Atombunker, Paketlaufbänder, Riesenrutschen und jede Menge Medienkunst: Das wird das Ars Electronica Festival 2017 in der POSTCITY

Von 7. bis 11. September 2017 ist es wieder so weit: Die POSTCITY Linz wird zum Spielplatz für MedienkünstlerInnen aus aller Welt. Das diesjährige Ars Electronica Festival findet unter dem Motto „Artificial Intelligence – Das Andere Ich“ statt – wir haben uns mit Festivalleiter Martin Honzik unterhalten und herausgefunden, was uns erwartet.

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Die großen Hallen des alten Post- und Paketverteilzentrums in Linz stehen noch leer, die Vorbereitungen in den Büroräumen nebenan laufen jedoch schon wieder auf Hochtouren. Hier arbeiten Martin Honzik, Leiter des Ars Electronica Festivals, und sein Team daran, die POSTCITY bereits zum dritten Mal in Folge in eine spektakuläre Festival-Location zu verwandeln.

Wir haben uns mit ihm getroffen und nachgefragt, womit uns die POSTCITY heuer überrascht – und welche Neuigkeiten das diesjährige Ars Electronica Festival für uns bereithält.

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Martin Honzik. Credit: Vanessa Graf

Dieses Jahr dient die POSTCITY bereits zum dritten Mal in Folge als Festival-Location. Was wird neu im Unterschied zu den Vorjahren?

Martin Honzik: Abgesehen vom Thema wird der große Unterschied die Architektur sein. Letztes Jahr hatten wir zum Beispiel eine sehr liebliche Atmosphäre mit viel Begrünung. Dieses Jahr arbeiten wir wieder mit ähnlichen Elementen, der Fokus liegt dieses Jahr aber auf industrialisierten Pflanzen. Es wird schon jetzt Getreide für uns angebaut, woraus wir Mehl und idealerweise danach ein POSTCITY-Brot machen. Es wird Sonnenblumen geben, auch Mais. Die Linzer Stadtgärten und diverse Baumschulen sind schon wieder fleißig für uns unterwegs.

Statt der Gerüste vom Vorjahr verwenden wir dieses Jahr Schneestangen und Hochregalsysteme von Lenox Trading. Zusammen mit Wacker Neuson versuchen wir außerdem deren Bagger mit BCI-Masken (Brain Computer Interface, ermöglicht direkte Steuerung von Computern durch das menschliche Gehirn; Anm. d. Red.) zu steuern.

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Noch liegt die POSTCITY im Dunkeln. Credit: Vanessa Graf

Wie wird das vielfältige Angebot des Ars Electronica Festivals auf die POSTCITY verteilt?

Martin Honzik: Insgesamt wird es so sein, dass wir mit dem Platz etwas großzügiger umgehen werden. Ein Grund dafür ist, dass wir im Keller neue Welten, also Räume entdeckt haben. Wo man letztes Jahr dachte, dass man im tiefsten Bauch des Wals angekommen ist, geht auf einmal eine Tür auf. Man steht in einem großen Raum, weiß ausgemalt, unglaublich. Das war früher ein Finanzamtlager, wo Fristen, die ein paar Jahre lang aufgehoben werden, lagerten. Die wurden alle digitalisiert, die Regale wurden ausgeräumt. Hinter diesem Raum ist ein Gang mit 80 Metern, acht Meter breit und sieben Meter hoch – das dortige Echo ist bei über 3 Sekunden. Vom Klangphänomen her ist das eine wahrhaftige Herausforderung für die KünstlerInnen. Die Menschen, die beim Festival hier runter gehen, werden also viel länger bleiben – das wird sehr intensiv.

Neben der POSTCITY steht uns außerdem auch wieder der Mariendom zur Verfügung, dort wird zum Beispiel ein taiwanesisches Tanzstück geben. Ein Kinosaal im Moviemento ist für das Animation Screening vorgesehen. Auch natürlich das OK ist wieder dabei, die Bruckner Universität ist nicht zu vergessen, das CENTRAL, sowie wir auch sehr froh und stolz sind, als diesjährige FEATURED ARTISTS das im Linzer Hafen beheimatete Kunstkollektiv TIMES UP im Lentos Kunstmuseum dabei zu haben.

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Der Bunker in der POSTCITY. Credit: Tom Mesic

Was erwartet die BesucherInnen in den Kellerräumen und im alten Atombunker der POSTCITY?

