CyberArts 2016: Ein Best-Of der Medienkunst

Die CyberArts-Ausstellung ist jedes Jahr wieder eines der Highlights beim Ars Electronica Festival: Hier werden die prämierten Arbeiten des Prix Ars Electronica präsentiert, eine der wichtigsten Auszeichnungen für Kreativität und Pioniergeist im digitalen Medienbereich. Wir haben uns mit Genoveva Rückert, der Kuratorin der CyberArts 2016, über die Ausstellung unterhalten.

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Wie auch schon in den Jahren zuvor werden die ausgezeichneten Arbeiten des Prix Ars Electronica, des großen Preises für Pionierleistungen in der Medienkunst, beim Ars Electronica Festival 2016 präsentiert. Vom OK seit 1996, also seit 18 Jahren kuratiert, wird die Ausstellung wieder, und zwar nicht nur während der Festivaltage (8. bis 12. September 2016), sondern darüber hinaus – bis zum 18. September 2016 – im OK im OÖ Kulturquartier gezeigt.

Welche Kategorien beim diesjährigen Prix und somit auch bei der CyberArts 2016 vertreten sind, auf welche Highlights man sich freuen kann und welche Trends der Medienkunst sich bei den Einreichungen abzeichnen, das verrät uns Genoveva Rückert, Kuratorin der CyberArts 2016.

Genoveva Rückert Kuratorin OK im OÖ Kulturquartier CyberArts 2016

Genoveva Rückert am OK Höhenrausch, vor der berühmt-berüchtigten Nike.
Credit: Vanessa Graf

Die Kategorien des Prix Ars Electronica alternieren im Zweijahrestakt – welche Kategorien gab es dieses Jahr?

Genoveva Rückert: Dieses Jahr werden von den alternierend ausgeschriebenen Kategorien die Interactive Art + und die Digital Communities vertreten sein.

Die Kategorie der Interaktiven Kunst, Interactive Art +, existiert seit 1990 und beschäftigt sich, das steckt ja schon im Titel, mit Interaktion – von Installationen bis hin zu Netzprojekten – zwischen der digitalen und der physischen Welt. Welche Interaktionsprinzipien und Interfaces gibt es, wie sieht dieser Dialog aus, ist es eine Beteiligung nur über das Internet oder mehr?

Die Digital Communities ist die Kategorie des Internets – diese hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert. Diese Kategorie gibt es seit 1995, seit dem Aufkommen des World Wide Web. Sie hat unterschiedliche Ausformungen angenommen. Im Fokus stehen mittlerweile Projekte mit signifikanter gesellschaftlicher Relevanz. Transparenz finanzieller wie politischer Strategien, Enabling-Projekte im Globalen Süden (den Entwicklungs- und Schwellenländern), Optimierung individueller Potenziale und Crowdfunding zeigen den massiven Paradigmenwechsel in unserer Gegenwart auf.

Wir zeigen darüber hinaus wie jedes Jahr noch die Goldenen Nicas aus der Computer Animation / Film / VFX, die Visionary Pioneers of Media Art Gewinnerin und die Arbeiten der u19 (Kinder- und Jugendkategorie, Anm.). Jedes Jahr werden abwechselnd vier der insgesamt Kategorien ausgeschrieben.

Can you hear me?

Goldene Nica, Interactive Art+: Can You Hear Me, von Matthias Jud (CH) und Christoph Wachter (CH). Credit: Matthias Jud, Christoph Wachter. 

Was sind die Highlights der diesjährigen Ausstellung?

Genoveva Rückert: Die Goldene Nica in der Interactive Art+ an Matthias Jud und Christoph Wachter ist natürlich ein Highlight, wir zeigen sie gleich im Eingangsbereich. Bei dieser Arbeit geht es darum, das System von Geheimdiensten und Überwachung zu stören und selbst eine Kommunikationsplattform zu entwickeln, wie die beiden Künstler es auf Einladung der Schweizer Botschaft in Berlin auch machen konnten, umgeben von Kanzleramt und politischen Botschaften, der ja auch der Sitz ihrer Geheimdienste ist.

