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Main IndexLIFESCIENCE: First Statement Gerfried Stocker
--------------------------------------------------------- ARS ELECTRONICA FESTIVAL 99 LIFESCIENCE Linz, Austria, September 04 - 09 http://www.aec.at/lifescience --------------------------------------------------------- Ars Electronica 99 Festival for Art, Technology and Society LifeScience September 4-9, 1999 Gerfried Stocker Statement: Netz-Symposium LifeScience Life Science Es bedarf keiner Trendforschung, um festzustellen, welches Thema zur Zeit die öffentliche Diskussion über Fortschritt und Zukunft bestimmt. Nach der industriellen und der digitalen Revolution - von der Dampfmaschine über die Atombombe bis zum Internet - wird nun die biologische Revolution ausgerufen. Angespornt von den Erfolgsstories der Informations- und Computertechnologien und den sagenhaften Börsengewinnen ihrer Protagonisten haben Meldungen aus Wissenschaft, Forschung und Technologie als Nachrichten aus der "Welt der Wunder" Schlagzeilenstatus erhalten und in ihrem Sensationswert mit Naturkatastrophen und Sportevents gleichgezogen. Verheißungsvolle Versprechungen, die nur zu genau die Träume unserer Hochleistungsgesellschaft vom gesunden, schönen und langen Leben treffen. Die weltweit prognostizierten Entwicklungen lassen den Verzicht auf diese Errungenschaften kaum als reale Option erscheinen, und viele postulieren es geradezu als moralischen Imperativ, angesichts von Hunger und Krankheit jedes technische Mittel zur Lösung dieser Probleme zum Einsatz zu bringen. Und so gilt Life Science, der Begriff, unter dem man die modernen Gen- und Biotechnologien zusammenfaßt, nicht zu unrecht als sicherer Anwärter auf das Attribut, 'die' Schlüsseltechnologie der kommenden Dekaden zu werden. Molekularbiologen und Gentechnik-Ingenieure haben, ausgestattet mit den infotechnischen Werkzeugen des Computerzeitalters, Tore aufgestoßen, deren Schwellen vielfach Grenzen und Tabus unserer Kultur markieren, auf deren Überschreitung sich aber zunehmend die Erwartungen und Hoffnungen auf die weitere Prosperität unserer Zivilisation orientieren. Außer Zweifel steht das gesellschaftspolitische und auch kulturelle Potential. Ist doch abzusehen, daß sich über die wissenschaftliche Beschäftigung hinaus auch alle ökonomischen und industriellen Anstrengungen in dem Ausmaß, in dem wir bisher damit beschäftigt waren, unsere materielle Um- und Außenwelt zu meistern, zu bearbeiten und zu bewirtschaften, nun auf das Leben selbst, auf seine konstituierenden Grundlagen, konzentrieren werden. Die Vorstellung, (auch menschliches) Leben über die morphologische Ebene des Körpers hinaus zu formen und in seinen Anlagen und Talenten konstruieren zu können, erzwingt neue Perspektiven auf dessen Grenzen, auf seine soziale und metaphysische Konstitution. Wie keine anderen Wissenschaften sind Genetik und Biologie immer auch als Werkzeuge für Ideologie und Machtansprüche gebraucht worden und in der Interpretation ihrer Erkenntnisse vorbelastet. Bei den Bio- und Gentechnologien finden wir uns zudem mit einer Domäne konfrontiert, die hoch oben, in den luftarmen Regionen weniger Experten, angesiedelt ist. Eine Tatsache, die angesichts der nachhaltigen Dimension der anstehenden gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen auch zu einem demokratiepolitischen Prüfstein werden wird. Zwischen der Arroganz der Wirtschaft und der Ignoranz der Politik bleibt der Mensch allein mit dem Dilemma, verführt von den Hoffnungen auf die Heilung aller Krankheiten und verunsichert durch die Ängste vor einem biologischen Armageddon (legitime Ängste angesichts von Bhopal, Tschernobyl, BSE ...). Eine Situation, in der wir eine Wissenschaftskultur und -kritik brauchen, die sich vom Mythos der neutralen Erkenntnisse und Fakten verabschiedet. Erfahrungen und Methoden der Medienkunst können uns dabei helfen. Interdisziplinäre Zusammenarbeit in einer modernen, pluralistischen Gesellschaft und künstlerische Intervention, die über moralisierende political correctness hinaus am gesellschaftlichen Diskurs über Fortschritt und Innovation teilnimmt. Wenn Ars Electronica mit dem diesjährigen Festival beginnt, Themenschwerpunkte im Bereich der modernen Biotechnologien zu verankern, markiert dies eine Neuorientierung, aber auch die Fortführung einer langgeübten und erfolgreichen Praxis: das Augenmerk dorthin zu lenken, wo sich Konflikte im Spannungsfeld von Technologie und Gesellschaft entwickeln. Kunst als Interface und als Katalysator für die Interaktion von Öffentlichkeit und Wissenschaft zur Wirkung zu bringen. Gerfried Stocker Life Science im Netz: http://www.aec.at/lifescience --------------------------------------------------------------------------- You are subscribed to the German language version of LIFESCIENCE To unsubscribe the German language version send mail to lifescience-dt-request@aec.at (message text 'unsubscribe') Send contributions to lifescience@aec.at --------------------------------------------------------------------------
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