HR Giger


H. R. Giger bei der Arbeit, 1978

Die Ars Electronica würdigt HR Giger (CH), den Außenseiter im System Kunst und legendären Schöpfer der Biomechanik und des oscargekrönten Alien. Diese Verkörperung der Angst vor dem von außen eindringenden Grauen in Ridley Scotts Scifi-Filmklassiker führt seit 1980 ein Eigenleben in der Populärkultur und hat den unverwechselbaren Stil des 1940 geborenen Malers, Zeichners und Designers einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht.

Obzwar Teil der Avantgarde der 1960er-Jahre, ist Giger selbst in der Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts verwurzelt. In vielem ist er der klassischen Malerei verpflichtet und greift doch lieber zum Airbrush als zum althergebrachten Pinsel.

Ängste und Obsessionen


Gebärmaschine (1968)

Als Erneuerer der Fantastischen Kunst schöpft Giger aus den Ängsten und Obsessionen seiner Kindheit, vor allem aus der Furcht vor einem globalen Atomkrieg und der Übervorteilung des Menschen durch den technischen Fortschritt. Besessen vom Kreislauf von Geburt, Eros und Tod verschmilzt der Künstler Technik, Mechanik und organische Lebewesen zu verstörenden „Biomechanoiden“ und wird so zum Visionär des Cyborgs.

Von Necronom zu Prometheus


Necronom IV (1976)

Die Ausstellung im LENTOS Kunstmuseum Linz zeichnet mit Gemälden, Zeichnungen, Filmen und Plastiken die Entwicklung von Gigers biomechanischem Stil nach. Ergänzt um Originalrequisiten, Entwürfe und die Alien-Diaries führt sie vom Necronom-Zyklus aus den 1970er-Jahren zu Alien und Prometheus, Gigers jüngster Gestaltungsleistung wiederum für einen Film von Ridley Scott.

Ein Projekt von Ars Electronica Festival mit HR Giger, LENTOS Kunstmuseum Linz, Museum HR Giger Gruyères und dem Giger-Sammler Marco Witzig

Kurator: Andreas Hirsch (AT)

Vernissage im Beisein von HR Giger: Mi 4. 9. 19:00

Ausstellungsrundgang mit HR Giger (CH), Gerfried Stocker (AT), Stella Rollig (LENTOS Kunstmuseum / AT) und Andreas Hirsch (AT)
Do 5. 9. 14:30
LENTOS Kunstmuseum Linz

HR Gigers World

mit HR Giger (CH), Andreas Hirsch (AT)


Im Deep Space des Ars Electronica Center führt eine Serie von Gigapixelbildern in noch nie dagewesener Weise in den abgründigen Kosmos HR Gigers, begleitet von einem Gespräch zwischen Kurator Andreas Hirsch und dem Künstler selbst.

Fr 6. 9. 22:00
Ars Electronica Center, Deep Space

Alien Diaries

Zu den Raritäten der Ausstellung zählen Gigers legendäre Alien-Diaries aus den Jahren 1978 und 1979. Erstmals liegen sie nun als Buch vor, das mit der Ausstellungsvernissage im LENTOS Kunstmuseum Linz in den Handel kommt und auch bei einer Signierstunde mit dem Künstler erhältlich ist.

Signierstunde

Do 5. 9. 15:00
LENTOS Kunstmuseum Linz

Interview mit HR Giger

HR Giger über das Erinnern, Überwachen, Altern und Träumen
APA-Interview mit HR Giger, August 2013


HR Giger, Zürich, Juli 2013, Foto: Andreas J. Hirsch / andreas-hirsch.net

HR Giger, Schweizer Surrealist von Weltrang und für seine Mitarbeit am Kultfilm „Alien“ mit einem Oscar ausgezeichnet, ist Featured Artist des diesjährigen Linzer Medienkunstfestivals Ars Electronica „TOTAL RECALL – The Evolution of Memory“. Von 5. bis 29. September stellt er im Museum Lentos seine „Biomechanik“ und Raritäten aus. Ein APA-Interview über das Erinnern, Überwachen, Altern und Träumen.

APA: Das Thema Erinnerung steht heuer im Mittelpunkt der Ars Electronica. Woran erinnern Sie sich gerne? Was würden Sie am liebsten aus Ihrem Gedächtnis streichen?

HR Giger: „Total Recall“ ist ein spannendes Thema. Science-Fiction ist ja auch Erinnerung – eben an die Zukunft. Es gefällt mir gut, dass da meine Werke eine Rolle spielen. Es wird Sie vielleicht wundern, aber es gibt vieles, an das ich mich gerne erinnere. Es sind tolle Dinge passiert in all den Jahren. Krankheit und Schmerz machen mir Angst, an die werde ich nicht gerne erinnert.

