Twitter und Demokratie

In den letzten Wochen und Monaten, nun, wenn mans genau nimmt, gar nicht mal die allerletzten, ist ein Medium immer mehr in den Vordergrund gerückt, das zunächst gar nicht als Nachrichtenmedium konzipiert war: Twitter.

Alle, die jene Zeilen lesen, wissen, wie diese Plattform funktioniert. Die Erfinder von diesem Dienst hatten tatsächlich eigentlich nur im Sinn, über banale Dinge zu berichten, typischerweise „Habe gerade einen köstlichen Mocca in Venedig getrunken, furchtbar überteuert!“ oder „Der Reissverschluss meiner Jacke klemmt!“ und dergleichen, dass aus dieser simplen Idee mal etwas werden könnte, das nicht wenige als Werkzeug zur Demokratisierung bezeichnen, nun, das stand wohl nicht mal in den Sternen.

Wieso diese Geschichte trotzdem nicht ganz neu ist? Erinnern wir uns zurück an die Studierendenproteste 2009, die, je nach Blickwinkel, die Unis wochenlang lahmgelegt oder eine breitere Öffentlichkeit auf Probleme aufmerksam gemacht haben, die nicht nur mit Universitäten, sondern viel mehr mit unserer Gesellschaft zu tun haben. Ganz zentral an den damaligen Protesten war, dass sie komplett dezentral durchgeführt wurden, es gab keine Organisationsstruktur, wie es sie üblicherweise bei dieser Art Anlässen gäbe (Studienrichtungsvertretungen, beispielsweise), sondern es wurde basisdemokratisch agiert, Arbeitsgruppen wurden gegründet, Aufgaben verteilt, allerdings ohne einer Gruppe, die einem gesagt hätte: „Mach das!“

Und wer damals dabei war, hat gesehen, dass ziemlich viele Menschen mit Mobiltelefonen unterwegs waren, und zwar nicht telefonierenderweise, sondern lesend und tippend. Nun ist 2009 nicht gerade technische Steinzeit, das Internet hatte bereits Einzug gefunden auf mobilen Geräten, auch wenn man sie damals noch nicht überall Smartphones nannte. Jedenfalls wurde getwittert, was das Zeug hielt, Tipps, wo gerade Veranstaltungen stattfinden, wo gerade Not an Mann und Frau ist, was zu tun ist, was erledigt wurde, etc, etc. Und das alles ohne Filterung, ohne Zensur, man musste nur den richtigen Hashtag kennen.

Zeitsprung, Ortswechsel, 2011, Nordafrika. Zuerst war Tunesien an der Reihe, dann Ägypten, und Lybien ist immer noch mitten drin. Vor allem in Tunesien wird Social-Media-Netzwerken wie Twitter, aber auch natürlich auch Facebook, eine ganz entscheidende Rolle daran beigemessen, dass es überhaupt zu Protesten dieser Größenordnung kommen konnte.

Für Machthabende stellt Twitter in der Tat ein Problem dar. Hat man Zugriff auf die Seite, gibt es keine Möglichkeiten, den Inhalt zu zensieren. Man kann ihn filtern (und ohne Filterung ist Twitter sehr schwer nutzbar), allerdings passiert das immer auf der Seite des oder der Lesenden, man kann niemandem vorgeben, was er oder sie zu sehen hat. Das heißt, wenn man verhindern möchte, dass unangenehme Fotos, Videos, Nachrichten ans Licht kommen, bleibt der jeweiligen Regierung nichts anderes übrig, als den Zugriff zur Gänze zu sperren, was keine leichte Übung ist. Stichwort Fotos und Videos: Der technische Fortschritt hat beinahe jedem Telefon beigebracht, diese aufzuzeichnen und sofort ins Internet zu bringen, ein weiteres Problem für die, die kontrollieren wollen, die zeitliche Distanz zwischen Aufnahme und Veröffentlichung ist eine sehr, sehr kleine. Und ist ein Video, das beispielsweise Staatsgewalt dokumentiert, erst mal im Netz, schlägt es Wellen, sehr große.

Twitter, Facebook und Konsorten als Allheilmittel für Demokratisierungsprozesse zu sehen, ist sicherlich ein wenig naiv. Aber ein Mittel, das helfen kann, ist es allemal. Im Rahmen der Pixelspacesvorträge wird es einige spannende Beiträge zu diesem Themenfeld geben, unter anderem von David Sasaki von Globalvoices, einer Plattform, die weltweit auf BloggerInnen und Nachrichtenkanäle hinweist, die sonst womöglich keine Aufmersamkeit bekommen würden.

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