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Ars Electronica 1989
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2021 The Life People
A FOUR PART MINI-SOUND SERIES FOR Ars Electronica, LINZ

'Maryanne Amacher Maryanne Amacher

Hintergrundanmerkung
TELEKOMMUNIKATION UND DIE "HÖRER-MUSIK"
Zwei Richtungen in meiner Arbeit
Der Einsatz von Telekommunikationstechnologie ist seit 1967 ein wichtiger Aspekt in meinem Werk. Insgesamt habe ich 21 Werke in der Telekommunikationsserie geschaffen: "City-Links". Ich produziere City-Links mit Klängen aus der Umwelt-Atmosphäre und mit Live-Musikern – auf verschiedene Plätze der Stadt verteilt, oder auf Städte und Länder –, deren Musik live übertragen und zu Konzerten, Sendungen, Ausstellungen und zu Forschungszwecken gemischt wird.

Mit Telekommunikation schaffe ich spezialisierte akustische Situationen bei Performances, Installationen und bei längeren Perioden einer Studiotätigkeit, die allesamt anders nicht realisiert werden könnten. In der Mini-Sound-Serie für Ars Electronica 89 werde ich diesen wichtigen Teil meiner Arbeit erstmalig mit einem anderen kombinieren – den sogenannten "psychoakustischen Phänomenen". Meine neuere musikalische Arbeit und Forschung konzentriert sich auf die Erforschung unserer perzeptiven Antworten auf die Musik – die Töne und die Melodiemuster, die innerhalb unseres Körpers und unseres Nervensystems geformt werden –, die "Klangwelt", die der Zuhörer bei der Präsenz von Musik selbst erzeugt.

Durch die Kombination dieser beiden Aspekte meiner Arbeit werde ich die Telekommunikations-Verbindungen auf eine wesentlich verfeinerte Art benutzen, nicht nur als reine Mittel der Übertragung und des Empfangens von Klanginformation und zur Vereinfachung der Interaktion zwischen weit auseinanderliegenden Orten. Ich werde programmierbare Telekommunikations-Technologien einsetzen, um direkt mit den PERZEPTIVEN REAKTIONEN DES ZUHÖRERS AUF DIE MUSIK zu interagieren, zusätzlich zu der zwischen den dislozierten Orten ausgetauschten Musikinformation.

Mein Ziel ist die Erzeugung progammierbarer Szenarien, die dramatisch die Aufmerksamkeit auf unsere Sensitivität und Perzeption lenken, wenn wir auf Musik reagieren, damit die vielen Dimensionen dieser "Klangwelt" sichtbar werden. Mit meiner Musik möchte ich bewußte Erfahrung der "Musik des Hörers" hervorrufen, wie sie bisher nur subliminell erfahrbar war und über Jahre hinweg unterdrückt wurde. Mit der digitalen Instrumentation der Gegenwart sind solche Versuche bei der musikalischen Komposition heute wesentlich leichter durchzuführen.
OHREN ALS INSTRUMENTE
DER GEIST GIBT FORM
Als Resonanz auf die Musik agieren unsere Ohren als Musikinstrumente, sie "spielen ihre eigenen Töne" zusätzlich zu den vorhandenen Instrumenten, als würde ein neues Instrument zur Band dazustoßen. Die Neuro-Anatomie reagiert und schafft Raum für subtilste Spuren akustischer Information. Wir "hören" andere als die vorgegebenen Töne, wie sie im Inneren unserer Ohren Form annehmen, indem das Trommelfell als Reaktion auf vorgegebene akustische Töne zu vibrieren beginnt.

Mir gefällt der Gedanke, daß der Zuhörer auf bestimmte BESONDERS EMPFINDLICHE RESONANZINSTRUMENTE innerhalb der anatomischen Struktur des Innenohres reagiert. In Wahrheit horchen wir auf das, was unser Gehörsystem DANK SEINER FÄHIGKEIT AUF SUBTILSTE VERÄNDERUNGEN IN DER FORM DES SCHWINGUNGSMUSTERS ZU REAGIEREN vernimmt, wenn es auf die akustischen Töne anspricht. Wir "hören" die Codierung als Antwort einer ENTWICKELTEN SENSITIVITÄT, die Informationen aus Details der Vibrationsmuster extrahiert (so entsteht die subjektive Tonhöhe).
INTERAKTIVES TELEKOMMUNIKATIONSKONZEPT
für die Mini-Sound-Serie
"INTELLIGENZ ZWEITER ORDNUNG"
für interaktive Szenarien und Telekommunikationssysteme
Das interaktive System TeleLink, das für die Mini-Sound-Serie konzipiert wurde, hat außer den bekannten Übertragungs-, Steuerungs- und Austauschfunktionen akustischer und musikalischer Informationen zwischen dislozierten Punkten noch andere Funktionen. Es läßt einen Zugriff auf eine "Geographie der Perzeption" zu. Im Zusammenhang mit den interaktiven Telekommunikationsszenarios repräsentiert die Mini-Sound-Serie ein wichtiges Konzept.

