Weltmodell 2
'Richard Kriesche
Richard Kriesche
abstract: es gibt keine reine kommunikation zwischen menschen auf technischer grundlage. in der auf technischer grundlage basierenden kommunikation bekommen die rein technischen faktoren innerhalb dessen, was noch kommunikation ist, die eigentliche bedeutung: diese faktoren sind zu allererst kontrolle im sinne eines feedbacks und in zweiter linie beschuß im sinne von senden. erst der rest, der in diesem technischen verkehr übrig bleibt, kann als kommunikation im sinne der erstellung von multilogischen – aus dem dia-logischen entwickelt – wahrnehmungsfeldern bezeichnet werden. schließlich ist das "geglückte" zum-verschwinden-bringen der materiellen welt indiz dafür, daß kommunikation auch immer ihre eigene aufhebung mit einschließt (letzter aspekt ist teil eines anderen papiers).1. DAS BILD für unsere kultur ist es bezeichnend, daß bilder im zentrum des politischen stehen. bilder sind genetisch jene vom menschen apperzipierbare form höchster datendichte, und technisch repräsentieren bilder den optimalen (d. h. billigsten) datenspeicher. vor diesem hintergrund bekommt die bildende kunst eine kunst, die die welt bebildert – ihre überragende bedeutung. jede kommunikation muß konsequenterweise in diesem bildhintergrund ihre grundlage wie vollendung finden. im kontext einer technisch-elektronischen bebilderung bedeutet kunst, auf die ebene der kommunikation gebracht: welttransfer in blitzgeschwindigkeit. a) bildladung diese bilder, die diesen transfer gestatten, haben aber noch kaum etwas mit jenen bildern zu tun, bei deren betrachtung wir information, erbauung, lust, freude, erkenntnis beziehen beziehungsweise gewinnen. die bilder, die im neuen kommunikationsfeld operabel sind, haben eine gänzlich neue qualität. diese neue qualität der bilder beruht auf ihrem elektronischen ladungszustand, der, selbst zu papier geworden, also im sogenannten printout, als ästhetisches relikt in allen bildern wirksam bleibt. obige information ist nur noch leere konvention. die information des bildes ist nur noch der rahmen, der die ladungspotentiale zusammenhält. der einstige bilderrahmen hat als "freeze-frame" (der jederzeit in bewegung geraten kann, der jederzeit die geladene energie freisetzen kann) das gesamte bild ergriffen. dies ist die abstrakte botschaft der technischen information. die sozialisierung dieser abstrakten botschaft, also auch ihre kommunikative ausbeutung, zeigt uns, daß diese "freeze-frames" ausschließlich mit dem potential von krieg/spiel geladen sind. die elektronischen bilder beziehungsweise freeze-frames sind datenkombinationen, die unterschiedslos raumschiffe wie gefühle steuern. b) falschbilder bild kann von nun an alles sein, wie auch alles zu bild gemacht werden kann. daß uns über die sinne nur noch die falschen bilderzugänglich sind, zeigen uns täglich die falschfarbenbilder der wissenschaftlichen forschung. sie stehen am anfang der reihe von bildproduktionen, die die fälschung zur grundlage neuer erkenntnisse macht. fälschung ist das absolut gesetzte neue ladungspotential, das "echtheit" als eine form der fälschung ausgibt, ohne eine eigene kategorie innerhalb der wissenschaftlich-technischen bildkategorien zu sein. am ende dieser reihe steht dasbild, das die welt insgesamt als eine einzige fälschung ausgibt. bilder sind keine repräsentation der welt mehr, sondern wirkungen auf die welt. bild betrachten heißt daher auflösung der "freeze-frames", freisetzen der ladungspotentiale. darum hat bilderherstellen mit machtausübung zu tun. in der kommunikation mit blitzgeschwindigkeit steht am ende das globale blitzbild, das die welt selbst zu ihrem eigenen schatten werden läßt. (dem massenmedialen