WIA < > WIA (Water in Africa < > Water in Austria)
Das in der Ausstellung 80+1 – Eine Weltreise präsentierte Projekt WIA < > WIA –Water in Africa – Water in Austria, bei dem angeblich ein afrikanischer Dorfbrunnen mit dem Internet verbunden ist und Daten des afrikanischen Wasserverbrauchs in Echtzeit nach Linz übertragen werden, um dort eine Toilettenspülung mit derselben Menge Wasser zu speisen, entspricht nicht der Wahrheit. Genauso wenig existiert eine Künstlerin namens „Melissa Fatoumata Touré“. Sowohl bei der Künstlerin als auch bei ihrem Projekt handelt es sich um von mir erdachte Fiktion – wobei Ars Electronica über diese Tatsache von meiner Seite her bewusst nicht informiert wurde. Als sich jedoch die Zweifel an der Realität der Arbeit häuften, schien es daher sinnvoll, mit den wahren Hintergründen des Projektes an die Öffentlichkeit zu treten.
In einem öffentlichen Aufruf hatte sich die Ars Electronica 2008 an Künstler und Wissenschaftler gewandt, um Projektvorschläge für eine virtuelle Weltreise zu erhalten, die laut Ausschreibung die Reise des Helden Phileas Fogg aus Jules Verne‘s In achtzig Tagen um die Welt neu medial interpretieren und hierbei substanzielle Themen aufgreifen, welche die gesamte Weltbevölkerung betreffen.
Die von der Ars Electronica vorgegebene belletristische Grundlage der Weltreise habe ich zum Anlass genommen, über eine Installation nachzudenken, die sich – genau wie die Vorlage – im fiktionalen Raum abspielt. Das Internet als Filter in der Kommunikation zwischen der Ars Electronica und mir hat hierbei eine wesentliche Rolle gespielt, meine wahre Identität über einen längeren Zeitraum effektiv zu verschleiern. Das Erfinden und anschließende Lebendigwerdenlassen einer fiktionalen Identität durch die Mittel der digitalen Kommunikation waren gleichzeitig auch Kern meines künstlerischen Beitrags zur Ausstellung.
Die von mir durch die fiktive Person „Melissa Fatoumata Touré“ vorgeschlagene Installation WIA < > WIA nimmt sich eines leider sehr ernsten Themas an: dass nicht allen Menschen auf dieser Welt genügend sauberes Trinkwasser zur Verfügung steht. Die Installation ist so aufgebaut, dass sie für dieses reale Problem eine reale Lösung generiert; durch den Betrieb der Installation werden Spenden gesammelt, die wiederum den Brunnenbau in Afrika fördern. An dieser Tatsache ändert auch der ansonsten fiktive Charakter der Installation nichts. Die Daten, die der Toilette in Linz über das Internet zugespielt werden, stammen nicht aus einem an das Internet angeschlossenen Brunnen in Afrika, sondern von einem Zufallsgenerator. Und das in der Toilette tapezierte Panorama des afrikanischen Dorfplatzes ist in Wahrheit eine Photoshop-Collage, zusammengesetzt aus frei im Internet verfügbaren Afrika-Fotos.
Ein integraler Bestandteil der Fiktion, wenn sie denn als bare Münze verkauft wird, ist die Skepsis. Was anfangs vom Veranstalter und vom Publikum als reales Projekt einer echten Person wahrgenommen wurde, hat sich ab einem gewissen Punkt als Täuschung entpuppt. Aus künstlerischer Perspektive war ich an der Erforschung dieser Grenzlinie interessiert: Wie lange schenkt man einer Information Glauben? Ab welchem Punkt stuft man sie als falsch ein? Und wie kann ich als jemand, der fiktive Informationen streut, Einfluss darauf nehmen, dass ihnen dennoch geglaubt wird?
Deshalb weist das Projekt in seiner Machart auf ein Problem hin, das medienübergreifend zwar schon immer bestand, durch die Geschwindigkeit und Vielschichtigkeit globaler digitaler Kommunikation jedoch drastisch an Schärfe gewinnt: Es geht um die zunehmende Wichtigkeit, den Wahrheitsgehalt von Informationen autonom einschätzen zu können. Oder andersherum gesagt: Es geht darum, sich der gelegentlichen eigenen Ohnmacht diesbezüglich Gewahr zu werden. Denn nicht immer ist man in der glücklichen Lage die Qualität einer Information bzw. einer Quelle richtig einstufen zu können.
Sowohl die Installation WIA < > WIA, als auch die fiktive Künstlerin „Melissa Fatoumata Touré“ habe ich direkt auf die in der Ausschreibung geäußerten Wünsche der Organisatoren zugeschnitten. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, das Thema der gefälschten dentität und der gefälschten Information im Ausstellungskontext am praktischen Beispiel plastisch zu verhandeln, denn ich bin der Meinung, dass das Projekt 80+1 – Eine Weltreise, dessen struktureller Aufbau alle Register elektronischer Datenübertragung zieht, auch diese Schattenseite beleuchten sollte.
Ich freue mich, dass dieses Projekt durch die Aufdeckung seitens der Ars Electronica nun einen runden Abschluss gefunden hat. Da die nachhaltige Versorgung aller Menschen mit sauberem Trinkwasser allerdings noch wichtiger als das Thema medialer Fehlinformationen ist, ja, im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtig ist, freue ich mich darüber hinaus, dass die Installation bis zum Ende von 80+1 – Eine Weltreise weiter betrieben wird und weiterhin Spenden für einen tatsächlichen Brunnenbau in Afrika sammelt.
Electronics: Zoumana Habib Tounkara
Programming: Djelimady Samaké
Internet access: Ballaké Touré
Sibiri Touré, Soumano Dieneba Touré
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