Mit der heutigen programmierbaren Technologie können Szenarien erzeugt werden, die auf UNSERE SENSITIVITÄT UND PERZEPTION IN REAKTION AUF MUSIK ansprechen. Zusätzlich zur Interaktion mit voneinander räumlich getrennten Musikern können telemetrische Situationen so konzipiert werden, daß sie mit der subtileren Information interagieren, die in unserem Nervensystem produziert wird. Interaktive digitale Systeme in der Mini-Sound-Serie können programmiert werden, damit sie auf PERZEPTUELLE INFORMATION reagieren, sie verstärken und mit ihr kommunizieren. Die Mini-Sound-Serie kann den Sitz ihrer "Intelligenz" in New York haben, die mit der PERZEPTUELLEN REAKTION DER ZUHÖRER (im Brucknerhaus) interagiert. Diese Intelligenz wird jene "KLANGWELTEN" erkennen, beantworten und verstärken, die der Hörer in sich selbst als Reaktion auf die Musik im Stiftersaal erzeugt.

Das spezielle Konzept, das durch dieses Werk ausgedrückt wird (besonders im Zusammenhang mit den heutigen programmierbaren Telekommunikationstechnologien), besagt, daß die "Intelligenz" (in New York) PRIMÄR AN DEN REAKTIONEN DER BESUCHER (im Brucknerhaus) orientiert ist. Sie interagiert mit der zwischen verschiedenen Plätzen ausgetauschten Musik speziell, um die VOM ZUHÖRER GESCHAFFENE KLANGWELT im Brucknerhaus zu verstärken.

Dieses Konzept unterscheidet sich von anderen Ansätzen zur Intelligenz in interaktiven Musikszenarien und Telekommunikationsnetzwerken. In diesen Systemen interagiert die Systemintelligenz mit akustischen Informationen, die gesendet und empfangen werden, und erleichtert den Austausch und die Komposition musikalischer Ideen und Erfahrungen zwischen verschiedenen Orten. Sie konzentriert sich auf Rhythmus, Melodiestrukturen, Klangfarben und musikalische Stile, die verändert, ausgetauscht und in neue Kontexte eingebaut werden. So spielt beispielsweise das Programm des A die Instrumente des B, die Posaune des B die Violine des A, As rhythmische Muster verformen Bs Musik und/oder Bilder; Bs Instrumente interagieren mit spezifischen melodischen Charakteristiken in der Musik des A (ich nenne das "Intelligenz erster Ordnung").

In der Mini-Sound-Serie interagiert die "Intelligenz" mit UNSERER SENSITIVITÄT UND WAHRNEHMUNG IN REAKTION AUF MUSIK. (Ich nenne das "Intelligenz zweiter Ordnung".) Die Intelligenz findet Zutritt zu einer "Geographie der Perzeption", indem sie mit der akustischen Information im Raum interagiert (diese kommt teilweise aus dem Stiftersaal, teilweise aus New York); ebenso aber mit der perzeptuellen Information, die im Inneren des Zuhörers geformt wird (Klangempfindungen und Mustermodulationen, die der Zuhörer als Reaktion auf die Musik erzeugt – ich nenne das die "Musik des Zuhörers"). Interaktive Szenarien für die Mini-Sound-Serie werden im Feld der vier akustischen Dimensionen und der "Zuhörermusik" entwickelt.

Die Systemintelligenz ist so ausgelegt, daß der eingehende Live-Sound aus dem Computer in New York Frequenzen aufweisen wird, die jene "unserer Ohren" im Stiftersaal ergänzen. Das von mir entwickelte Programm decodiert meine Musik im Stiftersaal, die von Reeve und mir interaktiv über eine Verbindung erzeugte Musik, die Live-Musik und die Umweltgeräusche des NEW YORK GLOBAL UNDERGROUND, und antwortet darauf durch die Erzeugung neuer Töne und Melodieformen, die mit der perzeptuellen Klangwelt des Zuhörers interagieren. Der Klang, den ich von dieser Verbindungsleitung erhalte, wird die Erfahrung dieser respondierenden Töne verstärken, die normalerweise nur subliminell registriert werden. Das ENHANCER PROGRAMM (in New York) ist speziell konstruiert, um die ERFAHRUNG UNSERER OHREN ALS INSTRUMENTE, DIE IHRE MUSIK SPIELEN, ZU VERSTÄRKEN. Mit diesen Verstärkungen aus dem "Enhancer" erleben wir melodische Formen, als "lebten" diese im Inneren unserer Ohren.
DIE STARS DER MINI-SOUND-SERIE
Eine ferne Intelligenz in New York mit folgenden Agenten:
The Recognizer (der Erkenner)
The Enhancer (der Verstärker)
The Communicators (die Kommunikatoren)
The New York Global Music Underground.
Meine Aufführungsinstrumente im Stiftersaal sind mit einer "Intelligenz" in New York verbunden, die so ausgelegt ist, daß sie die im Saal gespielte Musik, die von Reeve und mir interaktiv über eine Verbindung erzeugte Musik, die Live-Musik und die Umweltgeräusche des NEW YORK GLOBAL UNDERGROUND decodiert und darauf in spezieller Weise mit der perzeptuellen Klangwelt des Zuhörers interagiert.

