Campus Exhibition: Medienkunst aus China

Die Geschichte Chinas ist mächtig und voll von bis heute überlieferten Erzählungen und Traditionen. Wie gehen die Studierenden der Tsinghua-Universität mit diesem imposanten kulturellen Erbe um, wenn sie sich dem Thema Medienkunst nähern? Prof. Wang von der Akademie für Kunst und Design stellt im Interview sein Institut vor, zeitgleich präsentieren wir einen ersten Auszug der „Campus Exhibition“.

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Hier treffen alte Gassen aus der Ming-Dynastie, die Jahrtausende alte Keramik-Manufaktur des Landes, die sagenumwobene Terrakottaarmee oder aber auch das traditionelle Schattentheater auf Virtual Reality, Datenvisualisierungen, Animationen und Hightech. Es gehört schon zur Tradition, dass nicht nur der Studiengang „Interface Cultures“ der Linzer Kunstuniversität mit einer eigenen Ausstellung beim Ars Electronica Festival vertreten ist, sondern auch eine internationale Partneruniversität nach Linz reist, um die Medienkunstwerke ihrer Studierenden direkt in der Campus Exhibition in der Kunstuniversität Linz vorzustellen. 2016 hat die Tsinghua-Universität diese Einladung angenommen – genauer gesagt das Institut für Informationskunst und –design der Akademie für Kunst und Design aus Peking. Die Universität zählt zu den renommiertesten Universitäten Chinas und ist darüber hinaus Mitglied der C9-Liga – einer Verbindung von neun prestigeträchtigen Eliteuniversitäten des Landes. In diesem Interview stellt Prof. Zhigang Wang – neben einem kleinen Auszug der Projekte – die chinesische Institution und ihren Zugang zur Medienkunst näher vor.

Narrow Streets

„Narrow Streets Dating Back to the Ming and Qing Dynasties“, von Wu Shizhong, Guan Yan, Wu Qiong, Wang Zhigang, Zhang Mangmang, Xiang Feng

Herr Prof. Wang, warum hat man sich im Jahr 2005 eigentlich dafür entschieden, ein Institut für Informationskunst und –design an der Tsinghua-Universität zu starten?

Zhigang Wang: Nachdem im Jahr 1999 die Zentralakademie für Kunst und Design in die Tsinghua-Universität integriert wurde, haben wir uns damit beschäftigt, wie es denn zukünftig weitergehen könnte mit Design – in einem Umfeld von Informationskunst und –technologie. Und das war für uns schließlich der entscheidende Punkt: Wir nutzten damals diese Gelegenheit und schufen 2005 ein eigenes Institut für Informationskunst und –design.

Sie stellen ihren Studierenden die Anforderung, dass sie ein großes Interesse an der Verbindung von Kunst und Wissenschaft mitbringen sollten. Was erwarten Sie sich von dem Zusammenspiel dieser beiden Felder?

Zhigang Wang: Wir sind offen für alle Bewerberinnen und Bewerber – von den unterschiedlichsten Disziplinen, sowohl aus den Bereichen der Wissenschaft und Technologie als auch aus den Bereichen von Kunst und Design. Unsere interdisziplinären Programme regen chemische Reaktionen zwischen diesen Feldern an. Unser Ziel ist es, unseren Absolventinnen und Absolventen ein umfassendes Wissen und reichlich viele Fähigkeiten mitzugeben, damit sie den Herausforderungen der echten Welt gerüstet sind.

Dunhuang’s Digital Conservation – Virtual Exhibition Platform

„Dunhuang’s Digital Conservation – Virtual Exhibition Platform“ von Lu Xiaobo, Wu Qiong, Zhang Lie, Chen Lei et al.

Werfen wir doch einen Blick auf den Lehrplan, der mit dem Bachelor-Studium beginnt. Was ist Ihrer Meinung nach unerlässlich für das Informationsdesign im Jahr 2016?

Zhigang Wang: Wir konzentrieren uns weiterhin auf das Design von Interaktionen. Die ökologischen Aspekte von Produkten und der Kommunikation gehen meist einher mit komplexen, digitalen Umgebungen. Deshalb versuchen wir, die Herstellung und die Theorie mit dem Einsatz von neuer Technologie auszubalancieren. 2016 wird es einige Projekte geben, die sich mit dem digitalen Bewahren des kulturellen Erbes beschäftigen, aber auch mit intelligenten Produkten und neuen Medienkunstwerken, die sich auf bestimmte soziale Gruppen fokussieren.

InstaBooth

„InstaBooth“ von Fu Zhiyong, Guo Jiajing, Ge Sihang

Die AbsolventInnen des Zweigs “Animation Design” werden meist in der Animations- und Comicindustrie arbeiten. Was glauben Sie erwarten Unternehmen von guten AnimationskünstlerInnen und wie bereiten Sie Ihre Studierenden darauf vor?

Zhigang Wang: Die Industrie, vor allem die boomende chinesische Animationsindustrie, ist immer auf der Suche nach Talenten, die ein breites Spektrum an soliden Fähigkeiten vorweisen können. In diesem Fall ist ein Showreel oder ein Portfolio von entscheidender Bedeutung für jede Absolventin und jeden Absolventen. Und das ist auch buchstäblich der Kern unseres Lehrens. Abgesehen davon haben wir uns noch ein viel ehrgeizigeres Ziel gesetzt: Unsere Studierenden der Animation sollen auch in anderen Feldern erfolgreich sein, die mit dem Bereich der Animation verwandt sind. Die Erfahrung und ihr Denken, das sie beim Schaffen von Animationen sammeln, sind ihnen auch für andere Felder nützlich. Sie müssen nicht unbedingt als AnimationskünstlerInnen arbeiten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Animationskursen werden die Studierenden hier mit einem breiteren Spektrum an Kunst und Design konfrontiert und ermutigt, ihre Kunstwerke mit den vielfältigen Aspekten der Gesellschaft in Verbindung zu setzen.

