Featured Artist 2018: Hidden Alliances – Elisabeth Schimana and the IMAfiction series

Elisabeth Schimana (AT)

Elisabeth Schimana und die IMA*fiction* Serie

Auf der Suche nach den Ahninnen

1998

Nach einem Jahrzehnt Arbeit im Bereich der elektronischen Musik/Kunst begann ich, nach einer anderen Geschichte zu fragen. In all den Jahren der Ausbildung und Arbeit wurde mir in diesem von Männern dominierten Genre, sowohl im Lehr- wie im Arbeitsbereich, kaum etwas von Frauen in der Geschichte der elektronischen Musik / Kunst erzählt. Und somit begann ich, neue Fäden in die Geschichten einzuweben.

Ich begann mit dem italienischen Futurismus, welcher von Filippo Tommaso Marinetti begründet wurde. Die von den Futuristen favorisierte Geräuschmusik, die Musik der Maschinen, kann als möglicher Beginn der elektronischen experimentellen Musik betrachtet werden. Luigi Russolo schrieb dazu am 11. März 1913 das Manifest Die Geräuschkunst. Bei der Suche nach der „Futuristin“ fand ich im italienischen Futurismus ideologische Grundlagen, im Speziellen in Bezug auf das Weib, die es als kaum wahrscheinlich erscheinen ließen, auf ein Fragment des weiblichen Futurismus zu stoßen: „9. Wir wollen den Krieg verherrlichen – diese einzige Hygiene der Welt – den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt, und die Verachtung des Weibes.“1 Ein schon vergriffenes Buch, Geschichte des Futurismus von Christa Baumgarth, ließ mich dennoch fündig werden.

HIDDEN ALLIANCES: Elisabeth Schimana and the IMAfiction Series, Credit: tom mesic

Eine Spur

1912 stellten die futuristischen Maler Umberto Boccioni, Carlo Carra, Luigi Russolo, Gino Severini zum ersten Mal in Paris aus. Dieser Aufenthalt gab den Malern die Gelegenheit, mit den KünstlerInnen der Pariser Avantgarde Freundschaft zu schließen. Valentine de Saint-Point, die Nichte Alphonse de Lamartines, eine Künstlerin eben dieser Pariser Avantgarde, veranstaltete einen Musik- und Literaturabend. Danach schloss sie sich den Futuristen an und verfasste das Manifest der Futuristischen Frau.

„Die Frauen: die Erinnyen, die Amazonen; die SEMIRAMIS, die JEANNE D´ARC, die JEANNE HACHETTE; die JUDITH und die CHARLOTTE CORDAY; … Mögen die nächsten Kriege Heldinnen auferstehen lassen wie KATHARINA SFORZA.“ Sie sah bei der Belagerung ihrer Vaterstadt von den Wällen, wie der Feind ihren Sohn bedrohte, um sie dadurch zur Übergabe zu zwingen. Aber sie offenbarte ihr Geschlecht heldenmütig und rief: „Tötet ihn, ich bin fruchtbar genug, um andere zu gebären!“

2002/3

Künstlerisch fand diese Recherche ihren Ausdruck in der Performance Portrait 01 – Die Futuristin. Ich verwob Stimmen und Gesichter von mir und Andrea Sodomka (Wegbegleiterin der ersten Stunde), Rebekah Wilson (aka Netochka Nezvanova / mit der Software NATO.0+55), und Tatjana Komarova (Leiterin des elektronischen Studios am Konservatorium in Yekaterinburg) zu einem fiktiven Portrait.

Website: http://elise.at/projekt/Portrait-01-Die-Futuristin

2005

In diesem Jahr gründete ich gemeinsam mit Andrea Sodomka das IMA Institut für Medienarchäologie. Technik und Kunst von Frauen hat für IMA einen klaren positiven Zusammenhang. Ob diese Kunst nun durch die Bearbeitung von Apparaturen oder die Programmierung von Computern erzeugt wurde/wird ist nebensächlich. Im Vordergrund steht die aktive Auseinandersetzung mit technologischen Entwicklungen. IMAfiction ist die Portraitserie des Instituts, die Künstlerinnen der elektronischen Kunst mit einem Fokus auf Klang gewidmet ist.

Erschienen sind Videoportraits von Liesl Ujvary (AT), Rebekah Wilson aka Netotschka Nezvanova (NZ), Heidi Grundmann (AT), Eliane Radigue (FR), Andrea Sodomka (AT), Maryanne Amacher (US), Anne La Berge (NL), Electric Indigo (AT) und Beatriz Ferreyra (AR/FR) – mit dem zehnten Portrait, meinem eigenen, ist die Serie von fünf österreichischen und fünf internationalen Künstlerinnen vorläufig abgeschlossen. Meist suchen sich die Künstlerinnen selbst aus, von wem sie portraitiert werden wollen. Dadurch entstehen ästhetisch sehr unterschiedliche, intime und an kein gängiges Filmformat gebundene Hommagen an die Künstlerinnen.

Website: https://ima.or.at/imafiction/

HIDDEN ALLIANCES: Elisabeth Schimana and the IMAfiction Series, Credit: tom mesic

2018

Was hat sich seit 1998 verändert? Die intensive Beschäftigung mit der Gedankenwelt, den Arbeitsmethoden und der Musik / Kunst von Kolleginnen und Ahninnen haben mich bereichert und die allgemein erzählte Geschichte ergänzt. Viel liegt immer noch brach – ein Appell an die Musikwissenschaft, die Kuratorinnen und Kuratoren, dieses Brachland zu bestellen. Es ist der gerichtete Blick, der Anderes ans Licht bringt.

In der Ausstellung Hidden Alliances erzählen zehn Künstlerinnen, Pionierinnen ihrer Zeit, eine etwas andere Geschichte und entwerfen gemeinsam ein spannendes Beziehungsgeflecht.

Websites:
http://www.elise.at/
http://www.ima.or.at/

Liesl Ujvary
Credit: Liesl Ujvary, portrait #01
Rebekah Wilson
Credit: Rebekah Wilson, portrait #02

Heidi Grundmann
Credit: Heidi Grundmann, portrait #03
Elaine Radigue
Credit: Elaine Radigue, portrait #04

Andrea Sodomka
Credit: Andrea Sodomka, portrait #05
Maryanne Amacher
Credit: Maryanne Amacher, portrait #06

Anne La Berge
Credit: Anne La Berge, portrait #07
Electric Indigo
Credit: Electric Indigo, portrait #08

Beatriz Ferreyra
Credit: Beatriz Ferreyra, portrait #09