde, aber gleichzeitig live auf die Erde von außen. Er steht auf der Erde, aber was er sieht, ist die Erde. Tausende Kilometer entfernt.

  3. Ein Computer. Ein künstliches Auge (Satellit) beschreibt den Kosmos, liefert uns Bilder vom (atmo-)sphärischen Zustand der Erde, die wir hier auf der Erde (in Linz) mit einer Antenne empfangen und auf einem Femsehschirm wiedergeben. Im Bildschirmspeicher des Computers können die letzten elf Bilder des Meteosat gespeichert werden. Die Spektralwerte dieser Wolken-Bilder (Weiß-, Grau-Werte) ergeben Kurven, die von einem eigens hergestellten Programm in akustische Kurven (Wellen) umgesetzt werden.

  4. Ein Synthesizer. Ein externalisiertes, im All frei schwebendes Auge, das wie ein Planet die Erde umkreist, die Satelliten-Kamera, liefert Bilder der Erde, die im TV-Schirm als Linien von Punkten aufgebaut werden. Diese Scan-Lines, gleichsam Spektrallinien der Bilder, tastet der Computer ab und verwendet sie als Grundlagen für die musikalische Komposition.

Das sich ständige verändernde Wetterbild der Erde liefert ein sich ständig veränderndes Klangbild. Das Computerprogramm, das die visuellen, digitalen Werte des Wetterbildes in akustische digitale Werte umgesetzt hat, steuert die musikalischen Parameter (wie Tonhöhe, -dauer, Klangfarbe etc.) im Synthesizer. Dadurch entsteht computerunterstützte Musik, die aus dem Sphärenkosmos (in Form von Wetter-Bildern) gewonnen wurde. Die Synthesizer-Klänge gehen dann über Verstärker zu den Lautsprechern in den "kontinentalen" Säulen.
HENNING CHRISTIANSEN
Schaf-Musik-Konzert-Schloß" (1988) Ich arbeite als Komponist gerne mit Tieren unter dem Motto: "Save the Nature – use it." Ich meine, wir müssen mit Tieren und Pflanzen wie mit Freunden (ja, wie einer Familie) umgehen. Wenn man mit der Natur unter ihren Bedingungen verkehrt, haben alle viel davon.
Diesmal, auf der Donauwiese vor dem Brucknerhaus, wähle ich 30 Schafe.
Motto: "Schafe statt Geigen." Die Wiese gehört sozusagen den Schafen, es ist ihr Gebiet, sie gehören da hin, und der Mensch kommt, um sie zu besuchen. Zusammen mit der Schafmusik, die aus dem Container Eins strömt, praktiziere ich jetzt im Container Zwei eine andere Idee. Ich habe versucht, Griegs Peer-Gynt-Suite "zurück zur Natur" zu bringen. Indem ich sie bearbeite, stelle ich mir vor, was Edvard Grieg im Gudbrandsdal in Norwegen gehört hat, bevor er diesen Klang für den Konzertsaal in die damalige Tonsprache umsetzte. Dieses Stück "Orchesterliteratur" reiße ich also jetzt aus seinem Konzertrahmen und bringe es mit Schafmusik auf der Wiese, vor der Donau, vor dem Brucknerhaus zusammen.
JOE JONES
"Solar Music" (1988) Nach meinen ersten Erfahrungen mit der Verwendung von Sonnenenergie in meiner Musik war es für mich nicht mehr leicht, zu batteriebetriebenen Stücken zurückzukehren. Durch Herumspielen mit den subtilen Veränderungen, die entstehen, wenn man verschiedene Kombinationen von Sonnenzellen und Motoren einsetzt – selbst unter denselben Lichtverhältnissen (Glühbirne) –, kam ich zu grundlegenden Ergebnissen, von denen ich eines auswählte, diese Kombination in die Sonne transferierte, wo wiederum in die Bewegung der Erde, die Wolkenformationen und der Wind die entstehenden Klänge manchmal sanft, manchmal radikal veränderten, weil die Spannung höher ist, wenn das Sonnenlicht direkt auf die Zellen scheint, und niedriger, wenn die Wolken ihre Schatten auf die Sonnenzellen werfen.

Der Wind spielt seinen Part teils sanft, teils weniger, je nachdem, wie er die Motoren und die Aufhängung der Instrumente bewegt und sie in Schwingungen versetzt. Die Kombination all dieser Faktoren schafft die Sonnenmusik für den jeweiligen Tag – von kompletter Dichte unter einem wolkenlosen Himmel zu Mittag bis zur Beinahe-Stille bei voll bedecktem Himmel und totaler Stille nach Sonnenuntergang.

Sonnenorchester: Die Verwendung von kompakten Notenpulten geht auf meine Anfangszeit (1962) zurück, einfach weil das Objekt als solches kompakt bleibt, weil man bei aller Einfachheit der Form Dinge darauf oder darunter stellen bzw. daran aufhängen kann.
Darüber hinaus suggeriert ein Notenpult den Begriff "Musik" auch in visueller Form. Stellt man die Sonnenzellen nun so auf, als wären sie Noten, so liegt der Witz der Sache darin, daß die "Noten" die Musik selbst "spielen", während die Sonne die eigentliche Partitur vorgibt. Die Aufstellung bzw. Aufhängung von Instrumenten am Notenpult mit dem jeweiligen Motor über dem histrument ist ebenfalls eng mit dem Instrument als solchem verbunden und komplettiert somit die "Inszenierung"
Sonnenglashaus: Stellt man das Sonnenorchester und aufgehängte Sonnenmusik-Instrumente in ein Glashaus, zwischen Grünpflanzen und Blumen, können die Leute durchspazieren oder sich in dieser geschlossenen Anlage niedersetzen, wobei die Klänge im geschlossenen Raum von der Umwelt etwas abgeschirmt sind.

(1)
AIR-DRUM ist ein neuartiges Instrument, bestehend aus zwei Trommelschlägeln, die sechs verschiedene Bewegungsrichtungen identifizieren und die Geschwindigkeit dieser Bewegung registrieren können. Diese Informationen werden an den Computer weitergeleitet, der sie als Grundstruktur in das gewünschte Musikprogramm einarbeitet.back

(2)
YCAMS (Yamaha Computer Assisted Musical System) umfaßt einen QX-1, QX-5 (Score Performance Device/Sequencer) und zwei TX-816 (FM-Klanggeneratoren).back