Zur Eröffnung des Ars Electronica Festival 2015 POST CITY wie auch seines zentralen Schauplatzes POST CITY erklingen eingangs Nebelhörner.
Suche nach makellosem Raum
In seinen beiden (Raum-)Eröffnungsbeiträgen befragt Posaunist Bertl Mütter (AT) seine Instrumente – das Mut- und das Wunderhorn – unter dem Titel irreprehensibilis? nach dem perfekten Ort: Wie makellos müsste ein solcher sein, damit nichts von ihm zurückgenommen werden muss? Denn im Gegensatz etwa zum Festivalschauplatz Mariendom, der seinem Zweck heute noch weitgehend gerecht wird, wie Mütter meint, war das Postverteilzentrum „erschreckend bald“ obsolet. Unbeschadet dessen agiert Mütter darin jedenfalls sichtbar, unsichtbar, nahezu unhörbar und dann wieder vehement – und quasi als Stunt des Abends auch auf der Brücke der Gleishalle.
Kippendes Klavier
Rupert Huber (AT) lässt anschließend das Klavier in ein horizontales elektronisches Feld kippen. Sein zarter, gerade noch einen Ton auslösender Anschlag lässt das Klavier allein klingen: je stärker er wird, je mehr und lauter Töne aus dem Verschwinden in eine akustische Säule angeschlagen werden, desto intensiver wird das mitlaufende Plug-in gespeist und der Klavierton verlängert, erweitert, beflügelt und vom historischen Klang in ein zeitloses Geflecht transformiert. Anschließend nimmt Maki Namekawa (AT/JP) am Flügel Platz und interpretiert ausgesuchte Etüden von Philip Glass und damit einen weniger bekannten Teil des Glass’schen Oeuvres.
Musikalische Migration
Im Anschluss setzen Peter Androsch und Anatol Bogendorfer (Hörstadt/AT) die höchst symbolträchtige Diaspora Maschine in Gang, die mit musikalischen Mitteln Bezug auf die an Europas Küsten anbrandenden Flüchtlingswellen und das damit verbundene Versagen einer ganzen politischen Klasse Bezug nehmen.
Massensterben
Daraufhin rühren raum.null – Chris Bruckmayr (AT) und Dobrivoje Milijanovic (SR) – mit ihrer Performance the sixth wave of mass extinction akustisch wie visuell am Kern der postmodernen Gesellschaft. Sie legen das Bedrohungspotenzial offen, das in der sechsten Massenauslöschung der Weltgeschichte – dem gerade in aller Stille vor sich gehenden Artensterben – schlummert.
Parallelwelten und Retrofilme
Lockerer nehmen es dann die beiden DJs Lotic und M.E.S.H aus dem Salon 2000, einer 2013 entstandenen Parallelwelt aus Musik, Film und Kunst, sowie die DJs Uli Mayr (AT) und Thomas Scheutz (AT). Davor und zwischendrin zeigt Ars Electronica Kurzfilme des Linzer Filmpioniers Alexander Hans Puluj (AT). 1949 gründete er das erste Linzer Kino für Filme mit Kunstanspruch und baute ein Filmproduktionsunternehmen mit den Schwerpunkten Trick-, Industrie- und Tourismusfilm auf und hielt so indirekt die Entwicklung der Stadt in der Wirtschaftswunderzeit fest.
Opening-Programm POST CITY
19:30-01:00 | Naked Veriti |
19:30-20:15 | Post Cargo Stage: Einlass mit Nebelhörnern und Drums |
20:15-20:30 | irreprehensibilis? (1) Bertl Mütter (AT) |
20:30-21:00 | Rupert Huber (AT) |
21:00-21:30 | Maki Namekawa (AT/JP): Etüden von Philip Glass |
21:00-23:00 | Uli Mayr (AT) und Thomas Scheutz (AT) |
21:30-21:40 | irreprehensibilis? (2) Bertl Mütter (AT) |
21:40-22:20 | Diaspora Maschine, Peter Androsch (AT) & Anatol Bogendorfer (AT) in Kooperation mit dem Hardchor, dem Kinder- und Jugendchor des Landestheaters Linz (in Zusammenarbeit mit dem Landesmusikschulwerk OÖ) und der Anton Bruckner Privatuniversität. |
22:20-23:00 | Chris & Didi Bruckmayr (AT) mit Dobrivoje Milijanovic (SR) aka raum.null Visuals: Veronika Pauser aka Vero Visual, Peter Holzkorn aka Voidsignal und Florian Berger aka Flockaroo, Produktion: Claudia Schnugg |
23:00-0:00 | DJ M.E.S.H (präsentiert von Salon 2000) |
0:00-1:00 | DJ LOTIC (präsentiert von Salon 2000) |