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Ars Electronica 1979
Festival-Program 1979
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Festival 1979-2007
 

 

Linzer Klangwolke


'Walter Haupt Walter Haupt

Sinfonisches open-air mit Bruckners 8.

Dienstag, 18. September 1979, 19.30 Uhr
Donaupark beim Brucknerhaus

Eröffnung der ars electronica

Es sprechen:
Herr Landesintendant Dr. Hannes Leopoldseder
Herr Bürgermeister Franz Hillinger
Herr Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck
Roboter SPA 12

Dienstag, 18. September 1979, 20.05 Uhr
Donaupark beim Brucknerhaus

Anton Bruckner:
Symphonie Nr. 8 c-Moll als open-air-Ereignis


Satzangaben:
Allegro moderato Scherzo (Allegro moderato)
Adagio (Feierlich langsam, doch nicht schleppend)
Finale (Feierlich, nicht schnell)

Idee und Realisierung:
Walter Haupt

Gesamtkonzeption:
Walter Haupt
Dr. Hannes Leopoldseder

Elektro-akustisches Equipment:
Fa. Dynacord, Straubing

Tonbandmaterial:
Fa. Agfa-Gevaert, München,
Fa. Basf, Ludwigshafen

Ballon:
Ballonfabrik Augsburg

Visualisierung des Ballons mit einer Laseraktion:
Cinetics performance W. Lettner, Köln

Laser:
Meditec, Heroldsberg

Tonbandmischung:
Peter Vogel, München

Tontechnik:
Ing. Walter Marterer, Ing. Bruno Wirlitsch
ORF-Landesstudio Oberösterreich

Organisation:
Prof. Hermann Nußbaumer

Die Grundlage des musikalischen Bruckner-Experimentes ist eine Aufnahme der Sinfonie Nr. 8 c-Moll von Anton Bruckner, mit dem Concertgebouw-Orchester Amsterdam, unter der Leitung von Bernard Haitink.

Wir danken der Firma Phonogram International B. V., die uns freundlicherweise diese Aufnahme der 8. Sinfonie von Anton Bruckner zur Verfügung gestellt hat.

Veranstalter:
Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH und Österreichischer Rundfunk/Studio Oberösterreich unter Mitwirkung der Linzer Bevölkerung

Wie wird Linz zur Klangstadt?

  • Kommen Sie zum zentralen Musikereignis in den Donaupark beim Brucknerhaus! Bruckners Sinfonie Nr. 8 als neues Hörerlebnis in einer gewaltigen multiquadrophonischen Open-air-Wiedergabe!

  • Wollen Sie aktiv die Bruckner-Sinfonie elektronisch verändern? Das können Sie an den peripheren Klangstationen: Pöstlingberg, Freinberg, Auhofgelände, Hummelhofpark.

  • Machen Sie Linz zur Klangstadt! Schalten Sie am 18. September um 20.05 Uhr Ihr Radiogerät auf ÖR, und stellen Sie Ihr Gerät in das geöffnete Fenster!
Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes 1979 wird es zur Eröffnung der von der Linzer Veranstaltungsgesellschaft und dem ORF-Landesstudio Oberösterreich veranstalteten ARS ELECTRONICA in Linz zu einem großdimensionierten Musikereignis kommen: die 200.000 Einwohner zählende Industriestadt Linz soll am Abend des 18. September durch die LINZER KLANGWOLKE, mit einem gewaltigen "Bruckner Open-air" mit der 8. Sinfonie von Anton Bruckner, zur Klangstadt werden.

Die Konsumierung von Musik in eng umrissenen räumlichen Dimensionen und der daraus resultierende Verlust an wichtigen Hörerlebnissen wie Tonentfernung, Tonort und Schallrichtung veranlaßten den Münchner Komponisten und Leiter der Experimentierbühne der Bayerischen Staatsoper München, Walter Haupt, 1973 zu den Experimenten "Musik für eine Landschaft" und 1978 "Klangwolke über Münchens Innenstadt". Die sehr erfolgreiche Realisierung dieser beiden Klang-Environments regten die LIVA und den ORF dazu an, Haupt mit der Ausführung der Idee LINZER KLANGWOLKE zu beauftragen.