bildbombardement steht ein einziges blitzbild gegenüber, in welchem der körper den schatten, mit dem er bislang unauflöslich verbunden war, nicht mehr geworfen hat. im höchstenergetischen blitzbild in der geschichte der menschheit verschmolzen schließlich körper und schauen zu einer unlösbaren einheit. ich spreche vom bild "des kauernden menschen von hiroshima", in welchem dessen körper in seinem eigenen schauen aufgegangen ist.) in der kommunikation mit blitzbildern wird der schatten operabel. es ist die welt der magie, deren technischer zauber auf dem symbolischen aufbau der körper durch die maschinen und schließlich der auflösung der körper zugunsten ihrer schatten beruht. dem glanz der technischen bilder steht ein sinisterer magischer zauber gegenüber. denn alle digital-elektronischen bilder sind nur noch schatten eines mathematisch technischen universums. wird die "informationelle konvention" gebrochen, so daß die bilder zu deren schatten gerinnen, dann schlagen selbst die konventionellsten informationen wie bomben in die monitore ein. das informationelle bombardement entlädt seine "freeze-frames" zu einem blitz-krieg in friedenszeiten beziehungsweise zu einem einzigen blitz-spiel als krieg. WELTMODELL 2 entnimmt aus dem uns umgebenden datenenvironment signale (anm.: im gegebenen fall von einem x-beliebigen satelliten) zur steuerung der datenmenge. nicht bilder werden gezeigt, sondern deren "schatten", die bildschirme steuern. wie erstmals in hiroshima die trennung zwischen körper und dessen schatten aufgehoben wurde, verschmelzen im elektronischen bild kommunikation und information als steuerung. als "blitzinfonnation" schlägt sie als prozessuales kontinuum auf 25 monitore ein. körper und dessen schatten sind seit hiroshima nicht mehr gesplittet wie in WELTMODELL 2 die datenflut auf 25 monitoren. analog zum blitz kennt erstmals ein bild – das monitorbild – den schatten nicht mehr. aber nicht in der sehweise, daß es den schalten negiert, sondern insofern als es selbst schatten ist und licht(-blitze) erzeugt. monitorbilder sind die bildgewordene inkarnation des blitzes. aber im gegensatz zu den herkömmlichen blitzbildern sind die monitorbilder "schattenblitze". in den monitorbildern wird die mathematisch-technische welt als schattenwelt manifest, die alle "informationellen bilder" konstituierend begleitet. der mathematisch technische schatten ist form, die den "informationellen bildern" ihre energetische gewalt und macht verleiht. die bilder leben nicht aus ihrem glanz, sondern aus ihrem darunterliegenden technisch-apparativen mathematisch-naturwissenschaftlich begründeten schauen. kunst im informationellen environment ist nicht die beschäftigung mit information, sondern mit der die information konstituierenden schattenwelt, der körperlosen welt. wenn krieg das endspiel mit blitzbildern ist, dann ist kunst das kriegsspiel mit den schatten, wobei der schatten als negation des blitzes, der strahlung, der energie ganz allgemein, das heißt als der antikörper des blitzes, zu verstehen ist. damit bietet die kommunikation die grundlage beziehungsweise den hintergrund für das bestehen der "blitzbilder" und "schattenkörper". damit sind endgültig sender und empfänger, als die beiden enden der kommunikation, durch schatten beziehungsweise blitz abgelöst worden. dazwischen liegt informationelle konvention – kunst liegt außerhalb!2. KONTROLLE im elektronischen bild hat das bild seine informationsfunktion an die kontrollfunktion endgültig abgetreten. auf der ebene der kommunikation haben die bilder ihre semantische bedeutung zugunsten einer pragmatischen kontrolle eingebüßt. wenn heute in einem industriellen stil in bildern, das heißt in die bildproduktion von