Artificial Intelligence hat es wieder geschafft. Nachdem Facebook, Uber und Co unter zunehmend schlechtem Image leiden, die Neuerfindung von VR schon wieder ihren Reiz verliert und das Internet der Dinge nicht recht über den sich selbst nachfüllenden Kühlschrank hinauskommt, dominiert der Nervenkitzel rund um die Super-Maschinen der Zukunft wieder die Schlagzeilen.
Artificial Intelligence also. Gigantischer Jobkiller? Gar der nächste Schritt in der Evolution, mit dem uns die Technologie endgültig den Rang abläuft? Oder doch heilbringende Systeme, die neue Medikamente für uns entwickeln und uns operieren, die unser Kapital anlegen und vermehren, ja die sogar den besseren – weil endlich objektiven – Chef abgeben? Artificial Intelligence hat viele Gesichter und sie garantieren allesamt Aufmerksamkeit.
Nüchtern betrachtet, ist die jüngste Entwicklung der Artificial Intelligence tatsächlich atemberaubend. Und sie wird künftig noch rasanter werden. Der Grund dafür ist einfach: Noch nie war so viel Investorenkapital auf der Suche nach den Erfolgstechnologien und Innovation für morgen. Die Konzentration wissenschaftlicher wie ökonomischer Power, wie sie bei den „großen Vier“ des Internet heute vorherrscht, verschiebt die wissenschaftliche Forschung von Militär und Elite-Universitäten in die Privatwirtschaft und stellt sie auf eine breite Basis.
Die Erwartungen sind also hoch und die Investitionen versprechen satte Profite in der Zukunft. Deep Learning, selbstlernende neuronale Netze, autonome mobile Roboter und smarte digitale Assistenten – sie sollen die nächsten großen Game-Changer sein und sie haben ohne jeden Zweifel das Zeug dazu.
„Das andere Ich“ – Technologie als Antagonist oder Alter Ego?
Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die Ars Electronica 2017 mit dem Thema „Artificial Intelligence – das andere Ich“. Wie der Untertitel erkennen lässt, richtet sich der Blick dabei über den technologischen und wirtschaftlichen Horizont hinaus auf die kulturellen, psychologischen, philosophischen und spirituellen Aspekte. Aus der Perspektive eines Festivals für Kunst, Technologie und Gesellschaft interessiert sich die Ars Electronica dabei vor allem für die Visionen, Erwartungen und Befürchtungen, die wir mit der Vorstellung einer künftigen, umfassende Artificial Intelligence verbinden.
Eine Entwicklung die uns ganz nah an grundlegende Fragen unserer eigenen Identität und Existenz heranführt: Was es etwa für uns „vernunftbegabte Wesen“ bedeuten würde, wenn wir plötzlich kein Monopol mehr auf das Denken besitzen? Sind wir dann noch die „Krone der Schöpfung“? Und wird es selbst dann noch etwas geben, wozu nur wir Menschen fähig sind – wenn ja, was? Wie sollen wir ethische Grundregeln für unsere zukünftigen Super-Roboter entwickeln, wenn wir das nicht einmal unter uns Menschen auf die Reihe kriegen? Werden wir das grundlegend Andere einer solchen künstlichen Intelligenz überhaupt je akzeptieren können, wenn uns das schon bei Mitmenschen mit anderer Hautfarbe oder anderer Religion derart schwerfällt? Einen möglichen Konflikt zwischen Menschen und Maschinen vorausgesetzt – verschlechtern wir unsere Erfolgsaussichten nicht massiv, indem wir unsere Umwelt und all das zerstören, von dem wir Menschen im Gegensatz zu den Maschinen abhängig sind?
Die Sehnsucht, unser perfektes Ebenbild zu schaffen, genau wie unsere Angst, von eben diesem Geschöpf dereinst gestürzt zu werden, bündeln sich in der Vision der Artificial Intellingence wie in keiner anderen Technologie. Artificial Intelligence ist somit die perfekte Projektionsfläche, um über die Menschen- und Weltbilder unserer digitalen Moderne nachzudenken. Gemeinsam mit KünstlerInnen, Natur- und GeisteswissenschaftlerInnen, genau wie mit ExpertInnen aus Wirtschaft, Politik und Religion versucht die diesjährige Ars Electronica auszuloten, welche unserer Ängste berechtigt und welche dagegen schlicht Ausdruck unseres ambivalenten Verhältnisses zu Technologie sind? Denn, wenn am Ende womöglich alles auf dem Spiel steht, warum lassen wir uns auf ein Abenteuer wie das der Artificial Intelligence überhaupt ein? Eine Frage, die gut genug ist, um ihr ein Ars Electronica Festival zu widmen!
Ars Electronica Festival 2017
Von 7. bis 11. September 2017 wird Linz zum Schauplatz einer spannenden und umfassenden Auseinandersetzung mit der Realität und der Vision von Artificial Intelligence. In Symposien, Ausstellungen, Performances, Workshops und künstlerischen Interventionen werden insbesondere ihre kulturelle, psychologische, philosophische und spirituelle Dimension bearbeitet. Die Frage nach dem Wesen einer zukünftigen, von uns Menschen geschaffenen Artificial Intelligence bildet dabei zugleich den Ausgangspunkt einer Reflexion über uns selbst, unsere Schwächen und unsere Stärken, kurz über das, was uns Menschen ausmacht.
Gerfried Stocker (AT)
Gerfried Stocker ist Medienkünstler und Ingenieur der Nachrichtentechnik. 1991 gründete er xspace, ein Team zur Realisierung interdisziplinärer Projekte, das zahlreiche Installationen und Performance-Projekte im Bereich Interaktion, Robotik und Telekommunikation realisiert hat. Seit 1995 ist Gerfried Stocker künstlerischer Geschäftsführer von Ars Electronica. 1995/96 entwickelte er mit einem kleinen Team von KünstlerInnen und TechnikerInnen die richtungsweisenden neuen Ausstellungsstrategien des Ars Electronica Center und betrieb den Aufbau einer eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung, des Ars Electronica Futurelab. Unter seiner Führung wurden ab 2004 das Programm für internationale Ars Electronica Ausstellungen aufgebaut und ab 2005 die Planung und inhaltliche Neupositionierung für das neue und erweiterte Ars Electronica Center aufgenommen und umgesetzt. Im Jänner 2009 wurde das ausgebaute Ars Electronica Center in Betrieb genommen.
Christine Schöpf (AT)
Seit 1979 wirkt Christine Schöpf maßgeblich an der Entwicklung von Ars Electronica mit. Zwischen 1987 und 2003 war sie federführend an der Konzeption und Organisation des Prix Ars Electronica beteiligt und ist seit 1996 gemeinsam mit Gerfried Stocker für die künstlerische Leitung des Ars Electronica Festival verantwortlich. Christine Schöpf studierte Germanistik und Romanistik und war anschließend als Radio- und Fernsehjournalistin tätig. Von 1981 bis 2008 leitete sie das Kultur- und Wissenschaftsressort des ORF Oberösterreich. Seit 2009 ist Christine Schöpf Honorarprofessorin der Kunstuniversität Linz.