Piano Music Meets Digital Images

Maki Namekawa (JP), Dennis Russell Davies (US), Cori O‘Lan (AT), Andreas Bitesnich (AT)

Piano Music Meets Digital Images ist der programmatische Titel des Montagabendkonzerts von Maki Namekawa und Dennis Russell Davies mit Visualisierungen von Cori Olan, das den Abschluss des diesjährigen Ars Electronica Festival bildet. Das Programm beginnt mit einer Soloaufführung von Maki Namekawa: Es handelt sich um die Weltpremiere der Klavierfassung von Mishima von Philip Glass. Im zweiten Teil des Abends spielen Maki Namekawa und Dennis Russell Davies Originalwerke für Klavier für vier Hände von Steve Reich (Piano Phase), Maurice Ravel (Ma Mere l’Oye) und Philip Glass (Stokes).

Mit Mishima: A Life in Four Chapters aus dem Jahr 1985 unter der Regie von Paul Schrader hat Philip Glass vielleicht einen seiner größten Erfolge im Medium Film erreicht. Dieser Film, der den letzten Tag des japanischen Autors Yukio Mishima dokumentiert, stellte Glass vor eine Reihe musikalischer Herausforderungen. Auch noch mehr als dreißig Jahre nach der Veröffentlichung sind sowohl der Film als auch die Musik eines der bekanntesten Werke von Glass und Schrader.

Philip Glass begann erst sehr spät mit dem Komponieren von Filmmusik. Obwohl er seine größten Erfolge mit kommerziellen Filmen wie The Hours und Dracula erlangte, basiert sein früher Ruf als Filmkomponist auf Art-House-Filmen wie Godfrey Reggios Koyaanisqatsi und Dokumentarfilmen wie Errol Morris‘ The Thin Blue Line. Während spätere kommerzielle Filme nach der im Filmbusiness etablierten Logik entstanden, in der der Komponist am Ende des Prozesses steht, folgte die Produktion dieser frühen Filme einer anderen Logik: Oft komponierte Glass die Musik, bevor die Bilder gedreht wurden, oder er schrieb einfach Musik zu einer Geschichte.

Maki Namekawa (JP) and Dennis Russell Davies (US), Credit: tom mesic

Ein Teil der Musik von Glass porträtiert Episoden aus Mishimas Leben. Sie wurde für Streichquartett eingespielt und als Streichquartett Nr. 3 Mishima veröffentlicht. Die brillante Mishima-Partitur war schon fast in Vergessenheit geraten, als Maki Namekawa im vergangenen Jahr den Musikdirektor des Philip Glass Ensembles, Michael Riesman, beauftragte, eine Solo-Piano-Version der gesamten Partitur zu erstellen. Nun ist dieses Meisterwerk zum ersten Mal in einem Konzert zu hören.

Namekawas Interpretation dieses neuen Arrangements rückt ihre kristalline Technik in den Vordergrund – eine perfekte Analogie zur Musik von Glass, zur Darstellung von Mishimas Charakters und zu ihrer ersten Interpretation durch einen einzigen japanischen Musiker. Die Zuhörer können heraushören, wie die Hauptthemen von Mishimas Leben – Schönheit, Kunst und Tatkraft – in Namekawas Performance zusammenlaufen.

Namekawa arbeitet mit dem renommierten österreichischen Fotografen und Videokünstler Andreas H. Bitesnich zusammen, der den subtilen Einsatz digitaler Medien mit Elementen verbindet, die an Aspekte des traditionellen Nō-Theaters erinnern. Dadurch wird die Dramatik, die in Namekawas Begegnung mit der Legende von Mishima via der Musik von Philip Glass liegt, nur noch unterstrichen und intensiviert.

Der zweite Teil des Abends ist der visualisierten Musik für Klavier für vier Hände gewidmet. Namekawa wird von ihrem Ehemann und langjährigen Pianoduo-Partner Dennis Russell Davies begleitet, der gemeinsam mit dem künstlerischen Leiter der Ars Electronica, Gerfried Stocker, die Long Music Night in seiner Funktion als Chefdirigent des Bruckner Orchester Linz initiierte. Neben seiner internationalen Tätigkeit als gefeierter und oft aufgenommener Dirigent (Grammy und Echo Classical) hat Davies auch als Pianist zahlreiche Werke aufgenommen (seine ECM-Aufnahme von Keith Jarretts Ritual, die Davies uraufgeführt hat, wurde kürzlich als LP und CD wiederveröffentlicht).

