These
1: Hegemonie des Gens? Entgegen eines vom industriellen Komplex
der Life Sciences aufgebauten Mythos, der Mensch wäre Gefangener
der Struktur seiner Gene, die angeblich alles über ihn erzählen,
steht vor allem, daß die Gene die Mikrostrukturen eines Körpers
sind, der wiederum in seinen sozialen Kontext eingebettet ist und
beispielsweise durch soziale Beziehungen oder Nahrungsgewohnheiten
bestimmt wird.
These
2: Gestaltet Kunst Leben? Marcel Duchamps machte mit "Trois
stoppage étalon" mehr als deutlich, daß der Mensch die Maße bestimmt,
sie nicht etwa gottgegeben sind oder "Gesetzen der Natur" entstammen.
Die Kunst könnte wie bei den Fraktalen ein Instrument zur Visualisierung
der komplexen unsichtbaren Prozesse der LifeScience zur Verfügung
stellen. Wenn die Kunst jedoch mehr tun will als einen Kunstmarkt
mit Objekten zu versorgen und etwas soziale Sprengkraft gewinnen
will, so müssen die KünstlerInnen im Rahmen zusammen mit Gentechnikern
selbst genetische Werke erschaffen.
Gen-
und Biotechnologien gestalten in immer größerem Ausmaß Pflanzen
und Tiere, also die lebendige Umwelt des Menschen, und schaffen
damit unumgängliche und verkünstlichte Lebensstrukturen. Diese alltägliche
Konstruktion und Produktion von Natur provoziert starke Ablehnung,
obwohl es sich im Grunde um einen Vorgang handelt, den der Mensch
seit Anbeginn der Zivilisation vollzieht. Geht es jedoch um den
Einsatz von Gentechnologie im Dienste der Medizin, zur schrittweisen
Abschaffung von Krankheiten, letztendlich also um die Verbesserung
des gebrechlichen Menschen, so findet diese Technologie breite Zustimmung.
Die positive Einschätzung der Life Sciences, der Gen- und Biotechnologien,
verweist auf den uralten menschlichen Traum der Unsterblichkeit.
Dagegen wird die Angst vor der Bedrohung durch Phänomene wie Genfood
durch die Ahnung gespeist, daß durch diese Technologie der Traum
ein weiteres Mal nicht in Erfüllung geht und wie jede Stufe davor
ihren Preis hat und das Risiko einer unkontrollierbaren Entwicklung
in sich trägt.
Die
populäre Kultur breitet die Möglichkeiten und Defekte dieser Technologie
narrativ und visuell aus. Sie kündet so trivial wie unverschleiert
zu erwartende Probleme an. Praktizierte Gentechnologie ist z.B.
ein fester Bestandteil der im Sommer in Europa anlaufenden US- Cartoonserie
Southpark, in der das Klonen als gutgemeinte Verbesserung der Natur
bereits zum Alltag gehört. In der Schule ist das Basteln von neuen
Kreaturen Hausaufgabe und gerät außer Kontrolle. Fester Bestandteil
ist außerdem ein Genlabor als Ort des Unglücks, aus dem in regelmäßigen
Abständen mißlungene Kreaturen ausbrechen, z.B. ein bösartiger Klon
eines der Kinder oder wildgewordene Truthähne, die das Städtchen
Southpark zerstören. Das Medium Film zeigt, daß die Verdopplung
in der erwünschten Form einer identischen Reproduktion nicht möglich
ist. Es gibt immer Ärger mit den Doppelgängern, die sich verselbständigen
und die Frage der Unterscheidung von Original und Reproduktion aufwerfen.
Nur der perfekte Doppelgänger ist nicht gefährlich, ein Klon mit
anderen Eigenschaften führt zur Schizophrenie. Die populäre Kultur
widerspricht auch der irrtümlichen Meinung, mit der Entschlüsselung
seiner DNA sei der Mensch komplett zu lesen wie ein Buch, da sie
den wichtigen Zusammenhang der Entwicklung genetischer Information
in sozialen Kontexten betont. Ein Film wie Gattaca räumt mit der
verbreiteten Meinung der Allmächtigkeit der Gene auf: Die Bedeutung
des richtigen genetischen Fingerabdruck wird in Frage gestellt.
Der genetische Komplex des Menschen bleibt Konstrukt und abstraktes
Simulakrum, wenn er nicht mit einem in einen sozialen Kontext stehenden
Körper übereinanderfällt. Künstler- und GestalterInnen unterbreiten
bereits Gestaltungsvorschläge in anderen Medien wie im Film und
im Cartoon, nun ist es an der Zeit, im Team mit Naturwissenschaftlern
direkt im gleichen Medium der Life Science zu arbeiten und neben
eine industriell geformte genetische Welt eine zweckfreie ästhetisch
motivierte Variante zu stellen.
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