Martin Honzik: Der Keller wird sicher die Erweiterung der bereits letztes Jahr als Hauptattraktion identifizierten Programme sein, eine Vertiefung und eine Erweiterung. Der ehemalige Atombunker, oder besser gesagt fast der gesamte Kellerbereich, widmet sich der kuratorischen Fragestellung, welches die Essenz des MENSCHSEINS gegenüber der Essenz des MASCHINENSEINS, und des „seins“ von Daten ist. Das ist auch im Sinne unserer zentralen Festival-Frage Das andere Ich und unserer Interpretation der Artificial Intelligence. Am Ende werden die verschiedene Spezies, die einen erfunden von den anderen, vergleichbar machen.

Nach dem Weg durch den Bunker kommt man im alten, spektakulären Paketspeicher an. Hier wird es um die Frage der Vermarktung von Kunst gehen – also dem Kunstmarkt in seiner bestehenden, traditionellen Form und aber vor allem auch in einer möglichen anderen, innovativen Form – für eine Kunst die bis dato keinen wirklichen Markt hatte. Das sehr spannende Element hier ist, dass es zu einer experimentellen Begegnung zweierlei Welten und Kulturen kommen wird und das in einem Raum, der in seiner Widmung mehr als exotisch für beide sein wird.

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Credit: Tom Mesic

Dieser Kunstmarkt,  „Ars Electronica Gallery Spaces“, ist ein neuer Programmpunkt beim Ars Electronica Festival. Wie wird er ins Festival eingegliedert?

Martin Honzik: Die Kunst wird dort im düsteren, patinierten Paketspeicher in  rein weißen, temporären Messestände ausgestellt, wie sie der Kunstmarkt kennt. In diesem ganzen Bereich, der an die 120 Meter lang ist, entsteht eine unglaublich spektakuläre Präsentation, auch für die Galeristen und Galeristinnen. Völlig out of the box, aber mit den Naturgesetzen, die so ein Markt braucht – weißer Hintergrund, neutral. Einige Galerien werden ausstellen, Eduardo Kac kommt und auch Hans-Ulrich Obrist, der künstlerische Leiter der Serpentine Gallery in London, reist für den Kunstmarkt und den Diskurs rundherum an.

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Aoife van Linden Tol zeigte schon letztes Jahr eines Teil ihres explosiven Werks. Auch dieses Jahr kommt sie zum Festival. Credit: Florian Voggeneder

Welche Ausstellungs-Highlights darf man jetzt schon verraten?

Martin Honzik: Zum Thema Artificial Intelligence befassen wir uns auch mit dem Thema Cyber Sex und Sex Dolls. Im Zusammenhang mit AI und generell der Mensch-Maschine-Ebene ist das eigentlich der Aspekt, wo die Zukunft schon längst zum kommerziellen Produkt geworden ist. Das sind mittlerweile ja nicht nur schnöde, aufblasbare Puppen. Im Grunde genommen ist hier die Fragestellung: In welchen Bereichen unseres Lebens agieren Maschinen anstelle von Menschen? Welchen Beziehungsstatus nehmen sie ein?

Auch Aoife van Linden Tol rührt wieder ordentlich um. Sie wird ein Event machen, eine einmalige Gelegenheit, zu dem nur um die fünfzig Leute kommen können – eine Oper des Explosiven. Das wird eine ganz neue Stufe im Vergleich zu letztem Jahr – und wir erhalten hier glücklicherweise volle Unterstützung von den Profis der BVS und von der Landesfeuerwehr.

Es wird einen Hackathon geben, bei dem es um Brain Technologies geht. Die Hacker und Hackerinnen werden da zwei Tage lang arbeiten, mitten unter den Leuten. Das ist ein vollkommen kontroverser Ansatz.

Dann geht es im Großen und Ganzen auch daran, diesen Brain Technologies, die ja sehr abstrakt sind, eine Hands-On-Experience zu geben. Wenn man vorm Infodesk am Festival steht und nach rechts schaut, wird in der hinteren Ecke ein malender One-Armed Roboter von Dragan Ilic stehen. Die Evolution zum letzten Jahr hier ist, dass man hier einen Menschen mit seinen Gedanken die Maschine steuern lässt, mit seiner Geisteskraft. Das macht das Gemälde sehr komplex, zu einer Koproduktion der Maschine und des Menschen. Die ETH Zürich wird eine „Hands-on-Demo“ eranstalten, um eine Idee eines Cybathlons zu vermitteln. Technische Universitäten, die sich mit dem Robotischen befassen, mit Add-Ons, mit Prothesen, suchen hier nach einer Möglichkeit – ohne an einem Superhuman zu basteln -, einer Minderheit, die nicht mehr in das Interface „Gesellschaft“ passt, zu helfen, mit technischen Mitteln wieder reinzupassen. Das sind Dinge, die Menschen ausprobieren können, um auf Augenhöhe zu kommen. Das und viele weitere Dinge sind Sachen, die diese Hirn-Maschine-Verbindungen beschaulicher und angreifbarer machen. Das wird eine ziemlich schöne Strecke werden.

