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Ars Electronica 1989
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Festival 1979-2007
 

 

Stadtwerkstatt-TV




Die Kulturarbeit der Stadtwerkstatt ist interdisziplinär. Von Beginn an ging es um eine erlebnisbetonte Inszenierung von kulturellen Unternehmungen. Die intensive Art der Auseinandersetzung wurde durch die lange Jahre praktizierte Verschränkung von Leben und Arbeit der Mitarbeiter und dem öffentlichen Kulturbetrieb unter einem Dach gefördert. Obwohl mit der Zeit der Einsatz technischer Medien (vor allem Video) nicht zuletzt zum Zweck der Dokumentation des umfangreichen künstlerischen Outputs zunahm und schließlich mit der Gründung des Projekts Stadtwerkstatt-TV eine starke Konzentration auf das Medium erfolgte, herrschte zugleich eine ständige Skepsis den medienimmanenten Qualitäten gegenüber vor. Diese Skepsis, gepaart mit dem Bedürfnis nach Entwicklung neuer und eigenständiger Anwendungsformen vor allem des Mediums TV gaben Anlaß zu Durchführung diverser Medienprojekte und zur laufenden Beschäftigung mit medienspezifischen Fragen.
Zusammenfassend läßt sich für die Stadtwerkstatt die Absicht, mit den Medien Fernsehen und Radio zu arbeiten, auf folgende Motive zurückführen:

– Erschließung einer neuen Ebene für die Vermittlung der spezifisch künstlerischen, inhaltlichen, ästhetischen Arbeit der Stadtwerkstatt, damit die Möglichkeit, einem größeren Zuhörer-/-seherkreis zugänglich zu sein, das heißt, die Funktion der Medien als Sprachrohr zu nutzen.

– Als einen Beitrag zur gegenwärtigen medienphilosophischen Diskussion bezüglich der Definition von Einsatz und Gebrauch von Fernsehen/Video/Radio als künstlerische Medien sieht Stadtwerkstatt-TV den Anspruch, diese als Werkzeug, in seiner pursten Bedeutung, einzusetzen, vergleichbar mit dem Pinsel als Werkzeug für den Maler. Die Reflexion über das Medium erfährt insofern eine klare Tendenz, als es um die adäquate, angewandte Bearbeitung eines Gedankens, eines Konzertes, eines Interviews, eines Textes und so weiter geht, um die künstlerische Bearbeitung mittels des Werkzeugs TV.
"Das Medium Fernsehen wird als künstlerisches Mittel verwendet, im Unterschied dazu, lediglich Kunst im Fernsehen zu zeigen."
Diese Interpretation der Fernseharbeit durch Stadtwerkstatt-TV (1987) birgt, im speziellen in Österreich, politischen Zündstoff in sich, da die Monopolisierung von Radio und TV die Installierung beziehungsweise Ausstrahlung eines unabhängigen, künstlerischen Kanals/Programms außerhalb der staatlichen Medieneinnchtungen untersagt, und sei es nur für ein paar Tage (zum Beispiel im Rahmen eines Medienfestivals). Dieser Umstand bewirkt naturgemäß eine drastische Begrenzung für derlei Unternehmungen, zwingt aber auf der anderen Seite dazu, Alternativen für die Realisierung von TV-Projekten zu erarbeiten, was im Fall von Stadtwerkstatt-TV zu eigenständigen und bemerkenswerten Ergebnissen geführt hat, die anhand bereits durchgeführter beziehungsweise in Vorbereitung befindlicher Projekte abzulesen sind.
Zugleich zielt das oben zitierte Statement darauf ab, sich im Fall der Stadtwerkstatt auf die Qualitäten einer offensiven und interdisziplinären Kulturarbeit zu besinnen und den Inhalt der Kunst nicht in den Dienst des Mediums zu stellen, sondern die Veränderung und Neubewertung des Mediums zum Inhalt der Kunst zu machen.