Um dieses neuartige Hörerlebnis zu ermöglichen, ist ein enormer technischer Aufwand an Lautsprechern und elektroakustischen Apparaturen notwendig, womit der Versuch unternommen wird, Linz in ein sinfonisches Bruckner-Klangenvironment zu hüllen. Für die diesjährige "ars electronica" wird eine konsequente elektronische Wiedergabe der 8. Sinfonie von Anton Bruckner realisiert, die sich auf drei Ebenen vollzieht:
  1. Zentrales Multiquadrophonisches Musikereignis
    Die zentrale musikalische Veranstaltung findet am Donauufer zwischen der Eisenbahn- und Nibelungenbrücke statt: Über 4 voneinander getrennte Lautsprechergruppen wird, mit einer Gesamtleistung von etwa 20.000 Watt, das Klangbild auf ein Zentrum (Brucknerhaus) ausgestrahlt. Die 4 Lautsprechergruppen sind so aufgeteilt: 1. Station Eisenbahnbrücke linkes Donauufer, 2. Station Eisenbahnbrücke rechtes Donauufer, 3. Station Nibelungenbrücke linkes Donauufer, 4. Station Nibelungenbrücke rechtes Donauufer. Der "Open-air-Konzertsaal" für die Sinfonie umfaßt ein Gebiet von 1,5 km2. Die Zuhörer bewegen sich in diesem Bereich wie von einem riesigen Orchester eingekreist. Im Zentrum (Brucknerhaus) erleben sie den pluralistischen Gesamteindruck. Das Klangbild verändert sich für das Publikum, das auf keinen festen Standpunkt fixiert sein sollte, durch ständige Annäherung und Entfernung zum Zentrum und den solitären Lautsprechergruppen, was den Eindruck von permanenten Verzögerungen, Echowirkungen und dynamisch-akustischen Veränderungen vermittelt.
    Darüber hinaus ist ein über der Musikszene schwebender Ballon vorgesehen, der den Ereignisort optisch markiert – 3-farbige Laserstrahlen projizieren auf diesen Markierungspunkt am nächtlichen Himmel von Linz ein effektvolles Lichtmobile.


  2. Peripheres Musikereignis
    An vier peripheren, über die Stadt verteilten Klangstationen hat das Publikum aktiv die Möglichkeit mittels Vocoder, Digital-Reverberation, Equalizer, Harmonizer, Computer, Synthesizer und Delay-Geräten das vom ORF ausgestrahlte Klangbild der 8. Sinfonie von Bruckner elektronisch zu verändern und aufzusplittern.


  3. Radiophoner Teil
    Die sich ständig verändernden Höreindrücke, wie sie der wandelnde Besucher an der zentralen Klangstation wahrnimmt, sollen auch dem Rundfunkhörer vermittelt werden. Dieses fluktuierende Hörbild wird durch das Abschreiten der verschiedenen Lautsprechergruppen mittels einer Kette von Kunstkopf-Einrichtungen vom ORF-Studio Oberösterreich aufgenommen, das Klangresultat an den Radioempfänger weitergeleitet.


Dieses spezielle Aufnahmeverfahren, welches in einer derartigen Größenproportion bisher noch nie praktiziert wurde, vermittelt via Kopfhörer dem Radiohörer eine optimale räumliche Wiedergabe des akustischen Geschehens.