Maki Namekawa und Dennis Russell Davies spielen Originalwerke für Klavier für vier Hände von Steve Reich (Piano Phase), Maurice Ravel (Ma Mère l’Oye) und Philip Glass (Stokes).

Cori O‘Lan’s digitale Echtzeit-Visualisierungen dieser beiden Stücke entstanden in Zusammenarbeit mit dem Abu Dhabi Music Festival, wo sie im März dieses Jahres uraufgeführt wurden.

Maki Namekawa (JP) and Dennis Russell Davies (US), Credit: tom mesic

Steve Reich, Piano Phase

Piano Phase wurde 1967 für zwei Klaviere komponiert. Es ist eine der frühen Kompositionen von Steve Reich, wo er auch seine „Phasing-Technik“ für Instrumente einsetzt, eine Technik, die er aus frühen Werken mit Tonbandgeräten ableitet und die für einen Großteil seiner Musik zum Markenzeichen werden sollte.

Beide PianistInnen spielen das gleiche 12-Ton-Muster, aber im Laufe der Zeit variieren sie in Geschwindigkeit und Dynamik, so dass das Ergebnis eine ständig schwebende und modulierende Kombination dieses Musters ist, die in und aus der Reihe tanzt. Steve Reich bezeichnete dies als „Musik als einen allmählichen Prozess“ und leistete damit Pionierarbeit, die sowohl in der Avantgarde als auch in der Popmusik zu wichtigen Themen in der musikalischen Produktion des digitalen Zeitalters wurde.

Die Visualisierungen für Piano Phase wurden speziell für die Aufführung in Abu Dhabi entwickelt und leiten ihre Motive für die visuelle Interpretation direkt aus der Musik ab: Annäherung und Distanz, Rhythmus und Fluss, Klarheit und Mehrdeutigkeit der Tanz- und Verflechtungsmuster.

Maki Namekawa (JP) and Dennis Russell Davies (US), Credit: tom mesic

Maurice Ravel, Ma Mère l’Oye

Die ursprüngliche vierhändige Klavierfassung wurde von Ravel zwischen 1908 und 1910 komponiert und erzählt Geschichten, die von Charles Perraults Märchensammlung Tales of Mother Goose inspiriert sind. Ursprünglich für die Kinder seiner Freunde komponiert, machte Ravel bald auch eine Orchesterfassung und ein Ballett.

Dornröschen, Däumling, die Kaiserin der Pagoden und die Schöne und das Biest sind die Märchenfiguren hinter den einzelnen Teilen von *Ma mère l‘ Oye*, die mit einem großen Finale im Garten der Feen abgeschlossen werden.

Im Jahr 2016 produzierte Ars Electronica gemeinsam mit dem Abu Dhabi Festival und dem LA Philharmonic eine großformatige Visualisierung für die Orchesterfassung von *Ma mère l‘ Oye*. Das Werk wurde im Februar 2016 in der Walt Disney Music Hall in Los Angeles unter der Leitung von Esa Pekka Salonen mit dem LA Philharmonic uraufgeführt. Aufgrund der sehr großen klanglichen Unterschiede des Klaviers gegenüber dem gesamten Orchester, aber auch wegen der unterschiedlichen Interpretationen, wurde für die Aufführung mit Dennis Russell Davies & Maki Namekawa ein völlig neuer Satz von Visualisierungen geschaffen.

Obwohl sehr unterschiedlich in ihrem grafischen Stil, folgt die Klavier-Visualisierung auch der ursprünglichen Idee der „Klangmalerei“, ein Begriff, der oft verwendet wird, um den ganz besonderen Charakter der Musik Ravels zu beschreiben. Alle Frequenzen und Dynamiken des Klavierklangs werden von den Computeralgorithmen buchstäblich in „Farbe und Pinsel“ umgewandelt, die direkt mit der Live-Musik verbunden sind. Abstrakte Formen erscheinen, die manchmal an Kalligraphie, Landschaften, Berge, Meeresstürme oder plätschernde Wellen auf einem Fluss erinnern, sich bewegen und ineinander übergehen.

Credits:

The visualizations for Piano Phase and Ma Mère l’Oye are commissioned by the Abu Dhabi Music Festival and co-produced with Ars Electronica Futurelab