Animationen, die bewegen

Animationen müssen berühren und ansprechen. Die Jury-Mitglieder Sabine Hirtes und Joe Gerhardt sprechen darüber, was eine gute Animation eigentlich ausmacht und welche Trends sich in diesem Bereich derzeit beobachten lassen.

| | |

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=DWDXknaUixQ&w=610]

„Walking City“ erhielt die Goldene Nica des Prix Ars Electronica 2014 in der Kategorie „Computer Animation / Film / VFX“ (Credit: Universal Everything)

„Walking City“ von Universal Everything hat die Goldene Nica des Prix Ars Electronica 2014 in der Kategorie “Computer Animation / Film / VFX“ gewonnen. Die Animation ist “ein wahres Fest der Form und Geometrie”, wie die fünfköpfige Jury dieser Kategorie in ihrem Jury-Statement zusammenfasste. Zwischen ihren intensiven Sitzungen im Seminarraum des Ars Electronica Center Linz Anfang Mai nahmen sich die Jury-Mitglieder Sabine Hirtes und Joe Gerhardt kurz Zeit, um über ihre Sichtweisen zu sprechen, was eine gute Animation eigentlich ausmacht und welche Themen und Trends im Jahr 2014 als Animationen umgesetzt werden.

Was zeichnet eine gute Animation aus?

Sabine Hirtes: Es gibt ganz unterschiedliche Arten von Animationen. Wenn wir von narrativer Animation sprechen, dann muss es natürlich eine sehr gute Story sein, die dann entsprechend gut umgesetzt ist – mit gutem Timing, Sets und Character Design. Dies ist eine Sparte von Animation. In der Jury von Prix Ars Electronica fiel uns jedoch auf, dass es mittlerweile viele andere Arten von Animationen gibt, wie beispielsweise abstraktere Formen, die auch auf ganz anderen Medien präsentiert werden und nicht nur rein filmisch sind: Projection-Mappings, die die Realität transformieren, Installationen oder Simulationen. Und auch da muss visuell natürlich etwas Spannendes passieren, der Rhythmus ist wichtig, das Timing, und der Gesamteindruck sollte auf unterschiedlichste Arten berühren und einen ansprechen.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=lX6JcybgDFo&w=610]

Eine Auszeichnung gab es für „Box“ (Credit: BOT & DOLLY)

Und was muss ein Projekt mitbringen, um eine Goldene Nica zu gewinnen?

Joe Gerhardt: Einstimmigkeit in der Jury. Wir Jurymitglieder sind uns alle im Klaren, dass eine Arbeit aus vielen verschiedenen Dimensionen besteht und das ist auch das was eine Arbeit besonders macht. Und auch wenn jeder von uns auf unterschiedliche Dinge achtet, müssen wir uns am Ende alle einig sein, dass dieses eine Projekt eine Goldene Nica verdient und sonst kein Anderes.

Wenn Sie auf die eingereichten Computeranimationen zurückblicken, welche Themen bewegen die Menschen im Jahr 2014?

Sabine Hirtes: Wir hatten Arbeiten, die sich mit dem Kosmos in uns als auch außerhalb unserer Welt befassten. Zum Beispiel mit Abläufen in unserem Hirn, künstlicher Intelligenz, unterschiedlichen Formen von Wahrnehmung, aber auch mit dem Zusammenspiel von Mensch und Maschine, mit Robotik. In diesem Jahr hatten wir relativ wenig linear narrative Arbeiten, es waren viele experimentelle Animationen dabei, die neue Anwendungen und Erzählformen von Animation und VFX austesten wollten. Alles in allem auf jeden Fall sehr interessant, ich fand es sehr spannend.

Joe Gerhardt: Ein weiterer Trend ist sicherlich das Einbeziehen von Tieren. Dabei werden oft ihre Verhaltensweisen und ihre Charakteristiken auf abstrakte Weise dargestellt. Ein weiterer Trend sind unterschiedlichste Projekte zum Thema Wissenschaft. Dabei werden beispielsweise menschliche Zellen oder auch gesellschaftliche Netzwerke mit verschiedensten Hilfsmitteln dargestellt. Es gibt dieses Jahr also sehr viele außergewöhnliche und auch abstrakte Dinge.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=AFQ2Nq2Jbdg&w=610]

Die Animation „5 Mètres 80“ wurde beim Prix Ars Electronica 2014 mit einer Anerkennung prämiert (Credit: Nicolas Deveaux)

In dieser Kategorie gibt es oft das Problem von David gegen Goliath – große Produktionsfirmen gegen kleine Animationskünstler. Wie können sich auch „kleine“ KünstlerInnen durchsetzen?

