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Prof. Dr. Birgit Richard

These 1: Hegemonie des Gens? Entgegen eines vom industriellen Komplex der Life Sciences aufgebauten Mythos, der Mensch wäre Gefangener der Struktur seiner Gene, die angeblich alles über ihn erzählen, steht vor allem, daß die Gene die Mikrostrukturen eines Körpers sind, der wiederum in seinen sozialen Kontext eingebettet ist und beispielsweise durch soziale Beziehungen oder Nahrungsgewohnheiten bestimmt wird.

These 2: Gestaltet Kunst Leben? Marcel Duchamps machte mit "Trois stoppage étalon" mehr als deutlich, daß der Mensch die Maße bestimmt, sie nicht etwa gottgegeben sind oder "Gesetzen der Natur" entstammen. Die Kunst könnte wie bei den Fraktalen ein Instrument zur Visualisierung der komplexen unsichtbaren Prozesse der LifeScience zur Verfügung stellen. Wenn die Kunst jedoch mehr tun will als einen Kunstmarkt mit Objekten zu versorgen und etwas soziale Sprengkraft gewinnen will, so müssen die KünstlerInnen im Rahmen zusammen mit Gentechnikern selbst genetische Werke erschaffen.

Gen- und Biotechnologien gestalten in immer größerem Ausmaß Pflanzen und Tiere, also die lebendige Umwelt des Menschen, und schaffen damit unumgängliche und verkünstlichte Lebensstrukturen. Diese alltägliche Konstruktion und Produktion von Natur provoziert starke Ablehnung, obwohl es sich im Grunde um einen Vorgang handelt, den der Mensch seit Anbeginn der Zivilisation vollzieht. Geht es jedoch um den Einsatz von Gentechnologie im Dienste der Medizin, zur schrittweisen Abschaffung von Krankheiten, letztendlich also um die Verbesserung des gebrechlichen Menschen, so findet diese Technologie breite Zustimmung. Die positive Einschätzung der Life Sciences, der Gen- und Biotechnologien, verweist auf den uralten menschlichen Traum der Unsterblichkeit. Dagegen wird die Angst vor der Bedrohung durch Phänomene wie Genfood durch die Ahnung gespeist, daß durch diese Technologie der Traum ein weiteres Mal nicht in Erfüllung geht und wie jede Stufe davor ihren Preis hat und das Risiko einer unkontrollierbaren Entwicklung in sich trägt.

Die populäre Kultur breitet die Möglichkeiten und Defekte dieser Technologie narrativ und visuell aus. Sie kündet so trivial wie unverschleiert zu erwartende Probleme an. Praktizierte Gentechnologie ist z.B. ein fester Bestandteil der im Sommer in Europa anlaufenden US- Cartoonserie Southpark, in der das Klonen als gutgemeinte Verbesserung der Natur bereits zum Alltag gehört. In der Schule ist das Basteln von neuen Kreaturen Hausaufgabe und gerät außer Kontrolle. Fester Bestandteil ist außerdem ein Genlabor als Ort des Unglücks, aus dem in regelmäßigen Abständen mißlungene Kreaturen ausbrechen, z.B. ein bösartiger Klon eines der Kinder oder wildgewordene Truthähne, die das Städtchen Southpark zerstören. Das Medium Film zeigt, daß die Verdopplung in der erwünschten Form einer identischen Reproduktion nicht möglich ist. Es gibt immer Ärger mit den Doppelgängern, die sich verselbständigen und die Frage der Unterscheidung von Original und Reproduktion aufwerfen. Nur der perfekte Doppelgänger ist nicht gefährlich, ein Klon mit anderen Eigenschaften führt zur Schizophrenie. Die populäre Kultur widerspricht auch der irrtümlichen Meinung, mit der Entschlüsselung seiner DNA sei der Mensch komplett zu lesen wie ein Buch, da sie den wichtigen Zusammenhang der Entwicklung genetischer Information in sozialen Kontexten betont. Ein Film wie Gattaca räumt mit der verbreiteten Meinung der Allmächtigkeit der Gene auf: Die Bedeutung des richtigen genetischen Fingerabdruck wird in Frage gestellt. Der genetische Komplex des Menschen bleibt Konstrukt und abstraktes Simulakrum, wenn er nicht mit einem in einen sozialen Kontext stehenden Körper übereinanderfällt. Künstler- und GestalterInnen unterbreiten bereits Gestaltungsvorschläge in anderen Medien wie im Film und im Cartoon, nun ist es an der Zeit, im Team mit Naturwissenschaftlern direkt im gleichen Medium der Life Science zu arbeiten und neben eine industriell geformte genetische Welt eine zweckfreie ästhetisch motivierte Variante zu stellen.