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Ars Electronica 1989
Festival-Program 1989
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Festival 1979-2007
 

 

Colourspace
EINE SKULPTUR VON MAURICE AGIS

'Judith Ryser Judith Ryser

Maurice Agis ist ein passionierter Verfechter der "Öffentlichkeitskunst". Er ist versessen darauf, seine leuchtend bunten PVC-Skulpturen auf öffentlichen Plätzen auszustellen – so kommuniziert und interagiert er mit dem Publikum. Agis hat das PVC gewählt, um jene Verspieltheit und Freude auszudrücken, die er mit Kunst assoziiert und die seiner Ansicht nach Teil des Alltagslebens von jedermann sein sollte. Seine weichen PVC-Plastiken verleiten das Publikum zum Greifen und zum Spielen, jedes Publikum und überall. Colourspace ist Kunst ohne Symbolismus, Kunst ohne anekdotische Bedeutung, Kunst als Idee, ein Konzept. Und Agis will solche Kunst für jedermann zugänglich machen. Sie wird mit dem gleichen Zweck in formalen Kulturetablissements dargestellt, in Kunstzentren, bei Festivals, an Orten voll Macht und Prestige, städtischen Plätzen, auf Promenaden, die die physische Welt des Einkaufs ornamentieren, in königlichen Parks, in häuslicher Umgebung, unter der Dorflinde, bei innerstädtischen Wohnsilos, übriggebliebenem öffentlichen Raum, Autobahnparkplätzen. Colourspace gehört überall dort hin, wo es die oftmals allzu triste Welt verschönern kann, in der die Menschen leben und arbeiten.

Agis' Skulpturen leben mit und durch die Besucher, die ein aktiver Teil des Kunstwerks werden. Seine Kunst induziert Kommunikation unter denen, die sie erfahren. Als aktive Teile von Colourspace interagieren die Besucher miteinander. Manchmal treten Tänzer und Schauspieler auf, die die Mitwirkung weiter verstärken.

Colourspace drückt den Willen des Künstlers aus, Farbe, Licht, Klang und Bewegung zu vereinigen. Er erfand Colourspace als die Dimension des "menschlichen Wesens", als einen Ort, wo Besucher eintreten und mit ihren Sinnen forschen können, als Raum zur Stimulierung ihrer Sensibilität, als Ansporn, längst verlorene Erinnerungen aufzufrischen, über andere Realitäten zu phantasieren. Wenn die Betrachter in ein reines Reich der Farben eingetaucht werden, so bleibt die restliche Welt ferne, wird nur im wechselnden Licht reflektiert, doch ihre innere Welt vibriert mit den Farben, der Musik, den Klängen, auf die sie mit ihren Bewegungen durch die Skulptur antworten.

Colourspace besteht aus 64 blauen, gelben, grünen, roten und silbergrauen Zellen, je 3,5 x 3,5 x 3,5 Meter groß. Aufgebaut ergeben sie eine temporäre Skulptur von gut 30 x 30 Metern. Das Material besteht aus speziell gefärbtem durchscheinendem PVC, das bei Beleuchtung durch Natur- oder Kunstlicht hochintensive Farben durch den ganzen Raum abstrahlt. Die Musik wurde speziell so komponiert, daß sie aus dem gesamten Raum gleichzeitig zu kommen scheint. Bevor sie die Skulptur betreten, ziehen die Besucher die Schuhe aus und werden in ein Cape aus rotem, blauem, gelbem oder grünem Seidenstoff gekleidet. Sie mischen sich dann unter die Farben der Skulptur und werden selbst ein Teil davon, wenn sie sich frei durch Colourspace bewegen. Viele Besucher zeigen in ihren Kommentaren einen beinahe mystischen Eindruck von Raumvergessenheit, sei es in Berlin, Köln, Hamburg, Frankfurt, Essen oder Bonn, wo Colourspace seit 1986 gezeigt wurde. 1987 übersiedelte es zum Skulpturenhof des Barbican Art Centre in London und wurde später bei der Los Angeles International Arts Fair gezeigt, wo es Teil einer ganzen interaktiven Struktur unter dem Titel "Sensus" war, und wurde von über 3000 Besuchern pro Tag besichtigt. Colourspace wird weiter in Großbritannien und auf dem Kontinent gezeigt, während Agis an neuen Performance-Stücken arbeitet. Darunter sind "Insideout", ein Kunstereignis mit Tänzern und Musikern, "Aquaspace", eine Wasserskulptur, erstmals beim Glasgow Garden Festival 1989 gezeigt, und "Dreamspace", eine Forschungsreise in das komplexe Wechselspiel zwischen Raum und Farbe in drei Dimensionen, mit einer Höhe von sechs Metern, die ein Gefühl der Schwerelosigkeit hervorruft. Dreamspace wurde zu den kulturellen Veranstaltungen im Rahmen des Ereignisses "Glasgow, Europäische Stadt der Kultur 1990" eingeladen. Weitere Stationen auf den Reisen von Agis' temporären PVC-Skulpturen sind bei Kunstfestivals in England, im Londoner East End und bei Sommerveranstaltungen in deutschen Städten, in Frankreich, Finnland und in der Schweiz vorgesehen.

Agis' öffentliche Kunst soll intensiven temporären Austausch schaffen, bevor sie ohne physikalische Spuren wieder verschwindet. Ihre Macht und Bedeutung liegt im Eindruck, den sie in der Erinnerung des Publikums hinterläßt. Ars Electronica in Linz im Herbst 1989 präsentiert eine besonders aufregende Möglichkeit für Maurice Agis' Colourspace, da das Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft als globales Environment für Kommunikation und Interaktion zwischen Sinnen und Gefühlen angelegt ist. Es kann womöglich auch eine Interaktion zwischen Colourspace und anderen sensorischen Ereignissen beim Linzer Festival diesen Herbst stimulieren.