Joe Gerhardt: Bei dieser Jury besteht dieses Problem nicht. Hier ist es sogar umgekehrt und die großen Unternehmen haben Schwierigkeiten wahrgenommen zu werden. Wir beurteilen die großen Produktionsfirmen wirklich sehr streng, weil es für sie in vielerlei Hinsicht leichter ist. Sie haben viel mehr Ressourcen für ihre Projekte, sowohl personelle als auch finanzielle. Deren Projekte haben oftmals auch ganz andere Absichten. Deshalb sind deren Arbeiten für uns und für den Prix Ars Electronica dann manchmal weniger interessant.

Was würden Sie KünstlerInnen raten, die vielleicht nächstes Jahr eine Animation zum Prix Ars Electronica einreichen wollen?

Joe Gerhardt: Das großartige in dieser Kategorie ist, dass das Spektrum der Einreichungen so breit ist. Wir sind an allem interessiert, angefangen von 2-D-Cartoons bis hin zu vollrealistischen Filmen. Ich rate Künstlerinnen und Künstlern alles einzureichen was sie wollen, denn in dieser Kategorie hat jede Arbeit eine realistische Chance zu gewinnen.

„C… what it takes change“ ist das Thema des kommenden Festival Ars Electronica. Welchen Begriff braucht es ihrer Meinung für einen Wandel?

Sabine Hirtes: „Computer“ fällt mir natürlich sofort ein und das ist etwas, das in unserem derzeitigen Leben immer mit dabei ist und auch in Zukunft unser Leben formen wird. Allein schon, wenn wir auf die Entwicklung der Minicomputers, Smartphones und so weiter blicken. Also auch „communication“ ein ganz weiter und wichtiger Begriff und mit dem richtig umgegangen werden muss. „Creative commons“ gleich 2 C, die heute und in Zukunft ganz groß geschrieben werden und bei denen die „creativity“ immer für Wandel steht. Und „concern“, im Sinne von Verantwortung, etwas, das unter allen anderen Cs unser Zusammenleben bestimmen sollte.

Die Jury der Kategorie „Computer Animation / Film / VFX“, von links nach rechts: Jürgen Hagler (AT), Suzanne Buchan (CH/UK), Sabine Hirtes (DE), Quayola (IT/UK), Joe Gerhardt (UK). (Foto: Florian Voggeneder)

Sabine Hirtes (DE)

Prof. Sabine Hirtes unterrichtet seit 2010 an der Hochschule Offenburg Postproduktion und Vfx. Nach ihrem Abschluss im Bereich „Visuelle Kommunikation“ an der FH Aachen folgten unterschiedliche kreative und weiterbildende Aktivitäten im Bereich digitaler Print-Medien sowie bewegter Bilder mit Schwerpunkt auf Computer-Animation und Vfx bei unterschiedlichen Firmen, Studios und Schulen in Deutschland sowie im Ausland, wie etwa an der Filmakademie Baden-Württemberg, dem Cairo Film Institute und dem ZKM, dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe.

Joe Gerhardt (UK)

Semiconductor ist das britische Künstlerduo bestehend aus Ruth Jarman und Joe Gerhardt. Durch Arbeiten mit bewegten Bildern behandeln sie die materiellen Aspekte der Welt und unsere Erfahrungen damit und hinterfragen unseren Platz im physischen Universum. Durch ihren einzigartigen Zugang haben sie zahlreiche Auszeichnungen und prestigeträchtige Stipendien erhalten, zuletzt den „Samsung Art + Prize“ 2012 für neue Medien, den „Golden Gate Award for New Visions“ beim San Francisco International Film Festival USA 2012 und den „Art and Science Award“ beim Ann Arbor Film Festival in den USA.

 

Zu sehen sein wird Walking City im Rahmen der CyberArts Exhibition am Ars Electronica Festival 2014 von 4. – 8. September. In den Prix-Foren, am Samstag den 6. September, haben Sie zusätzlich die Möglichkeit persönlich mit den Künstler zu sprechen.