– Von der Tradition ihrer Kulturarbeit ausgehend, ist es ein Schwerpunkt der Medienarbeit der Stadtwerkstatt, die Fähigkeiten des Mediums TV auf die gelungene Vermittlung von Live-Ereignissen zu konzentrieren und im Zusammenhang mit TV-Projekten Inszenierungen in Hinsicht auf ihre medienspezifische Bearbeitung und Vermittlung zu entwerfen. Dem Konzert Hauptplatzbaustelle lag das Motto zugrunde: "Fernsehen ist eine Veranstaltung". Über die Aufzeichnung und Ausstrahlung des Konzerts mittels Kameras–Mischer–Videowalls beziehungsweise der geplanten Einspielung in das regionale TV-Kabel-Netz hinaus wurde die Veranstaltung selbst als live inszeniertes Fernsehen definiert. Das Verständnis dem Fernsehen gegenüber sprengte den Rahmen des Apparats und vergrößerte diesen Rahmen auf die Ausmaße des Linzer Hauptplatzes. Diese Haltungs- und Vorgehensweise wird von der Stadtwerkstatt zudem verschiedentlich bei der Gestaltung von Sendungen in ausländischen Sendestationen, aber auch, wie zuletzt bei zwei einstündigen Sendungen über die Stadtwerkstatt-Musik, in Programmen des österreichischen Rundfunks umgesetzt und ist eine wesentliche Komponente für die Konzeption weiterer Projekte von Stadtwerkstatt-TV.

– Neben dem Versuch,auf diese Weise Unmittelbarkeit zu forcieren, liegt die Qualität der technischeu Medien für die Stadtwerkstatt in der Aufwertung der Kommunikation als Inhalt des Gebrauchs der Medientechnologie. Als kurzentschlossene Reaktion auf die Einseitigkeit der Beschickung durch das TV propagierte Stadtwerkstatt-TV 1987: "… Jeder Empfänger ist, wenn er es will, auch ein Sender … Es gibt also eventuell so viele Sender wie Empfänger." Damit wurde eine vehemente Aussage getroffen, das Fernsehen zum Kommunikationswerkzeug aufzuwerten, das in mehr als nur eine Richtung funktioniert. Damit kann auch ein Schritt unternommen werden, den Mythos, der dem Fernsehen anhaftet, zu demontieren und Anlaß zu geben, die Vielfalt der Vorstellungen von der Welt vielfältig präsent und damit wirklich werden zu lassen.

– Die Entmythisierung der Institution Fernsehen hat ursächlich mit einem veränderten Selbstverständnis in der formalen Handhabung zu tun. Stadtwerkstatt-TV versteht sich als ästhetisches Experiment. Angesichts des durch kommerzielle und staatliche Sender geprägten Niveaus der Fernsehprogramme hat sich eine innovative Fernsehkunst auf die Entkräftung des Zwanges nach Perfektion, Sensation, Information und Unterhaltung eines Programminhalts zu richten und eine Neubewertung dieser Faktoren zu untersuchen. In dieser Hinsicht arbeitet Stadtwerkstatt-TV als Medienlabor, dessen Erfahrungen und Ergebnisse anhand durchgeführter Projekte angewendet und zur öffentlichen Diskussion gestellt werden.

– Im Zusammenhang mit der globalen kulturellen Situation sieht sich die Stadtwerkstatt als Bestandteil eines internationalen Netzwerks von unabhängig organisierten und künstlerisch/medienmäßig innovativ orientierten Strukturen und Initiativen, die sich die Aufgabe stellen, Freiräume für die avancierte Problematisierung von Fragen der zeitgenössisehen Medienkultur herzustellen. Im Vordergrund des gemeinsamen Interesses dieser Initiativen steht die Absicht, eine von kommerziellen und vordergründig politischen Belangen unbeeinflußte Form der kulturellen Auseinandersetzung auszutragen und die Vermittlung und Verwertung von Inhalt, Ästhetik und Ausdruck dieser Arbeit selbst in die Hand zu nehmen. Dieser Vorsatz steht in Verbindung mit dem Konzept der De-Kolonisation, des Sich-Freimachens von einseitigen Kriterien der Medien- beziehungsweise Kulturindustrie, mit dem Ziel, die künstlerische Medienarbeit in überschaubaren und selbstbestimmten Bedingungen zu vollziehen und damit Raum zur Weiterentwicklung der für Künstler ausschlaggebenden Anliegen in der Kultur- und Medienarbeit zu schaffen.