Die interaktive Telekommunikationsverbindung ist so aufgebaut, daß einlangender Computersound aus New York Frequenzen aufweist, die jene in "unseren Ohren" im Stiftersaal ergänzen. Das TeleLink nach New York wird als 1. Informationskanal zur Übertragung der Live-Musik der NEW YORK GLOBAL MUSIC UNDERGROUND (die ich in die Story der Mini-Sound-Serie einbauen werde) und 2. als Zugang zu einer "Intelligenz" in New York ausgelegt, die ihrerseits die Musik im Stiftersaal decodiert (auch die Musik und Umweltgeräusche, die vom Times Square kommen) und mit der "Zuhörermusik" interagiert.

Die ferne "Intelligenz" hat drei führende "Agenten": den RECOGNIZER, den ENHANCER und die COMMUNICATORS.

Der RECOGNIZER (in New York) "lauscht" den Tönen der KLANGWELT, DIE INNERHALB "unserer Ohren" existiert (Brucknerhaus). Er decodiert die akustische Information und identifiziert das SZENARIO DER TÖNE im Inneren der Zuhörerohren als Reaktion auf die im Stiftersaal gespielte Musik sowie die Musik und Umweltgeräusche vom NEW YORK GLOBAL MUSIC UNDERGROUND.

Der ENHANCER (in New York) reagiert mit Intervallkombinationen und Frequenzen, die speziell darauf abgestimmt sind, die ERFAHRUNGEN UNSERER OHREN ALS SELBSTÄNDIGE MUSIKINSTRUMENTE ZU VERSTÄRKEN. Der ENHANCER verstärkt unsere Erfahrungen dieser Reaktions-Töne auf die Musik, die normalerweise unter der Bewußtseinsschwelle registriert werden. Durch diese Verstärkungen aus dem ENHANCER erleben wir musikalische Formen wie "lebendig" innerhalb unserer Ohren.

Die COMMUNICATORS (in New York) produzieren andere Töne und melodische Kombinationen, die die Klangwelt des Zuhörers und die Musik im Raum ausschmücken und mit ihnen interagieren. Diese Kommunikatoren sind eine Kategorie von Tönen, die in Melodie, Rhythmus, Tonhöhe und Intervallbeziehungen speziell auf die Töne und Klangmuster abgestimmt sind, die in der "Zuhörermusik" erklingen. Ein taktiles Wechselspiel zwischen den Communicators, der "Zuhörermusik" und der Musik samt den Umweltgeräuschen im Saal wird kultiviert, ein sehr komplexer Vorgang. Die Communicators verknüpfen ihre Musik mit unseren Tonreaktionen, die normalerweise nur unterbewußt erlebt werden.
ZUSAMMENFASSUNG
Der RECOGNIZER entschlüsselt die akustische Information und identifiziert die "Zuhörermusik". Der ENHANCER verstärkt die Erfahrung unserer Ohren als Instrumente "mit eigener Musik" – Antworttöne und Melodieformen, die normalerweise subliminell registriert werden. Die COMMUNICATORS "sprechen", "berühren", kultivieren taktile Formen und Rhythmen, stellen eine Verbindung zwischen den Tönen im Raum und Tonerfahrungen im Zuhörer her. Mit melodischen Formen, Rhythmen und Tönen verzieren sie Formen, die in der "Musik im Zuhörer" widerklingen.
MUSIC-THEATER
Die Story der Mini-Sound-Serie wird sich rund um zwei dramatisch verschiedene Klangwelten entwickeln: die eine innerhalb von uns – tiefe und tiefste Töne –, die in der Vergangenheit nur subliminell wahrgenommen wurde, die sogenannten "Zuhörermusik", und – als größter Gegensatz dazu – der TIMES SQUARE und GLOBAL MUSIC UNDERGROUND.
ANMERKUNG
Details über das Nervensystem
Ich möchte an dieser Stelle noch klarlegen, inwieweit das interaktive Konzept für die Mini-Sound-Serie von anderen Arten programmierbarer Szenarien im Zusammenhang mit den heutigen Telekommunikationssystemen differiert. Intelligenz wird nicht nur direkt auf die akustische Information angewendet, sondern auf das, was wir mit dieser Information bei der Wahrnehmung als menschlich Reagierende tun – "unser Hören und seine Ausformung in Ohr und Geist". Die Intelligenz wird über den Austausch und die Steuerung akustischer Information hinausgeleitet und richtet sich AUF DAS NETZWERK DES NERVENSYSTEMS – auf alles, was mit uns beim Vorliegen musikalischer Information geschieht, was wir mit dieser Information als biologische Rezipienten machen, auf die Töne und Melodieformen, die wir als Antwort auf diesen Input erzeugen.