APA: Die Datenspeicherung der USA hat weltweit für Verstimmung gesorgt und zu einer Diskussion über Neue Medien geführt. Sind Sie ein Freund von Facebook und Co. oder ein Kritiker?

Giger: Geheimdienste haben immer Informationen gesammelt, und die Regierungen haben das dann geleugnet. Das ist nichts Neues, nur die Dimension ist heute eine ganz andere. Ich selbst nutze die digitalen Medien ja nicht, ich bin lieber privat. Aber es stört mich nicht, wenn andere es tun. Schlechte Nachrichten können sich genauso rasch verbreiten wie gute, man kann mit jedem Medium und mit jeder Technologie gute und schlechte Dinge machen.

APA: In Ihrer Ausstellung in Linz sollen noch nie gezeigte Gemälde, Plastiken, Grafiken und Kurzfilme zu sehen sein. Was erwartet die Besucher?

Giger: Kurator Andreas Hirsch hat mich gebeten, für die Ausstellung im Lentos einige Werke auszuleihen, die ich normalerweise nicht aus dem Haus gebe. Er will, dass das Publikum sehen kann, wie sich mein biomechanischer Stil entwickelt hat. Das wurde so noch nie gezeigt. Und meine Tagebücher aus der Zeit, wo ich in den Shepperton Studios an „Alien“ gearbeitet habe, hat man noch nie so umfassend gesehen. Das ist mir wichtig. Patrick Frey hat die „Alien Diaries“ nun in seinem Verlag herausgebracht. Matthias Belz und Marco Witzig, die meinen Werkskatalog erstellt haben, haben Serien mit Polaroids wiederentdeckt, die ich in den 1980er Jahren aufgenommen und gleich nach der Aufnahme bearbeitet habe. Die haben dem Kurator auch gefallen, und jetzt zeigen wir sie her.

APA: Anfang der 1990er Jahre haben Sie das Malen aufgegeben. Was ist das Besondere am dreidimensionalen Schaffen?

Giger: Ich habe immer gezeichnet und immer gerne Objekte gebaut. Auch meine eigene Eisenbahn habe ich selbst gebaut und Requisiten für Filme. Auch in meinen Airbrush-Bildern sind viele Räume und Landschaften zu sehen – Dreidimensionales, wenn Sie so wollen. Vielleicht geht es eigentlich um Räume, innere Räume, Seelenräume. Sigmund Freuds Traumdeutung hat mich früh sehr beschäftigt.

APA: Mit Ihren Werken verbindet man Begriffe wie düster, verstörend, angsteinflößend, resignierend. Wie schaut die Lebenswelt des Hansruedi Giger heute aus? Hat sich Ihre Kreativität im Alter gewandelt? Woher holen Sie sich mit 73 Jahren Ihre Energie?

Giger: Ich lebe, wie ich immer gelebt habe, so privat wie möglich. Heute sicher ruhiger. Ich sehe dem Verfall zu, Verfall gefällt mir. Düster finde ich mein Werk nicht, auch nicht resignierend. Natürlich habe ich meine Ängste auf die Bilder gebracht. Ängste können auch ein guter Antriebsmotor sein, so wie die Sexualität.

APA: Im Vorjahr lief Ridley Scotts Film „Prometheus“, basierend auf „Alien“ und Ihren Arbeiten, in den Kinos. Die Kritiken waren nicht berauschend. Hat Ihnen der Film gefallen? Wälzen Sie weitere Pläne mit Scott?

Giger: Mit Filmen bin ich immer unzufrieden. Lesen Sie meine Alien-Tagebücher. Beim Film arbeiten so viele Leute mit, oft tolle Leute, aber es ist dann am Ende nicht mehr die eigene Vision, so wie beim Malen oder Zeichnen. Aber mit Ridley Scott habe ich immer gerne gearbeitet, ein großartiger Mensch und ein großartiger Regisseur.

APA: Die erste Ars Electronica fand 1979 statt, „Alien“ erschien im selben Jahr. Ein Zufall, der Sie freut?

Giger: Vielleicht ist es ja kein Zufall. Jedenfalls freut mich das Interesse der Ars Electronica. Eine tolle Sache. Besonders freue ich mich, meine Gemälde im Riesenformat im Deep Space des Ars Electronica Centers zu sehen. So habe ich sie auch selbst noch nie gesehen.

APA: Ihr Museum in Gruyeres hat heuer sein 15-Jahr-Jubiläum gefeiert. Sie haben sich damit einen Traum erfüllt. Wovon träumen Sie noch? Oder ist HR Giger kein Träumer?

Giger: Auf das Museum, das meine Frau leitet, bin ich sehr stolz. Zu Ihrer Frage: Ich träume immer. Auch das Malen hat die Träume nicht bannen können. Die gehören wahrscheinlich dazu, solange man lebt.

(Die Fragen stellte Tobias Prietzel/APA)