Ein weiteres Highlight stammt von Frank Kolkman – er wurde ausgezeichnet für einen Open Do-It-Yourself Surgery Robot. Er besteht aus offen zugänglichen Teilen, also zum Beispiel was man online bestellen kann, aber auch Lasercut-Elementen oder 3D-Prints. Hinter der Installation steht die Frage, wie man das Gesundheitssystem breiter zugänglich machen kann. Entstanden ist das System inspiriert von den vielen, durchaus verstörenden Videos von unversicherten Amerikanern, sich über medizinische Selbsthilfe austauschen.

Eine wunderschöne Arbeit kommt von Mat Collishaw. Die Arbeit, für die er ausgezeichnet wurde, ist All Things Fall, wir zeigen aber eine andere Installation – The Garden of Unearthly Delights. Es bezieht sich auf den Garten der Lüste von Hieronymus Bosch – also der Garten der Earthly Delights, aber es sind eben die Unearthly, die Unheimlichen Lüste. Die Arbeit, ähnlich wie All Things Fall, hat die Form eines großen Zoetrops. Das ist eine sogenannte Wundertrommel, also eigentlich ein frühes filmisches Prinzip, wo Dinge durch Drehung in Bewegung animiert erscheinen. Hier dreht sich die Skulptur mit so hoher Geschwindigkeit, dass die BetrachterInnen, verführt von der Animation der zahlreichen Figuren, zu Zeugen von menschlichen Gewaltakten gegen das Tierreich werden.

Goldene Nica Computer Animation / Film / VFX: Rhizome, von Boris Labbé (FR)

Sehr spannend ist sicher auch die Golden Nica der Computeranimation Rhizome von Boris Labbé, die wir auch im Entstehungsprozess zeigen. Wir zeigen einen Teil der 2300 Zeichnungen aus Tusche und Wasserfarben, die die Basis für diesen animierten Film waren. Wirklich entstanden ist er dann natürlich mit After Effects und anderen digitalen Mitteln.

Auch die Digital Communities ist eine tolle Kategorie, wo man tatsächlich die soziale Relevanz von Arbeiten oder auch von der Ars Electronica gut sehen kann. All das spielt sich einfach in den digitalen Netzen ab, genau dort, wo es um die Etablierung von Gemeinschaften und Bürgerbeteiligung geht. Zum Beispiel gibt es ein interaktives Refugee Phrase Book, bei dem man sich die Phrasen, die man braucht, wie bei einem Reiseführer zusammenstellen kann. Es ist tatsächlich ein Tool, ein richtiges Werkzeug. Außerdem gibt es die P2P-Foundation, sicher auch ein total spannendes Projekt.

Nachdem diese Kategorien vor allem für ihre lokalen Communities funktionieren müssen, wie zum Beispiel der SAZAE bot, der einfach nur japanisch und für uns insofern unverständlich ist, zeigen wir diese Arbeiten in Form von Beschreibungen. Die reine Schriftform wäre aber fast wie ein Schritt zurück für die digitale Welt, daher gibt es auch gesprochene Beschreibungen. Die Talking Heads, die jeweils die unterschiedlichen Projekte dieser Kategorie präsentieren und erzählen, sind Ian Banerjee, Juror, und Ingrid Fischer-Schreiber, Projektbetreuerin der Kategorie Digital Communities. Man muss diese Digital Communities Projekte fast beschrieben bekommen, um sie auch wirklich gut zu verstehen. Es ist eine große Herausforderung, die Netz-Kategorie für eine Ausstellung aufzubereiten, weil es an sich ein Widerspruch ist.

All Things Fall Mat Collishaw CyberArts 2016

Honorary Mention Interactive Art+: All Things Fall, von Mat Collishaw (UK). Credit: Mat Collishaw. 

Wie wird die Ausstellung dieses Jahr aufgebaut sein?