video, c-graphik, simulationstechniken, investiert wird, so deshalb, weil man über die bilder kontrolle ausüben kann und weil – was noch wichtiger ist – von bildern kontrolle ausgeht (kirche und bild im mittelalter/bildung). innerhalb der abendländischen tradition stand das bild als kommunikationsmedium zwischen gott und den gläubigen und mutierte von einer kognitiven zu einer emotionalen, von einer mystischen zu einer wunderheilungsfunktion, von einer andachts- und verehrungsfunktion (marien- und heiligenbilder) zu einer befehlsfunktion (herrscherbilder). schließlich sind es die herrscherbilder gewesen, die zwischen herrscher und untertanen vermitteln sollten und den betrachter tatsächlich ob ihrer gewalt, größe und strahlkraft prophylaktisch auf die knie zwingen sollten. diese haben im elektronischen bild ihre vollendung noch vor sich. (anstatt auf die knie sind wir mittelfristig auf unser gesäß gezwungen worden, wenn wir bilder betrachten, aber auch wenn wir sie produzieren!) das bild des einstigen herrschers hat sich im industriellen selbstporträt zu einem machtbild aller gewandelt. das porträt des herrschers wird jetzt von einem jeden von uns in aller öffentlichkeit getragen (die macht des porträtfotos im paß öffnet uns die grenzen, das porträtfoto im führerschein gestattet uns, ein auto zu fahren, etc.). herrschaft ist mit dem selbstporträt des herrschaft ausübenden verbunden. diese herrschaft beruht aber noch, wie in der feudalherrschaft, auf vereinbarung beziehungsweise konvention. erst im maschinenlesbaren selbstporträt wird die vereinbarung gebrochen, in den technisch apparativen bereich delegiert und sozial für überflüssig erklärt. damit ist das porträt zum freeze-frame geworden, zum träger physischer gewalt, aber nicht allein gegen außen, sondern erstmals gegen den porträtierten selbst. das ist das historisch einmalige und erstmalige in der geschichte der bilder. diese herrschaft über sich und andere ist im nicht-mehr-lesbaren selbstporträt kodiert. der freeze-frame-status des bildes ermöglicht beziehungsweise verhindert nun tatsächlich den zutritt in verschlossene räume, das öffnen tonnenschwerer türen, das starten millionenteurer anlagen) etc. im freeze-frame-status ist das porträt des "herrschers" (das selbstporträt des trägers) obsolet geworden. das selbstporträt bezieht sich bestenfalls noch auf die soziale verträglichkeit des trägers, auf sentiment. in jedem fall kann im freeze-frame-status auf das selbstbildnis des trägers verzichtet werden, wie dies stellvertretend für meine individualität und persönlichkeit die überpersönlichkeit des holographierten beethovens auf "meiner" eurocard zeigt. bild wie selbstbild haben auf der ebene der kommunikation (auch derkunst) ihre singuläre bedeutung eingebüßt. das selbstbildnis ist nicht auf den anderen gerichtet, sondern – welche fügung des begriffs(!) – nur noch auf sich selbst. dadurch sagt es jedem nichts. (der träger trägt auf einem kommunikativen niveau in erinnerung an sich selbst seine eigene ikone herum, eine beschwörung seiner selbst, ein amulett für sein selbst! die kommunikation erschöpft sich im monolog.) das herrscherporträt, das selbstbild, jedes bild hat sich gewandelt in den "freeze-frame", das heißt, es ist nur noch träger beziehungsweise behältnis der potentiellen energie, von der eingangs die rede war. mit dem freeze-frame-status sind wir ins bilderlose zeitalter der kommunikation eingetreten. im freeze-frame-status sind uns nicht nur die bilder abhanden gekommen, sondern auch unsere sinne. unsere sinne haben über diesen bildstatus keine verfügungsgewalt. das sichtbare bild ist nur der träger der datenspur, über die der träger keine kenntnis mehr besitzt. er trägt sein bild