Eine weitere Möglichkeit ist die aktive Einbeziehung der Linzer Radiohörer in das Musikgeschehen: alle Interessierten werden an diesem Tage aufgefordert, ihre Radiogeräte, bzw. die Lautsprecher der Stereo-Empfänger, in die geöffneten Fenster der Wohnungen und Häuser zu stellen. Die Radiogeräte in den Fenstern von Linz sollen am 18. September, 20.00 Uhr auf ÖR (lokal) 95,195 MHz, eingestellt werden. Ö3 sendet live eine Aktionsreportage von der LINZER KLANGWOLKE. Die Sinfonie sollte in allen Straßen von Linz abgestrahlt werden – Resultat ist eine Stadt voll Musik: Linz ist Klangstadt! Mit dem sinfonischen Bruckner Open-air LINZER KLANGWOLKE tritt eine musikalische Darbietung aus dem geschlossenen Raum des Konzertsaales heraus. Das musikalische Ereignis bleibt nicht auf den elitären Konzertsaalbesucher beschränkt, sondern es werden neue Hör- und Klangerlebnisse für die Bevölkerung der Stadt Linz erschlossen. Alle Linzer können nicht nur die Bruckner-Sinfonie im Freien hören, sondern gleichzeitig auch aktiv einen Beitrag leisten, indem sie die bereits genannten Vorschläge mit ihren Radiogeräten an diesem Abend in der Zeit von 20.05–22.00 Uhr (in Ö-Regional Oberösterreich auf 95,195 MHz und Ö3 auf 88,8 MHz) realisieren und aus der Industriestadt Linz eine Klangstadt machen.

Das musikalische Großprojekt während des kommenden Brucknerfestes in Linz führt Versuche des Komponisten Walter Haupt weiter. Als Leiter der Experimentierbühne der Bayerischen Staatsoper hat er sich, neben vielen eigens kreierten Musiktheaterwerken, vor allen Dingen mit der Expansion der Kunst, der Nutzbarmachung neuester technischer Möglichkeiten für seine Zwecke beschäftigt. Mit aufsehenerregendem Erfolg wurde beispielsweise 1972 sein Laser-Light-Environment an der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt, für die Eröffnung der Olympischen Spiele ausgewählt und 1973 vom ZDF in einer mediengerechten Fassung produziert.

Auch sein Kuppelprojektionsraum "Sensus" machte internationale Schlagzeilen: das in einer Schaumstofflandschaft liegende Publikum hört über Kopfhörer oder Raumklang meditative Klangflächen, während abstrakte Filme, Diaprojektionen, Laserstrukturen, rotierende Lichtfigurationen, wechselnde und sich auflösende Farben über die gesamte Kuppel projiziert erscheinen und passend zu den einzelnen Lichtsequenzen diverse Dufteinspielungen vorgenommen werden. Die Absicht liegt darin, das Publikum sensuell zu aktivieren und die individuelle Phantasie des Besuchers anzuregen. Es folgten "Träume", Experiment mit Licht, Wort, Musik und Bewegung in einem variablen Spiegelraum (als Gastspiel in Linz am 19., 20., 21. 9. 1979), Orchester- und Ballettauftragskompositionen, die er auch selbst dirigierte und die bereits erwähnten großräumigen Klang-Environments.

Für die "ars electronica" 1980 arbeitet Haupt bereits jetzt schon an einer Erweiterung der Konzeption, einer großdimensionierten Projektierung unter Einbeziehung von Live-Gruppen und einem Sinfonie-Orchester: über zahlreiche periphere Stationen wird das live-spielende Sinfonieorchester aufgeteilt, die einzelnen Instrumentengruppen durch Funkübertragung im ORF-Studio wieder zu einem Gesamtklangbild zusammengefügt und diese Klangsumme dann sowohl auf das Klangzentrum als auch zu den Radiohörern abgestrahlt. Die Komposition wird nach dem musikalischen Duktus und den speziellen Kompositionstechniken in verschiedene Instrumentengruppen zerlegt und mehrkanalig eingespielt; so werden dialogisierende Kompositionsvorgänge aus verschiedenen Schallrichtungen, Tonorten und Tonentfernungen wahrnehmbar.
SPA 12
Der Roboter SPA 12 wurde extra für "ars electronica" aus den USA eingeflogen. Er ist Symbol und Maskottchen der Veranstaltung, hält die Eröffnungsrede, nimmt an Fernsehdiskussionen und Radiosendungen teil und unterhält sich mit den Linzern über Elektronik.