Genoveva Rückert: Im Prinzip verwenden wir die bewährte Ausstellungsgestaltung. Die Ausstellung findet wieder im Ursulinenhof statt, so wie die letzten Jahre auch. Sie beginnt im Erdgeschoss und zieht sich hinauf bis auf die Dachböden. Dort gibt es eine Überlappung mit dem Höhenrausch – die BesucherInnen können beides ansehen, CyberArts und den Höhenrausch.

Hier kann man auch die Original-Nike des Künstler- und Architektenkollektivs HAUS-RUCKER-CO sehen, die 1977-1979 am Hauptplatz geschwebt ist und der größte Kunstskandal in Oberösterreich war. Die Siegesgöttin wurde, „nachdem der Ungeist“ der Zeit die Siegesgöttin aus der Stadt getrieben hat, zum Vorbild der Trophäe des 1987, nach einer Idee von Hannes Leopoldseder als hoch dotierter, multidisziplinärer entstandenen Wettbewerbs für Computerkunst Prix Ars Electronica. Durch die Ausstellung geleitet wird durch ein Aluminium-Gerüst-System, weil der Ursulinenhof ja kein klassisches Museum ist, sondern ein ehemaliges Kloster – es hat lange Gänge, das haben Kloster so an sich, das heißt, man muss relativ viel hinein bauen. Man landet schließlich im vierten Stock bei der Preisträgerin der Visionary Pioneers dieses Jahr, Jasia Reichardt, einer englischen Kuratorin, die das ICA, das Institute for Contemporary Art in London, sowie auch die Whitechapel Gallery leitete. Sie konzipierte und führte 1968 die erste Ausstellung durch mit Arbeiten, die nur auf Basis von Computern entstanden waren. Sie war auf jeden Fall eine Vorläuferin. Wir zeigen eine Art Archiv, das heißt, sie bringt sehr viele Materialien mit und wir bereiten diese auf. Es geht nicht nur um die frühe Ausstellung Cybernetic Serendipity, die jeder kennt und die mit ihrem Namen verbunden ist, sondern auch darum, was diese Kuratorin, Theoretikerin, Vermittlerin über 50 Jahre geschaffen hat.

Jennifer Lyn Morone Inc Cyber Arts 2016

Honorary Mention Interactive Art+: Jennifer Lyn Morone Inc., von Jennifer Lyn Morone (US). Credit: Ilona Gaynor. 

Gibt es Trends, die sich bei den eingereichten Werken beim Prix Ars Electronica 2016 in den verschiedenen Kategorien abzeichnen?

Genoveva Rückert: Bei den Digital Communities ist es ganz eindeutig, es wird politischer. Das kann man sehr stark sehen. Man erkennt bei dieser Internet-Kategorie einfach am deutlichsten, welche Relevanz die digitalen Medien für die Gesellschaft haben, weil es im Netz nicht unbedingt um Kunst geht, sondern tatsächlich um Relevanz.

Bei der Interactive Art + ist es dieses Jahr so, dass es kein klassisches interaktives, für die Ars Electronica so typisches Projektionsprojekt gibt, womit die Besucherinnen direkt interagieren können. Klassische Interaktion, wie man hebt etwas in die Luft, oder Motion Capture, also man wird aufgenommen und es überträgt sich und ergibt eine Form von Interaktion, gibt es in der Ausstellung nicht. Die Formen von Interaktion sind anders  – man hackt sich hinein in das Netzwerk der Spionage, man wird eine registrierte Firma wie Jennifer Morone und hat dadurch sehr viel mehr Rechte auf all diese Produkte, die mit ihr als Firma oder Künstlerin in Verbindung stehen, oder es wird interagiert wie beim Random Darknet Shopper der !Mediengruppe Bitnik. Was vielleicht nicht viele Leute wissen, ist, dass es unglaubliche Grauzonen im Internet gibt, einen Black Market. Die KünstlerInnen haben ein System entwickelt, bei dem auto-generiert Dinge bestellt werden. Es gibt eine Arbeit, wo eine Maschine mit dem Material interagiert: Sie beschäftigt sich mit dem Fluss Jller. Die Maschine sortiert gefundene Gesteine aus dem Fluss sozusagen geologisch durch, völlig ohne Besucher-Interaktion.

