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LIFESCIENCE: First Statement Eduardo Kac

 
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ARS ELECTRONICA FESTIVAL 99
LIFESCIENCE
Linz, Austria, September 04 - 09
http://www.aec.at/lifescience
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Prof. Eduardo Kac
 

Statement: 
Net Symposium LifeScience


Seit den frühen 60er Jahren diskutieren wir die sozialen Auswirkungen der
Computertechnologie, und seit den frühen 80er Jahren erleben wir die
Digitale Revolution. Nun, an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, erkennen wir
die Bedeutung biologischer Prozesse sowohl für die Kunst als auch für die
Technik. Im Bereich der biologischen Wissenschaften findet ein Übergang von
der Wissenschaft vom Leben zur Informationswissenschaft statt. Die
Biosemiotik etwa ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, welche
Kommunikations- und Bezeichnungsvorgänge in lebenden Systemen untersucht.
Die Biotechnologie wirft komplexe moralische Fragen auf, wie Patentierung
und Verkauf der Gene anderer Völker. Die Gentechnik hat den Zugang der
Gesellschaft zum Begriff "Leben" ein für allemal verändert. Einige
zeitgenössische Künstler haben auf diese Veränderung reagiert und arbeiten
bereits mit modifizierten Bakterien, mit der Kommunikation zwischen
verschiedenen Spezies und mit Hybridisierungstechniken, um so die Grenzen
zwischen Kunstwerk und lebenden Organismen neu zu definieren.

Da sich die Gentechnik weiterhin im sicheren Hafen des wissenschaftlichen,
vom globalen Kapital genährten Rationalismus entwickelt, bleibt sie leider
teilweise von sozialen Themen, moralischen Parametern und dem historischen
Kontext abgeschirmt. Bei der Patentierung neuer, im Labor geschaffener Tiere
und der Gene anderer Völker handelt es sich um besonders komplexe Themen -
eine Situation, die im Falle des Menschen oft dadurch erschwert wird, daß
die Einwilligung des Spenders nicht eingeholt wird, daß dieser nicht
denselben Nutzen aus dem Prozeß zieht oder die Vorgänge der Aneignung,
Patentierung und des Profitierens nicht versteht. Seit 1980 hat das U.S.
Patent and Trademark Office (PTO) mehrere Patente für transgene Tiere
erteilt, darunter fünf Patente für transgene Mäuse, eines für ein transgenes
Kaninchen und drei Patente, die alle nicht-menschlichen transgenen Tiere
umfassen. Kürzlich wurde die Debatte über Tierpatente um Patente für
gentechnisch veränderte menschliche Zellketten und künstliche Konstrukte (z.
B. Plasmide), die menschliche Gene enthalten, erweitert. Die Verwendung der
Genetik in der Kunst bietet eine Möglichkeit, diese neuen Entwicklungen von
einem sozialen und moralischen Standpunkt aus zu reflektieren. Sie stellt
wichtige verwandte Themen wie die häusliche und soziale Integration
transgener Tiere, die willkürliche Darstellung des Konzepts der "Normalität"
durch Gentests, Verbesserung und Therapie sowie die ernsthaften Gefahren der
Eugenik in den Vordergrund. Für Künstler, welche die kulturelle Auswirkung
der neuen Technologien untersuchen wollen, eröffnet die Verwendung der
Genetik in der Kunst außerdem eine völlig neue Welt an Möglichkeiten.

Transgene Kunst, schlage ich vor, ist eine neue Kunstform auf der Basis der
Verwendung gentechnischer Methoden zur Übertragung künstlicher Gene auf
einen Organismus oder zur Übertragung natürlichen genetischen Materials von
einer Art auf die andere, um so einzigartige Lebewesen zu schaffen. Die
Molekulargenetik erlaubt dem Künstler, pflanzliches und tierisches Genom zu
konstruieren und neue Lebensformen zu schaffen. Das Wesen dieser neuen Kunst
wird nicht nur durch die Geburt und das Wachstum einer neuen Pflanze oder
eines neuen Tieres definiert, sondern vor allem durch das Wesen der
Beziehung zwischen Künstler, Öffentlichkeit und transgenem Organismus.
Transgene Kunstwerke kann jeder mit nach Hause nehmen und in seinem eigenen
Garten anpflanzen oder als treue Haustiere halten. Da täglich mindestens
eine gefährdete Art ausstirbt, schlage ich vor, daß Künstler durch die
Erfindung neuer Lebensformen dazu beitragen, die Artenvielfalt unserer Welt
zu vergrößern. Ohne ein entschlossenes Engagement und eine fixe
Verantwortung für die neuen, auf diese Weise geschaffenen Lebensformen ist
transgene Kunst nicht möglich. Moralische Fragen sind bei jedem Kunstwerk
von vorrangiger Bedeutung, und sie werden wichtiger denn je, sobald es um
biologische Kunst geht, sobald ein echtes Lebewesen selbst zum Kunstwerk
wird. Von der Perspektive der Kommunikation zwischen den Arten gesehen,
erfordert die transgene Kunst eine dialogische Beziehung zwischen dem
Künstler, der Kreatur/dem Kunstwerk und denjenigen, die damit in Kontakt
treten.

Während wir versuchen, aktuelle Kontroversen zu überwinden, wird deutlich,
daß die Transgenese ein fixer Bestandteil unseres künftigen Lebens sein
wird. Transgene Feldfrüchte werden im Landschaftsbild eine vorherrschende
Rolle spielen. Trangene Tiere werden die Bauernhöfe bevölkern und Teil
unserer Großfamilie werden. So oder so werden die Gemüsesorten und die
Tiere, die wir essen, nie wieder dieselben sein. Genetisch veränderte
Sojabohnen, Kartoffeln, Mais-, Kürbis- und Baumwollpflanzen werden seit 1995
großflächig angebaut. Die aktuelle Entwicklung sogenannter "Plantibodies",
d. h. menschlicher Gene, die in Mais, Soja, Tabak und andere Pflanzen
übertragen wurden, um so hektarweise Antikörper von pharmazeutischer
Qualität produzieren zu können, verspricht eine kostengünstige und
reichliche Ernte dringend benötigter Proteine. Während in vielen Fällen
Forschungs- und Marketingstrategien den Profit vor die Gesundheit stellen,
scheint in anderen Fällen die Biotechnologie wiederum sehr vielversprechende
Heilungsaussichten in Bereichen zu bieten, deren wirksame Behandlung derzeit
nur schwer möglich ist.

Die Ars Electronica Netzdiskussion wird sich mit der komplexen und
faszinierenden Beziehung zwischen Biologie und Kunst in einem größeren
Kontext verwandter sozialer, politischer und moralischer Themenbereiche
befassen.
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