.....................  ......
mailing list archive
.....  
         
 HOME

 SITEMAP

 MAILINGLIST

 LINKS

 SEARCH

 FAQ

  Main Index

[Date Index][Thread Index]

LIFESCIENCE: First Statement Birgit Richard

 
---------------------------------------------------------
ARS ELECTRONICA FESTIVAL 99
LIFESCIENCE
Linz, Austria, September 04 - 09
http://www.aec.at/lifescience
---------------------------------------------------------
Ars Electronica 99
Festival for Art, Technology and Society
LifeScience
September 4-9, 1999


Prof. Birgit Richard


Statement: 
Netz-Symposium LifeScience

These 1: Hegemonie des Gens? Entgegen eines vom industriellen Komplex der Life 
Sciences aufgebauten Mythos, der Mensch wäre Gefangener der Struktur seiner 
Gene, die angeblich alles über ihn erzählen, steht vor allem, daß die Gene die 
Mikrostrukturen eines Körpers sind, der wiederum in seinen sozialen Kontext 
eingebettet ist und beispielsweise durch soziale Beziehungen oder 
Nahrungsgewohnheiten bestimmt wird.

These 2: Gestaltet Kunst Leben? Marcel Duchamps machte mit "Trois stoppage 
étalon" mehr als deutlich, daß der Mensch die Maße bestimmt, sie nicht etwa 
gottgegeben sind oder "Gesetzen der Natur" entstammen. Die Kunst könnte wie 
bei den Fraktalen ein Instrument zur Visualisierung der komplexen unsichtbaren
Prozesse der LifeScience zur Verfügung stellen. Wenn die Kunst jedoch mehr tun 
will als einen Kunstmarkt mit Objekten zu versorgen und etwas soziale 
Sprengkraft gewinnen will, so müssen die KünstlerInnen im Rahmen zusammen mit 
Gentechnikern selbst genetische Werke erschaffen.


Gen- und Biotechnologien gestalten in immer größerem Ausmaß Pflanzen und 
Tiere, also die lebendige Umwelt des Menschen, und schaffen damit unumgängliche
und verkünstlichte Lebensstrukturen. Diese alltägliche Konstruktion und 
Produktion von Natur provoziert starke Ablehnung, obwohl es sich im Grunde um 
einen Vorgang handelt, den der Mensch seit Anbeginn der Zivilisation vollzieht.
Geht es jedoch um den Einsatz von Gentechnologie im Dienste der Medizin, zur 
schrittweisen Abschaffung von Krankheiten, letztendlich also um die 
Verbesserung des gebrechlichen Menschen, so findet diese Technologie breite 
Zustimmung. Die positive Einschätzung der Life Sciences, der Gen- und 
Biotechnologien, verweist auf den uralten menschlichen Traum der 
Unsterblichkeit. Dagegen wird die Angst vor der Bedrohung durch Phänomene wie 
Genfood durch die Ahnung gespeist, daß durch diese Technologie der Traum ein
weiteres Mal nicht in Erfüllung geht und wie jede Stufe davor ihren Preis hat 
und das Risiko einer unkontrollierbaren Entwicklung in sich trägt. 


Die populäre Kultur breitet die Möglichkeiten und Defekte dieser Technologie 
narrativ und visuell aus. Sie kündet so trivial wie unverschleiert zu 
erwartende Probleme an. Praktizierte Gentechnologie ist z.B. ein fester 
Bestandteil der im Sommer in Europa anlaufenden US-Cartoonserie Southpark, in 
der das Klonen als gutgemeinte Verbesserung der Natur bereits zum Alltag 
gehört. In der Schule ist das Basteln von neuen Kreaturen Hausaufgabe und 
gerät außer Kontrolle. Fester Bestandteil ist außerdem ein Genlabor als Ort 
des Unglücks, aus dem in regelmäßigen Abständen mißlungene Kreaturen 
ausbrechen, z.B. ein bösartiger Klon eines der Kinder oder wildgewordene 
Truthähne, die das Städtchen Southpark zerstören. 

Das Medium Film zeigt, daß die Verdopplung in der erwünschten Form einer 
identischen Reproduktion nicht möglich ist. Es gibt immer Ärger mit den 
Doppelgängern, die sich verselbständigen und die Frage der Unterscheidung von 
Original und Reproduktion aufwerfen. Nur der perfekte Doppelgänger ist nicht 
gefährlich, ein Klon mit anderen Eigenschaften führt zur Schizophrenie. Die 
populäre Kultur widerspricht auch der irrtümlichen Meinung, mit der 
Entschlüsselung seiner DNA sei der Mensch komplett zu lesen wie ein Buch, da 
sie den wichtigen Zusammenhang der Entwicklung genetischer Information in 
sozialen Kontexten betont. Ein Film wie Gattaca räumt mit der verbreiteten
Meinung der Allmächtigkeit der Gene auf: Die Bedeutung des richtigen 
genetischen Fingerabdruck wird in Frage gestellt. Der genetische Komplex des 
Menschen bleibt Konstrukt und abstraktes Simulakrum, wenn er nicht mit einem 
in einen sozialen Kontext stehenden Körper übereinanderfällt.

Künstler- und GestalterInnen unterbreiten bereits Gestaltungsvorschläge in 
anderen Medien wie im Film und im Cartoon, nun ist es an der Zeit, im Team mit 
Naturwissenschaftlern direkt im gleichen Medium der Life Science zu arbeiten 
und neben eine industriell geformte genetische Welt eine zweckfreie ästhetisch
motivierte Variante zu stellen. 

---------------------------------------------------------------------------
You are subscribed to the German language version of LIFESCIENCE
To unsubscribe the German language version send mail to
lifescience-dt-request@aec.at (message text 'unsubscribe')
Send contributions to lifescience@aec.at
--------------------------------------------------------------------------