Auch den Open Surgery Robot kann man nicht benutzen, aber Frank Kolkman, ein niederländischer Künstler, wird vor Ort sein und die Arbeit erklären. Man könnte zwar mit diesem Operations-Tool auch wirklich operieren, aber dennoch braucht man einen Chirurgen, um es wirklich zu bedienen. Es gibt auch noch andere Arten von Interaktion, die einen Profi benötigen – zum Beispiel eine Software für Choreographen, die zwischen Performern und dem Programm interagiert. Das Programm interagiert mit den Performern und die Performer wiederum müssen umgekehrt reagieren.

Eine große Installation, oder eigentlich eine Performance, ist dieses Jahr im großen Saal des Ursulinenhofs zu sehen: Inferno. Menschen können selbst in ein Roboter-Kostüm schlüpfen und werden ein Cyborg. Das Ganze hat eine düstere, schwarze Atmosphäre, das passt auch irgendwie gut in die 80er-Jahre-Revival-Ästhetik, wo auch der Begriff des Cyborgs aufgekommen ist, also ein Zwitter aus Mensch und Maschine. Während des Festivals kann man hier teilnehmen – zur Eröffnung und später auch in Form von Mini-Performances, für die man allerdings eine Einschulung benötigt, um mitmachen zu können. Man bewegt und man wird auch bewegt, das heißt, man muss sich an den Roboter anpassen.

Honorary Mention Interactive Art+: Pathfinder, von onformative (DE) in Kollaboration mit Christian Loclair (DE)

Begleitend zur Ausstellung finden auch jährlich die Prix Foren statt, Vorträge der KünstlerInnen zu ihren Arbeiten. Was erwartet uns?

Genoveva Rückert: Das Besondere an den Prix Foren ist, dass man relativ geballt einen Eindruck in die Arbeiten der HauptpreisträgerInnen bekommt. Diejenigen, die am Vorabend bei der Gala ihre Preise in den vier Kategorien Computer Animation, Digital Communities, Interactive Art + und Visionary Pioneers of Media Art überreicht bekommen, sind jeweils zu einem Talk eingeladen. Pro Kategorie sind es normalerweise drei Vortragende – die GewinnerInnen der Goldenen Nica und der zwei Awards of Distinction. Die KünstlerInnen und die Arbeiten werden vorgestellt und es gibt immer sehr hochkarätige ModeratorInnen, die das Gespräch leiten. Es ist sicher eine ausgezeichnete Möglichkeit, bei den Prix Foren zu hören und zu sehen, was sich in den letzten Jahren in der Medienkunst getan hat und warum das dieses Jahr vielleicht ausgezeichnet wurde.

Die CyberArts Exhibition wird vom  8. September 2016 bis zum 18. September 2016 im OK im OÖ Kulturquartier zu sehen sein. Wie jedes Jahr werden auch heuer wieder die besten und spannendsten Projekte des Prix Ars Electronica gezeigt.

Die Öffnungszeiten während des Festivals sind von Donnerstag, 8.9.2016, bis Montag, 12.9.2016, jeweils von 10:00 bis 20:30 Uhr. Am Samstag findet die OK Night statt, die Ausstellung wird an diesem Tag bis 22:00 Uhr geöffnet sein. Darüber hinaus wird die Ausstellung zu den Öffnungszeiten des OK im OÖ Kulturquartier bis zum 18. September 2016 zu sehen sein.

Die interaktiven Performances (Inferno) der CyberArts 2016 finden am Freitag (9.9.2016), Sonntag (11.9.2016) und Montag (12.9.2016) jeweils ab 13:00 Uhr, zur vollen Stunde, statt.  

Details zu der Ausstellung finden Sie auf unserer Festival-Seite: https://ars.electronica.art/radicalatoms/de/cyberarts-2016/