Photography Lab

Das Photography Lab an der Tsinghua-Universität. Credit: Tsinghua University

Ihr Institut setzt auch einen Schwerpunkt auf Fotografie. Können Sie uns etwas mehr davon erzählen?

Zhigang Wang: In diesem Programm vermitteln wir die ästhetischen, technischen, konzeptionellen und professionellen Fähigkeiten, die es für eine erfolgreiche kreative Umsetzung braucht. Unsere Studierenden erforschen analoge und digitale Plattformen, aber auch die Schnittstellen der Fotografie zu Video, zu Installationen und zur Multimediakunst.

„KünstlerInnen und DesignerInnen von heute stehen vor zwei grundlegenden Herausforderungen: Einerseits dem sich ausdehnenden Einfluss von Design innerhalb der Gesellschaft und andererseits der wachsenden Rolle von Technologie bei Design. Unser Fotografie-Schwerpunkt schafft dynamische Umgebungen, in denen sich die Studierenden diesen Herausforderungen stellen können. Dabei arbeiten sie mit ihren KollegInnen ähnlicher Programme zusammen – das kann zum Beispiel Film sein, aber auch andere Technologien, Biologie, Soziologie und Anthropologie.“

Dieses studierendenzentrierte Curriculum macht ein für beide Seiten fokussiertes und interdisziplinäres Lernen möglich. Die Studierenden können damit Konzepte, Technologien und Forschungsmethoden anwenden, die sich über eine breite Palette unterschiedlichster Felder erstrecken. Und wenn dann Theorie und Handwerk ineinandergreifen, und sich Kunst- und Designstudien mit den freien Künsten und der Technologie verbinden, dann haben wir das Ziel unseres Instituts erreicht – nämlich, dass die Studierenden darauf vorbereitet sind, ihr Wissen in ihrem Feld zu formen und Kunst und Design zu schaffen, auf die es ankommt. Wir greifen auf namhafte KünstlerInnen, IgenieurInnen, WissenschaftlerInnen, DesignerInnen, KritikerInnen, HistorikerInnen, SchriftstellerInnen und Lehrende zurück, die ihnen darüber hinaus eine außergewöhnliche Breite des Sehens vermitteln. Es sind ihre Sichtweisen, die uns herausfordern, indem sie zum Experimentieren anregen, alternative Weltanschauungen fördern, und Theorie mit Praxis in anspruchsvoller und innovativer Art und Weise miteinander verbinden. Außerhalb des Unterrichtsraums haben Studierende darüber hinaus Zugang zu beispiellosen Praktika und Kooperationen mit der Industrie. Gerade dieser Weg öffnet ihnen viele Perspektiven, unternehmerisch tätig zu werden und damit Erfolg zu haben.

DuBike

DuBike, ein smartes Fahrrad, das Daten sammelt und ausgibt. Von Wang Chao, Xu Yingqing, Su Yi, Tao Ji, Wang Meng, Sun Zhuang, Huang Xiangyang, Fang Ke, Wang Yu, Gu Jiawei, Yan Suosuo, Zhang Lei, Mi Haipeng, Yu Kai

„Digital Entertainment Design“ ist ein weiteres Bachelor-Programm, das Ihr Institut anbietet. Was lernen die Studierenden dabei?

Zhigang Wang: „Digital Entertainment Design“ ist ein Zweitstudium für Tsinghua-Studierende, die keinen Design-Hintergrund mitbringen. Studierende von den unterschiedlichsten Disziplinen studieren hier Game Design und Theorien interaktiver Medien. Und sie lernen die Fähigkeiten um im Team Computerspiele und mobile Games, interaktive Medienprodukte und Installationen zu planen, zu gestalten und zu entwickeln.

Feather

„Feather“ von Gong Ziyi

Wie arbeiten die Studierenden im Bereich der “New Media Art”? Und wie definieren Sie im Institut diesen Begriff im Allgemeinen?

Zhigang Wang: In unseren Programmen beschäftigen sich die Studierenden mit den aktuellen Entwicklungen von Technologie und Kunst. Wir ermutigen sie mit ihren verschiedenen Hintergründen zusammenzuarbeiten und ihre Ideen über interdisziplinäre Perspektiven und Lösungen zu verwirklichen. Wir haben nicht die Absicht, uns dem Trend der neuen Medienkunst im zeitgenössischen Kunstkontext zu folgen. Wir ziehen jedoch vielmehr den Nutzen von dieser Kraft, um die Innovation zu fördern, die sich aus der Verbindung von Kunst und Wissenschaft ergibt.

Zhigang WangProf. Zhigang Wang, PHD der Bildenden Kunst, ist seit 2007 Vizedirektor und außerordentlicher Professor am Institut für Informationskunst und –design, das zur Akademie für Kunst und Design der Tsinghua-Universität gehört. Neben seiner Rolle als Kreativchef im Pekinger E-GO Computer Graphic Studio ist er auch als Vizechef des „New Media Arts committee of the Stage Art Institute of China“ tätig. Seine akademischen Leistungen umfassen vor allem die Forschung und das Kreieren von grenzüberschreitender Animationskunst.

Die “Campus Exhibition” an der Kunstuniversität Linz ist während des Ars Electronica Festival von DO 8.9. bis SO 11.9.2016 von 11:00 bis 21:00, sowie am MO 12.9.2016 von 11:00 bis 19:00 zugänglich! Einen Gesamtüberblick der dort ausgestellten Projekte finden Sie auf ars.electronica.art/radicalatoms.

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