als ohnmächtigen ausdruck dessen, daß er sich selbst nicht mehr kennt. er hat keine kontrolle mehr über sich selbst. das selbstbildnis suggeriert ihm dies dadurch, daß er kontrolle ausüben kann. freeze frame zur öffnung von tonnenschweren türen, milliardenteuren safes etc. dieses bild mit der datenspur zu tragen, ist ausdruck eigener unkenntnis von sich selbst. das omnipräsente selbstporträt des bürgers – das das omnipräsente herrscherbild abgelöst hat – ist zum gesellschaftlichen ausdruck der in unkenntnis über sich selbst gelassenen gesellschaft geworden. angesichts des selbstporträts auf den anzügen blusen, mänteln in den labors, forschungsstätten, firmen, bei tagungsteilnehmern, militärs etc. wird dem elektronischen menschen klar, daß jedes bildnis nur noch das material für die maschinelle – maschinenlesbare – kontrolle ist. damit wird gezeigt, daß der mensch selbst zunehmend einen freeze-frame-status einnimmt. er strahlt ab, wodurch über ihn kontrolle ausgeübt werden kann. im elektronischen raum hat sich der "sehstrahl" – angelegt als erkenntnisstrahl – in einen elektronenstrahl als "kontrollstrahl" verwandelt. damit kann auf jede repräsentationsform des subjektes endgültig verzichtet werden, weil auf das sehen des subjektes selbst zugegriffen werden kann.(zit.: messe zeitung hannover, ce-bit, 11. märz 1989: DIE ADERN DER NETZHAUT ALS BEWEIS) jeder mensch hat, wer weiß es nicht, ein unverwechselbares erkennungsmerkmal. die kapillarlinien der fingerkuppen. der typische fingerabdruck ist zwar ein entscheidendes identifikationsmerkmal – doch die genauigkeit läßt in manchen fällen zu wünschen übrig. ein system, das erheblich genauer und weltweit bereits für die eindeutige positive erkennung von personen angewendet wird, ist die einmalige und unverwechselbare erfassung der blutgefäßstruktur der menschlichen retina. dieses EyeDentification-System, auf dieser messe von dem münchner unternehmen nucletron präsentiert, basiert auf der innovativen technik, eine absolut verläßliche besonderheit des menschen zu indentifizieren: die anordnung der adern in der netzhaut des auges. selbst eineiige zwillinge besitzen unterschiedliche strukturen in der netzhaut und sind deshalb eindeutig zu erkennen. die wahrscheinlichkeit, daß das system eine unbefugte person akzeptiert, beträgt nur 1:1 million. und so funktioniert das sicherheits- und erkennungssystem: will eine person beispielsweise den sicherheitsbereich eines kernkraftwerkes betreten, muß sie vorher einen leuchtpunkt innerhalb des okulars des prüfgerätes anvisieren. ein äußerst empfindlicher sensor tastet dann "augenblicklich" eine kreisförmige zone der retina ab und setzt die meßwerte in digitale impulse um, die dann umgehend abgespeichert werden. der ganze prüfvorgang datiert weniger als eine minute. wenn der zutritt zu dem erwähnten sicherheitstrakt des kernkraftwerkes freigegeben werden soll, wird auf den prüfknopf gedrückt. das system vergleicht dann das charakteristische muster in der netzhaut der person mit den eingespeicherten signaturen dieses menschen. wird die übereinstimmung der netzhautmuster bestätigt, schaltet sich der sicherheitsmechanismus automatisch ab und gibt den zutritt zu dem sicherheitsbereich frei. das EyeDentification-System arbeitet den angaben zufolge mit bisher unerreichter sicherheit, die alle gesundheitlichen bestimmungen und unfallschutzverordnungen übertrifft. dabei entspricht die intensität der lichtquelle dem wert einer kühlschrankleuchte. forschungseinrichtungen, bankinstitute, regierungsbehördem militärische einrichtungen, flughäfen, rechenzentren, datenbanken sind nur einige beispiele für dieses identifizierungssystem.
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