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Die große Konzertnacht 2016 in der Gleishalle. Credit: Florian Voggeneder

Ein großer Teil des Ars Electronica Festivals ist immer auch Musik, in Form von Konzerten und Events. Was ist hier für dieses Jahr geplant?

Martin Honzik: Wie immer gibt es das Opening, einen performativen Abend in der Bruckner Universität, die OK Night, die Große Konzertnacht am Festival-Sonntag und den Music Monday, der am Pöstlingberg in der Bruckner Uni beginnt, sich durch das ganze Festival zieht und in einem Pianokonzert von Maki Namekawa in der Gleishalle der POSTCITY mündet.

Auch die Große Konzertnacht findet in der Gleishalle statt. Es wird das erste von Markus Poschner dirigierte Konzert in Linz sein. Dieses Mal baut die Konzertnacht auf einem mobilen Konzept auf, das die Gäste des Abends in spektakuläre Nähe zum Dirigenten und zu allen MusikerInnen bringt. Dafür wird der gesamte Graben in der Halle geschlossen und zur ebenen Fläche gemacht. Bruckner wird im Zentrum des ersten Teils stehen, jedoch ein Bruckner interpretiert in verschiedene Perspektiven.

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Credit: Florian Voggeneder

Es ist also wieder ziemlich viel los beim Festival! Wo und wie kann man sich zwischendurch etwas ausruhen?

Martin Honzik: Der Central Park (Bereich mitten in den alten Postrutschen, Anm. d. Red.) wird ein Ort der Entspannung, noch viel mehr als letztes Jahr. Man wird sich von Lichtung zu Lichtung begeben können. IKEA wird uns die Lounges vom Future Innovators Summit ausstatten. Damit werden wir am Ende des Festivals einen großen Flohmarkt machen, wo wir auch den Besuchern und Besucherinnen die Möglichkeit geben, etwas zu verkaufen.

Die Verpflegung macht auch dieses Jahr wieder die BIO Austria. Neben der großen Eingangsrampe findet ein Bauernmarkt statt. Auch am Dach möchten wir etwas machen, zum Beispiel eine Arbeit mit Brain Interface, das deine Angst misst. Eine Art Arm, in den man gebunden ist und der mit dir bis zu sieben Meter Höhe rotiert. Wenn du ganz ängstlich bist, wird die Maschine langsam, was dir natürlich die Angst nimmt. Je kühner und cooler du wirst, desto mehr rotiert der Arm. Das Interessante ist hier die Metapher, was man mit so einer Technologie dann auch mit benachteiligten Menschen, zum Beispiel Blinden, machen kann – das geht schon konkreter in den wirklichen Nutzen hinein, mehr als nur der Spaß, den man damit hat.

Das Medienkunstfestival der Ars Electronica wird von 7. bis 11. September in der POSTCITY Linz unter dem Thema „Artificial Intelligence – Das Andere Ich“ stattfinden. Um mehr über das Festival zu erfahren, folgen Sie uns auf Facebook, Twitter, Instagram und Co., abonnieren Sie unseren Newsletter und informieren Sie sich auf https://ars.electronica.art/ai/.

Martin Honzik Festival Leiter Ars ElectronicaMartin Honzik ist Künstler und Leiter des Bereichs Festival/Prix/Exhibitions bei Ars Electronica. Er absolvierte das Studium für visuelle, experimentelle Gestaltung an der Kunstuniversität Linz (Abschluss 2001) wie auch den Master Lehrgang für Kultur- und Medienmanagement der Johannes Kepler Universität Linz und ICCM Salzburg (Abschluss 2003). Von 1998 bis 2001 war er Teil des Produktionsteams im OK Offenes Kulturhaus im OÖ Kulturquartier und wechselte 2001 zum Ars Electronica Future Lab, wo er bis 2005 in den Bereichen Ausstellungsdesign, Kunst am Bau, Interfacedesign, Eventdesign und Projektmanagement tätig war. Seit 2006 ist Martin Honzik Leiter des Ars Electronica Festivals, des Prix Ars Electronica wie auch der Ars Electronica Center Ausstellungen und der internationalen Ausstellungsprojekte der Ars Electronica.